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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.11.2008
Aktenzeichen: IV R 87/05
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 60 Abs. 3
FGO § 123 Abs. 1 S. 2
AO § 164 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Verfahrensstand

In dem Revisionsverfahren IV R 87/05 ist darüber zu befinden, ob erhebliche Verluste aus Differenzgeschäften (Options- und Devisentermingeschäfte) als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.

Der während des anhängigen Revisionsverfahrens verstorbene frühere Kläger, Herr K., war Gesellschafter der S-KG, die durch Umwandlung zum 1. Januar 1992 aus der S-GmbH hervorgegangen ist. An der S-KG waren K. als Komplementär mit einer Festeinlage von 490 000 DM (= 98 v.H.) und Frau S. mit einer Kommanditeinlage von 10 000 DM (= 2 v.H.) beteiligt. Frau S. ist am 11. August 2005 verstorben. Erbe nach Frau S. ist der Beigeladene. Die S-KG betrieb ein Tiefbauunternehmen und war auf die Ausführungen von größeren Erdbewegungen wie z.B. beim Bau von ICE-Strecken und Bundesautobahnen spezialisiert.

Auf Grund der guten Ertragslage verfügte die S-KG trotz erheblicher Investitionen in Fahrzeug- und Maschinenpark in den Jahren 1992 bis 1994 über freie Mittel von mehreren Millionen DM. Ein Teil dieser Gelder wurde als Termin- bzw. Festgeld angelegt. Mit weiteren freien Mitteln wurden Wertpapiergeschäfte, in der Hauptsache der An- und Verkauf von DAX-Optionsscheinen, getätigt; außerdem wurden in erheblichem Umfang Devisentermingeschäfte, überwiegend in US-Dollar, als sog. Differenzgeschäfte abgeschlossen. Im Allgemeinen wurde mit Beträgen zwischen zwei und sechs Millionen US-Dollar operiert. Sämtliche Geschäfte wurden über betriebliche Konten (Giro- bzw. Wertpapierkonten) der S-KG, vertreten durch deren geschäftsführenden Gesellschafter K., abgewickelt und in der laufenden Buchhaltung der S-KG zeitnah erfasst.

Im Streitjahr 1994 ist aus diesen Geschäften ein Verlust in Höhe von 1 762 941 DM angefallen. Der Verlust ergibt sich aus dem Saldo der im Streitjahr erzielten Kursgewinne von 1 008 254 DM und den Kursverlusten von 2 771 195 DM.

In der Feststellungserklärung für das Streitjahr 1994 erklärte die S-KG einen Gewinn nach Verrechnung mit den vorerwähnten Verlusten in Höhe von 586 256 DM.

Im Rahmen einer Außenprüfung, die auch die Veranlagungszeiträume 1992 und 1993 betraf, vertrat der Prüfer die Auffassung, dass ein Betriebsausgabenabzug der Verluste aus den Devisentermingeschäften und dem Handel mit DAX-Optionsscheinen, die sich allein in den Jahren 1992 bis 1994 auf insgesamt rund 5 327 000 DM belaufen haben, wegen des spekulativen und branchenuntypischen Charakters der Geschäfte zu versagen sei. Die Wertpapierbestände (Optionsscheine), welche in der Handelsbilanz ausgewiesen seien, seien nicht dem gewillkürten Betriebsvermögen, sondern dem Privatvermögen des K. zuzurechnen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte den Ergebnissen der Außenprüfung und erließ gerichtet an die S-KG gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) für die jeweiligen Prüfungsjahre (und für 1995) geänderte Feststellungsbescheide.

Dagegen wurde namens der S-KG Einspruch eingelegt, der sich auf sämtliche geänderte Feststellungsbescheide für 1992 bis 1995 bezog.

Im Einvernehmen und auf Antrag der S-KG erließ das FA die --auf den Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1994 beschränkte-- Einspruchsentscheidung vom 8. August 2000, mit der der Rechtsbehelf der S-KG als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Einspruchsentscheidung weist im Rubrum als Einspruchsführerin die S-KG aus.

Mit der Klage wird geltend gemacht, dass die von der S-KG erzielten Verluste aus den Devisentermingeschäften und den Optionsgeschäften steuerlich anzuerkennen seien. Sie seien betrieblich veranlasst, weil die Geschäfte, aus denen sie entstanden seien, dem Betrieb der S-KG zuzuordnen gewesen seien. Im Rubrum der Klageschrift wird ausschließlich die S-KG genannt. Allerdings lautet der Eingangssatz, dass die Klage "namens und im Auftrag des Klägers" (meint: K.) erhoben wird. Die der Klageschrift beigefügte Vollmacht lautet ebenfalls auf die S-KG und ist offensichtlich von K. unterschrieben worden.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Die Entscheidung vom 13. Dezember 2004 5 K 2546/00 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1333 veröffentlicht.

Bereits mit notariellem Vertrag vom 23. Dezember 1997 wurde die S-KG --erneut-- auf die S-GmbH umgewandelt. Die Eintragung der S-GmbH ins Handelsregister erfolgte am 1. April 1998.

Die erneute Umwandlung der S-KG auf die S-GmbH ist im bisherigen Verfahren übersehen worden.

Gegen das Urteil des FG richtet sich die Revision des FA. Das Urteil sei aufzuheben, da die Klage unzulässig sei. Sie sei von der S-KG zu einem Zeitpunkt erhoben worden, zu dem sie bereits nicht mehr klagebefugt gewesen sei. Zudem rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Während des Revisionsverfahrens ist am 1. Januar 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des K. eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt R bestellt worden. Der Insolvenzschuldner ist am 3. Januar 2008 verstorben. Das Insolvenzverfahren wird daher als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt.

Auf Nachfrage des Berichterstatters hat der Insolvenzverwalter erklärt, dass er den Rechtsstreit gemäß § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) aufnimmt, soweit der erkennende Senat die Klage als solche des K. auslegt.

Das FA beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Grund der Beiladung

Der Senat beabsichtigt, die Klage entgegen der Bezeichnung im Rubrum der Klageschrift dahin auszulegen, dass sie im Namen des K. und nicht im Namen der S-KG erhoben wurde.

Mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister war die S-KG vollbeendet. Damit ist auch ihre Befugnis gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entfallen, für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen. Nach der Vollbeendigung sind allein die von dem angefochtenen Feststellungsbescheid betroffenen Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO klagebefugt.

Der Senat beabsichtigt die Klage, anders als das FG, dahin auszulegen, dass sie im Namen des K. erhoben worden ist. Die Auslegung der Klageschrift erfolgt dabei nach den für die Willenserklärungen geltenden Grundsätzen. Für die Auslegung und Bestimmung der in der Klageschrift genannten Kläger sind alle dem FG und FA bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Dabei sind auch die Umstände heranzuziehen, die nur dem FA als einem Adressat der Klage (neben dem FG) erkennbar waren (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Mai 1998 IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146). Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass bereits die Einspruchsentscheidung vom 8. August 2000 zu Unrecht an die bereits vollbeendete S-KG und nicht an die Gesellschafter adressiert worden ist, obwohl die S-KG schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung in die S-GmbH umgewandelt worden war. Dies war dem FA auch schon vor Erlass der Einspruchsentscheidung bekannt, da es unter dem 26. Juni 2000 die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 1998, Feststellung gemäß § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und Gewerbesteuer 1998 zutreffend an die S-GmbH gerichtet hat. Gleichwohl führte die fehlerhafte Adressierung der Einspruchsentscheidung nicht zu deren Unwirksamkeit, da sie sich trotz Adressierung an die Gesellschaft an deren Gesellschafter richtete und dem Bevollmächtigten gemäß § 183 Abs. 2 und 3 AO bekannt gegeben worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074). Entspricht das Rubrum der Klageschrift in diesem Fall spiegelbildlich dem der Einspruchsentscheidung, hat das FA die fehlerhafte Klägerbezeichnung dem Grunde nach veranlasst. Da aber für das FA erkennbar war, dass die Klage zulässigerweise nur von den ehemaligen Gesellschaftern der vollbeendeten Gesellschaft erhoben werden konnte, kann auch die Klage gegen den ausdrücklichen Wortlaut nur dahin ausgelegt werden, dass sie von einem oder allen ehemaligen Gesellschaftern eingelegt worden ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 146, und BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162). Dass die Klage von dem rechtskundigen Prozessvertreter erhoben worden ist, steht der Auslegung in diesem Fall nicht entgegen.

Da die Prozessvollmacht aber ersichtlich nur von K. erteilt worden ist, kann die Klageschrift nur dahin ausgelegt werden, dass sie namens des K. erhoben worden ist.

Diese Auslegung hat zur Folge, dass der gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO klagebefugte Erbe der Kommanditistin S. notwendig beizuladen ist (§ 60 Abs. 3 FGO). Die unterlassene Beiladung kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO auch im Revisionsverfahren erfolgen. Der erkennende Senat übt sein ihm in dieser Vorschrift eingeräumtes Ermessen dahin gehend aus, dass er von einer Zurückverweisung der Sache an das FG aus verfahrensrechtlichen Gründen absieht und die Beiladung selbst vornimmt.

III. Hinweise

Durch den vorliegenden Beiladungsbeschluss erhält der Beigeladene die Stellung eines Beteiligten (vgl. § 57 Nr. 3 FGO). Eine Verpflichtung zur Mitwirkung an dem Verfahren besteht für den Beigeladenen nur, sofern er eine besondere Aufforderung durch den Senat erhält. Die Rechtskraft einer in dieser Sache ergehenden Entscheidung wirkt in jedem Fall für und gegen den Beigeladenen (vgl. § 110 Abs. 1 FGO).

Der Senat weist darauf hin, dass der Beigeladene Verfahrensmängel des FG nur innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses rügen kann (§ 123 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Frist kann nach Maßgabe des § 123 Abs. 2 Satz 2 FGO verlängert werden. Der Senat verweist den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück, wenn der Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat (§ 126 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Jeder Beteiligte, also auch ein Beigeladener, muss sich --sofern eine Stellungnahme beabsichtigt ist-- vor dem BFH durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes vertreten lassen (vgl. nunmehr § 62 Abs. 4 FGO i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007, BGBl. I 2007, 2840; früher: § 62a Abs. 1 FGO a.F.). Zur Vertretung der Beteiligten vor dem BFH berechtigt sind Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer; ferner Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorigen Halbsatz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden.

Ende der Entscheidung

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