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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.05.2000
Aktenzeichen: IV R 84/99
Rechtsgebiete: EStG 1987


Vorschriften:

EStG 1987 § 4 Abs. 1 Satz 2
EStG 1987 § 13
EStG 1987 § 13a
EStG 1987 § 52 Abs. 15 Satz 4
EStG 1987 § 52 Abs. 15 Satz 6
EStG 1987 § 52 Abs. 15 Satz 7
BUNDESFINANZHOF

Die im Rahmen der Übergangsregelung des § 52 Abs. 15 EStG zulässige steuerfreie Entnahme des zu einer Wohnung gehörenden Grund und Bodens umfasst gemischtgenutzte Flächen (wie z.B. eine Hoffläche) nur, wenn sie zu mehr als 90 v.H. der Wohnung dienen.

EStG 1987 § 4 Abs. 1 Satz 2, § 13, § 13a, § 52 Abs. 15 Satz 4, 6 und 7

Urteil vom 18. Mai 2000 - IV R 84/99 -

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1998, 1578)


Gründe

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verpächter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Seine eigengenutzte Wohnung hatte der Kläger bereits zum 1. Januar 1987 nach § 52 Abs. 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. aus dem Betriebsvermögen entnommen. Aus Anlass dieser Entnahme traf ein landwirtschaftlicher Sachverständiger 1991 folgende Feststellungen zur Aufteilung des 705 qm großen Grundstücks:

mit Wohnhaus überbaute Fläche 99 qm mit Wirtschaftsgebäude überbaute Fläche 125 qm PKW-Stellplatz (mindestens 10 % betriebliche Nutzung) 14 qm Hoffläche 213 qm

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 1994, eingegangen am 26. Mai 1994, dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) gegenüber die Aufgabe seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erklärt hatte, ermittelt er den Aufgabegewinn in seiner am 7. März 1997 abgegebenen Einkommensteuererklärung 1994 wie folgt:

Aufgabegewinn landwirtschaftlicher Grundstücke DM DM Schätzung lt. Gutachterausschuss der Stadt F vom 21. Dezember 1993

784 828

abzüglich Buchwert: Teilwert zum 1. September 1978 (442,13 Ar)

./. 665 149

abzüglich Ausgangswert nach § 55 EStG (34,13 Ar)

./. 17 852

65 827 65 827 Aufgabegewinn Hofstelle (Lange Straße 72)

Wirtschaftsgebäude lt. Gutachten 25 585

abzüglich durch Wirtschaftsgebäude überbaute Fläche zum Teilwert (125 qm x 120 DM/qm)

15 000

10 585 10 585

76 412 abzüglich Schätzungsgebühren

./. 2 318 Aufgabegewinn insgesamt

74 094

Nach Abzug des Freibetrags bei Betriebsveräußerung verblieb kein steuerpflichtiger Aufgabegewinn. Ein entsprechender Einkommensteuerbescheid erging für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Später stellte das FA jedoch fest, dass der Kläger weder den PKW-Stellplatz (14 qm) noch die Hoffläche (213 qm) entnommen hatte. Dem darauf ergangenen Änderungsbescheid lag daher ein um 170 250 DM erhöhter Betriebsaufgabegewinn zugrunde (227 qm x 750 DM), der nach Abzug des Freibetrags noch mit 124 344 DM steuerpflichtig war. Der Kläger war demgegenüber der Auffassung, die Hoffläche sei nur zu 55 v.H. steuerpflichtig zu entnehmen; dies entspreche dem Verhältnis der überbauten Flächen des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1578 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen aus, nach § 52 Abs. 15 Satz 6 und 7 EStG a.F. und dem dazu ergangenen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 4. Juni 1997 (BStBl I 1997, 630) könne Grund und Boden nur insoweit steuerfrei entnommen werden, als er zu mehr als 90 v.H. der Wohnung diene.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend.

Er trägt im Wesentlichen vor, er habe seinen Gewinn nach § 13a EStG ermittelt. Da die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen aber begrifflich ein Betriebsvermögensvergleich sei, müssten für den Umfang des Grund und Bodens die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze gelten. Danach sei hinsichtlich der Hoffläche und des PKW-Stellplatzes als gemischtgenutzten Wirtschaftsgütern auch eine nur anteilige Zuordnung zum Betriebsvermögen zulässig. Ein Teil dieser Wirtschaftsgüter sei daher im Verhältnis der Nutzflächen der betrieblich und privat genutzten Gebäude mit der Folge steuerfreier Entnahme dem zum Wohnhaus dazugehörenden Grund und Boden zuzuordnen (Hinweis auf R 13 Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--). Im Streitfall sei weder das Senatsurteil vom 24. Oktober 1996 IV R 43/95 (BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50) noch das BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 630 einschlägig. Die Verwaltung könne nicht willkürlich entscheiden, dass die Grenze für die Berücksichtigung zur Wohnung gehörigen Grund und Bodens bei einem Anteil von 10 v.H. betrieblicher Nutzung liege.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids 1994 die Einkommensteuer auf der Grundlage eines Betriebsaufgabegewinns von 167 731 DM neu festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG eine anteilige steuerfreie Entnahme der Hoffläche und des PKW-Stellplatzes bei der Betriebsaufgabe im Veranlagungszeitraum 1994 abgelehnt.

1. Nach § 14 i.V.m. § 16 EStG gehören zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erzielt werden. Als Veräußerung in diesem Sinne gilt gemäß § 16 Abs. 3 EStG auch die Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, von der im Streitfall in Übereinstimmung mit den Beteiligten für das Streitjahr 1994 auszugehen ist. Nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger die landwirtschaftlichen Flurstücke seit Jahren verpachtet. Gemäß den Betriebsverpachtungsgrundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) konnte er daher jederzeit die Betriebsaufgabe erklären (Urteil des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124), ohne Rücksicht darauf, dass die Hofstelle mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden nicht mitverpachtet und unabhängig davon, ob die landwirtschaftlichen Flächen parzelliert mehreren Landwirten oder insgesamt nur einem Pächter zur Nutzung überlassen worden waren (zuletzt Senatsurteil vom 2. März 1995 IV R 52/94, BFH/NV 1996, 110, m.w.N.).

Der bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassende Aufgabegewinn ist gemäß § 14 i.V.m. § 16 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der "Aufgabepreis" den Buchwert des Betriebsvermögens und die Kosten der Betriebsaufgabe übersteigt (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1992 VIII R 57/90, BFHE 170, 320, BStBl II 1994, 607, 611). Unter "Aufgabepreis" ist in diesem Zusammenhang der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens im Aufgabezeitpunkt zu verstehen, wenn --wie im Streitfall-- das gesamte bisherige Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt wird (Senatsurteil vom 5. Dezember 1996 IV R 83/95, BFHE 182, 137, BStBl II 1997, 287).

2. Das FA hat den Aufgabegewinn zutreffend auf der Grundlage unstreitiger Werte (Buch- und gemeiner Werte) ermittelt. Entgegen der Auffassung des Klägers bietet § 52 Abs. 15 Satz 4, 6 und 7 EStG a.F. keine Rechtsgrundlage für eine anteilige steuerfreie Entnahme der Hoffläche und des PKW-Stellplatzes. Eine solche steuerfreie Entnahme war weder im Zeitpunkt der Ausübung der Option zur Konsumgutlösung im Jahr 1987 noch bei Betriebsaufgabe im Jahr 1994 möglich.

a) Mit der nach § 52 Abs. 15 Satz 4 EStG a.F. zulässigen Abwahl der Nutzungswertbesteuerung der Wohnung zum 1. Januar 1987 galten das Wohnhaus des Klägers sowie der dazugehörige Grund und Boden zu dem Zeitpunkt als entnommen, bis zu dem § 13 Abs. 2 oder § 13a Abs. 3 Nr. 4 und Abs. 7 EStG a.F. letztmals angewendet wurden (§ 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F.). Nach welcher der beiden genannten Vorschriften der Nutzungswert der Wohnung erfasst wurde, kann dahinstehen. Das FG hat keine Feststellungen zu Beginn und Umfang der Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen getroffen. Der Kläger selbst hat vorgetragen, er habe seinen Gewinn bis zur Betriebsaufgabe nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG ermittelt. Aber auch wenn er nach Übergang zur Verpachtung aller Flächen --wie allgemein üblich-- seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt haben sollte, ändert sich nichts an der durch § 52 Abs. 15 Satz 6 und 7 EStG a.F. angeordneten Rechtsfolge einer fiktiven, steuerfreien Entnahme des Wohnhauses und des dazugehörenden Grund und Bodens, nämlich einer Abstands- und Zierfläche, dreier unmittelbar an das Wohnhaus grenzender Garagen, eines Holzschuppens und eines Gemüse- und eines Obstgartens.

b) Zu Recht hat das FA bei Abwahl der Nutzungswertbesteuerung weder die Hoffläche noch den unmittelbar an das Wirtschaftsgebäude angrenzenden PKW-Stellplatz anteilig als zur Wohnung des Klägers gehörenden Grund und Boden entnommen behandelt. Diese beiden Wirtschaftsgüter dienten nach den Feststellungen des FG nicht unmittelbar Wohnzwecken des Klägers und unterlagen daher auch nicht bei Abwahl der Nutzungswertbesteuerung der Entnahmefiktion des § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F., wie dies bei selbständigen Wirtschaftsgütern des notwendigen Privatvermögens der Fall gewesen wäre. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BFH sind dem notwendigen Privatvermögen als Komplementärbegriff zum notwendigen Betriebsvermögen alle die Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich privaten Zwecken der Lebensführung dienen (s. nur BFH-Urteile vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582, und vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40). Eine nahezu ausschließliche private Veranlassung in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn die betriebliche Nutzung dieser Flächen von untergeordneter Bedeutung ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Das BMF ordnet daher gemischtgenutzte Flächen, wie Zugänge, Zufahrten und Stellflächen dem zur Wohnung gehörenden Grund und Boden zu, wenn sie "zu mehr als 90 v.H. der Wohnung dienen" (Tz. 1 und 3 des BMF-Schreibens vom 4. Juni 1997, BGBl I 1997, 630). Nach Auffassung des Senats enthält das BMF-Schreiben insoweit eine zutreffende Auslegung der §§ 4 Abs. 1, 12 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 15 Satz 4 EStG, der auch das Schrifttum zugestimmt hat (vgl. Felsmann/Giere, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl. 1983/1998, Anm. A 171g; Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, 1998, Kap. 17 Rz. 104; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2000, § 13 Rz. 190 "Grund und Boden").

c) In Anwendung dieser Grundsätze hat das FG Hoffläche und PKW-Stellplatz bei Abwahl der Nutzungswertbesteuerung zutreffend als notwendiges Anlagevermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers behandelt. Beide Flächen waren objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt. Auch die Verpachtung der landwirtschaftlich genutzten Flächen vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, denn ein Verpachtungsbetrieb unterhält notwendiges Betriebsvermögen im gleichen Umfang wie ein aktiv bewirtschafteter Betrieb (Senatsurteil vom 24. September 1998 IV R 1/98, BFHE 187, 42, BStBl II 1999, 55).

d) Nach Auffassung des Klägers gebietet die private Mitbenutzung der Hoffläche und des PKW-Stellplatzes allerdings eine nur anteilige Zuordnung zum Betriebsvermögen. Zu Unrecht beruft sich der Kläger dazu auf R 13 Abs. 7 EStR. Diese Verwaltungsanweisung betrifft die anteilige Zuordnung des zu einem Gebäude gehörenden Grund und Bodens, das nur zu einem Teil eigenbetrieblich genutzt wird. Bei der Hoffläche handelt es sich aber um ein eigenständiges Wirtschaftsgut, das im Übrigen ebenso wie der Stellplatz ganz überwiegend in einem Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit den Wirtschaftsgebäuden des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs steht und daher nur einheitlich dem Betriebsvermögen zugeordnet werden kann (BFH-Urteile vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395, und vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461).

3. Waren daher die beiden streitigen Flächen auch nicht anteilig bereits bei Abwahl der Nutzungswertbesteuerung als steuerfrei entnommen zu behandeln, so waren sie im Rahmen der Betriebsaufgabe im Mai 1994 als notwendiges Betriebsvermögen des Verpachtungsbetriebs in vollem Umfang steuerpflichtig zu entnehmen.

Ende der Entscheidung

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