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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 16.10.1997
Aktenzeichen: IV R 87/96
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG 1990 § 13a Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 8 Nr. 1
BUNDESFINANZHOF

Bei Ermittlung der Wertgrenze von 2 000 DM für Vergleichswerte von Sonderkulturen (§ 13a Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 8 Nr. 1 EStG 1990) ist eine Nutzungsänderung von Flächen, die nicht zu einer Fortschreibung des Einheitswerts geführt hat, nicht zu berücksichtigen (gegen Abschn. 130a Abs. 2 Satz 11 EStR 1990).

EStG 1990 § 13a Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 8 Nr. 1

Urteil vom 16. Oktober 1997 - IV R 87/96

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1997, 277)


Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die für das Streitjahr 1984 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Neben seinem Hauptberuf als Lehrer betrieb der Kläger eine Landwirtschaft auf 30,48 ha Fläche. Den Gewinn daraus ermittelte er nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Wirtschaftsjahr 1984/85 erweiterte der Kläger seinen Spargelanbau von 0,375 ha auf 1,13 ha, indem er die landwirtschaftliche Nutzung entsprechend verringerte. Da diese Nutzungsänderung nicht zu einer Wertfortschreibung nach § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) führte, blieb es bei dem ursprünglichen für das Streitjahr maßgebenden Einheitswertbescheid, in dem kein Vergleichswert für die Spargelanbaufläche ausgewiesen war. Die Kläger gingen daher in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr davon aus, daß der Spargelanbau im Ausgangswert nach § 13a Abs. 4 EStG enthalten sei und ermittelten einen Verlust aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 12 415 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm demgegenüber an, daß der Gewinn aus dem Spargelanbau nach § 13a Abs. 8 Nr. 1 EStG zu erfassen sei. Das FA berechnete einen Vergleichswert von 3 734 DM für den Spargelanbau, schätzte den Gewinn aus dieser Sondernutzung auf der Grundlage einer Einnahmenüberschußrechnung auf 28 866 DM und ermittelte so einen Gesamtgewinn aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 2 574 DM.

Nach erfolglosem Vorverfahren erledigte sich ein zunächst anhängiges Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG), weil das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid aufgehoben hatte. Das FA setzte die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Streitjahr nur noch mit 170 DM an und erteilte den Klägern einen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich, gegen den die Kläger nach erfolglosem Einspruch wiederum Klage erhoben haben.

Das FG wies die Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 277 veröffentlichten Begründung ab, ein nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 b EStG zur Einkommensteuerveranlagung verpflichtender Verlust aus Land- und Forstwirtschaft liege im Streitfall nicht vor. Der Durchschnittssatzgewinn sei nach § 13a Abs. 8 Nr. 1 EStG um die Erträge aus dem Spargelanbau zu erhöhen. Diese überstiegen sowohl den nach den Vorschriften des BewG ermittelten Vergleichswert von 2 000 DM als auch den Freibetrag von 3 000 DM.

Die gesonderte Erfassung von Gewinnen nach § 13a Abs. 8 EStG setze nicht voraus, daß für die Sonderkultur ein Vergleichswert festgesetzt worden sei oder daß die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung von Wertanteilen nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG vorlägen. Nach dem Wortlaut des § 13a Abs. 8 EStG seien die dort genannten Grenzen lediglich nach den Vorschriften des BewG zu berechnen. Diesem auch durch eine zweckgerichtete Auslegung der Vorschrift gestützten Ergebnis stehe im übrigen nicht entgegen, daß die Spargelanbaufläche im maßgebenden Einheitswertbescheid noch als landwirtschaftliche Fläche enthalten sei. Bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen müsse eine derartige Doppelerfassung bewirtschafteter Flächen hingenommen werden, weil die Gewinnermittlungsart ohnehin ungenau sei und regelmäßig hinter den tatsächlich erwirtschafteten Gewinnen zurückbleibe.

Unabhängig von dem fehlenden Vergleichswert für die Sondernutzung sei die Klage aber auch deshalb abzuweisen, weil die Nutzungsänderung zu einer Hinzurechnung nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG führen müsse. Diese Hinzu- und Abrechnungsregelung sei nicht nur auf landwirtschaftliche Nutzungen, sondern auch auf die Spargelanbauflächen anzuwenden. Der Begriff der landwirtschaftlichen Nutzung sei in dieser Vorschrift in einem weiteren, auch die Sondernutzungen erfassenden Sinne zu verstehen. Auch insoweit werde die Auslegung durch den Gesetzeszweck gestützt. Mit der Zurechnungsvorschrift des § 13a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Satz 6 EStG solle der aus dem Einheitswert des Betriebs abgeleitete Ausgangswert auf die veränderten tatsächlichen Verhältnisse hin angepaßt werden. Es wäre aber sinnwidrig, nur die Veränderungen der landwirtschaftlichen Nutzungen zu erfassen, wo der tatsächliche Ertrag aus Sondernutzungen deutlich höher sei. Ein Verzicht auf Hinzurechnung von Sondernutzungen müßte im übrigen zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Landwirte führen, die Flächen hinzupachten (§ 13a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 EStG) statt sie hinzuzukaufen. Für die Gewinnermittlung dürfe es aber keinen Unterschied machen, ob Nutzflächen gekauft oder gepachtet würden. Zwar liege im Streitfall nicht der in § 13a Abs. 4 Nr. 4 Satz 6 EStG ausdrücklich geregelte Zugang oder Erwerb von Flächen vor. Die Vorschrift sei aber auch auf Nutzungsänderungen entsprechend anzuwenden, da das Gesetz insoweit eine planwidrige Lücke enthalte, die auch zum Nachteil des Klägers geschlossen werden könne (Senatsurteil vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79, BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221).

Die Kläger rügen mit ihrer vom FG zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt die Revision zurückzuweisen.

Es trägt vor, die Regelung in Abschn. 130a Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1990 gehe davon aus, daß im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur Erträge aus einer üblichen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen mit dem pauschalen Gewinn nach § 13a Abs. 4 bis 7 EStG abgegolten sein könnten. Erziele der Steuerpflichtige dagegen durch Ausweitung seiner Tätigkeit aufgrund einer Nutzungsänderung erheblich höhere Gewinne, so seien diese gesondert zu erfassen. Umgekehrt sei auch eine Verringerung des Umfangs der Sonderkulturen ungeachtet der Einheitsbewertung bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zu berücksichtigen.

Die Revision der Kläger ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

l. Die Vorentscheidung verletzt § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 b EStG sowie § 13a Abs. 4 und Abs. 8 Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung. Zu Unrecht hat das FA eine Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr abgelehnt. Der Gewinn des Klägers aus dem Spargelanbau ist nicht nach § 13a Abs. 8 Nr. 1 EStG zu ermitteln, so daß sich insgesamt ein Verlust aus Land- und Forstwirtschaft ergibt, der im Wege der Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 b EStG zu berücksichtigen ist.

a) Mit Urteil vom 27. Juni 1996 IV R 75/95 (BFHE 181, 36) hat der Senat abweichend von Abschn. 130a Abs. 2 Satz 2 EStR 1990 entschieden, daß der Zu- und Abgang von Flächen einer Sondernutzung, der nicht zu einer Fortschreibung des Einheitswerts geführt hat, bei Ermittlung der Wertgrenze von 2 000 DM für Vergleichswerte von Sonderkulturen nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 8 Nr. 1 EStG 1990 nicht zu berücksichtigen ist. In dieser Entscheidung hat es der Senat insbesondere abgelehnt, § 13a Abs. 4 Nr. 1 Satz 6 EStG in der bis zu seiner Änderung durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1993 (BGBI I, 2310, BStBl I 1994, 50) geltenden Fassung auch auf Zu- und Abgänge der Flächen mit Sondernutzungen und Sonderkulturen anzuwenden, weil die Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur den Zu- und Abgang von Flächen landwirtschaftlicher Nutzung betraf. An den diese Entscheidung tragenden Erwägungen hält der Senat fest.

Im Streitfall beruht der Flächenzugang anders als in dem dem Urteil in BFHE 181, 36 zugrundeliegenden Sachverhalt nicht auf einem Erwerb von Sondernutzungsflächen, sondern auf einer Nutzungsänderung bereits vorhandener und im Ausgangswert berücksichtigter Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung. Die vom FG im Anschluß an Abschn. 130a Abs. 2 Satz 11 EStR 1990 bejahte Frage, ob auch Nutzungsänderungen innerhalb eines Betriebs, wie die Erweiterung des Spargelanbaus zu Lasten der landwirtschaftlichen Nutzung, als Zu- und Abgänge i.S. des § 13a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 Satz 6 EStG a.F. zu behandeln sind, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung (ablehnend etwa Leingärtner/Zaisch, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 925 und 959; Felsmann/Pape, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl. 1983, Anm. C 198, unklar aber C 254 f.; a.A. Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 7. Aufl. 1997, Rz. 10). Denn, wie ausgeführt, hat es der Senat bereits abgelehnt, die Zu- und Abrechnungsregelung nach § 13a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 Satz 6 EStG a.F. auch auf Sondernutzungen auszudehnen.

b) Da der maßgebende Vergleichswert des Spargelanbaus 2 000 DM nicht übersteigt (§ 13a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 EStG) gehört auch die Sonderkultur "Spargelanbau" (§ 52 BewG) zum Ausgangswert. Der Gewinn aus dieser Tätigkeit ist daher auch nicht nach § 13a Abs. 8 Nr. 1 EStG zu erfassen. Nach dieser Vorschrift sind auch die 3 000 DM übersteigenden Gewinne u.a. aus Sonderkulturen zu erfassen, "wenn die hierfür nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelten Werte ... 2 000 DM übersteigen". Zu Unrecht hat das FG aus dieser unpräzisen Formulierung geschlossen, daß die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne aus dem Spargelanbau neben dem Grundbetrag auch dann anzusetzen sind, wenn dafür im maßgebenden Einheitswertbescheid ein gesonderter Vergleichswert nicht festgesetzt worden ist.

Es ist offensichtlich, daß die Bagatellgrenzen von 2 000 DM in § 13a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 8 Nr. 1 EStG einander entsprechen. Der Gesetzgeber hatte zunächst beabsichtigt, alle Gewinne aus Sondernutzungen, für die bis dahin eine Wertgrenze von 4 000 DM galt, nach Abzug eines Freibetrags "stets und in vollem Umfang gesondert" zu erfassen (BTDrucks 8/3239 S. 10). Dementsprechend war weder in § 13a Abs. 4 Nr. 1 noch in § 13a Abs. 9 EStG i.d.F. des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft eine Wertgrenze für die Sonderkulturen enthalten. Im Vermittlungsausschuß wurde dann die Wertgrenze von 2 000 DM eingefügt, die wie die zuvor geltende Wertgrenze von 4 000 DM als Höchstgrenze zur Berücksichtigung der Sondernutzungen im Ausgangswert, zugleich aber auch als Mindestgrenze zur Erfassung von Zuschlägen nach § 13a Abs. 6 EStG a.F. oder von Sondergewinnen nach § 13a Abs. 8 Nr. 1 EStG ausgestaltet war. Daß zur Ermittlung dieser Grenzen nicht unterschiedliche Maßstäbe angewendet werden können, ist offensichtlich und wird auch im Schrifttum anerkannt (Felsmann/Pape, a.a.O., Anm. C 254; Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr. 959; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 1997, § 13a Rz. 39). Nur so läßt sich im Streitfall auch eine Doppelerfassung der Spargelanbaufläche vermeiden, die nach dem Gesetzesplan unzulässig ist (Josten in Herrman/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 13a EStG Anm. 135). Dabei verkennt der Senat nicht, daß diese Auslegung im Einzelfall den Steuerpflichtigen begünstigen kann. Dies liegt jedoch in der Natur aller Pauschalierungen, ist namentlich bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG vom Gesetzgeber auch beabsichtigt und nach Auffassung des Senats auch im Streitfall noch durch den Vereinfachungszweck dieser besonderen Gewinnermittlungsart gerechtfertigt.

2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat von seinem Standpunkt aus zu Recht keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Wert der Arbeitsleistung nach § 13a Abs. 5 EStG bezogen auf den Spargelanbau zutreffend ermittelt wurde. Davon hängt aber die Höhe des Verlustes aus Land- und Forstwirtschaft ab. Hat das FG diese Feststellungen nachgeholt, so wird es das FA verpflichten, den Verlust im Wege einer Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 b EStG zu berücksichtigen.

Ende der Entscheidung

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