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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.02.2002
Aktenzeichen: IV R 9/01
Rechtsgebiete: AO 1977, BpO 2000, GG


Vorschriften:

AO 1977 § 193 Abs. 1
BpO 2000 § 4 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
1. Die Anordnung einer sog. Anschlussprüfung bei Großbetrieben ist grundsätzlich rechtmäßig. Insoweit beruht § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO 2000 auf sachgerechten Ermessenserwägungen i.S. des § 193 Abs. 1 AO 1977 (Anschluss an BFH-Urteil vom 10. April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721).

2. Die aus der Einteilung in Größenklassen folgende unterschiedliche Prüfungshäufigkeit der verschiedenen (Klein-, Mittel- und Groß-)Betriebe verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG).

3. Betriebliche Eigenheiten und einkunftsabhängige Besonderheiten sind hinreichende Differenzierungsgründe für unterschiedliche Maßstäbe zur Einordnung von (hier landwirtschaftlichen) Betrieben in eine der drei prüfungsrelevanten Größenklassen.


Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt seit 1. Juli 1991 ein im Wege der Hofübergabe übernommenes Weingut in A und erzielt daraus Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Wirtschaftsjahr ist der Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni des Folgejahres.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Jahre 1997 bei dem Kläger für die den Veranlagungszeiträumen 1991 bis 1994 zugrunde liegenden Wirtschaftsjahre 1991/92, 1992/93, 1993/94 und 1994/95 eine Außenprüfung durchgeführt hatte, ordnete er am 6. Juni 2000 die Durchführung einer weiteren, die Veranlagungszeiträume 1995 bis 1997 und die Wirtschaftsjahre 1995/96, 1996/97 und 1997/98 betreffenden Außenprüfung an. Das FA stützte die Anordnung dieser Außenprüfung auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 der Betriebsprüfungsordnung vom 15. März 2000 --BpO 2000-- (BStBl I, 368) und dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 2. Mai 1997 IV A 8 -S 1450- 9/97 (BStBl I 1997, 576). Unstreitig lagen die Voraussetzungen für die Einstufung des Weinguts als Großbetrieb mit einem steuerlichen Gewinn über 160 000 DM zum maßgebenden Stichtag vor.

Einspruch und Klage gegen die Anordnung der Außenprüfung, mit der der Kläger die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Größenmerkmale für land- und forstwirtschaftliche und gewerbliche Großbetriebe geltend machte, hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 868 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision wendet sich der Kläger weiterhin gegen die Anordnung der Durchführung einer Anschlussprüfung seines Weinbauunternehmens als eines Großbetriebs und trägt im Wesentlichen vor: Die von der Finanzverwaltung aufgestellten Kriterien für die Einstufung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe als Großbetriebe seien verfassungswidrig. Zwar sei es notwendig, die einzelnen Betriebe nach verschiedenen Betriebsgrößen zu unterscheiden. Die zwischen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einerseits und gewerblichen Betrieben andererseits, insbesondere Fertigungsbetrieben, gegebenen Unterschiede rechtfertigten es jedoch nicht, land- und forstwirtschaftliche Betriebe bereits bei steuerlichen Gewinnen von über 160 000 DM regelmäßigen Anschlussprüfungen zu unterwerfen, denen vergleichbare Gewerbebetriebe erst mit Gewinnen von 410 000 DM bzw. 460 000 DM unterlägen. Die Unterschiede zwischen einem landwirtschaftlichen Weinbaubetrieb und einer gewerblichen Kellerei, die ebenfalls Weinbau betreibe, seien minimal, und eine Einordnung in die eine oder andere Einkunftsart in der Regel allein vom Überschreiten der Zukaufsgrenze abhängig. Nachdem die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet werde, sei auch dieser Gesichtspunkt nicht geeignet, eine unterschiedliche Behandlung prüfungswürdiger Betriebe zu rechtfertigen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG, die Betriebsprüfungsanordnung vom 6. Juni 2000 und den Einspruchsbescheid vom 6. September 2000 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG entschieden, dass die vorliegende, allein auf § 193 Abs. 1 AO 1977 gestützte Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977) rechts- und ermessensfehlerfrei ist.

1. In ständiger Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen, die wie der Kläger im Prüfungszeitraum einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten haben, nach § 193 Abs. 1 AO 1977 ohne weitere Voraussetzungen zulässig ist (Senatsurteile vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286, und vom 28. April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621; s. auch BFH-Urteile vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, 5; vom 10. April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721, 723, und vom 21. Juni 1994 VIII R 54/92, BFHE 174, 397, BStBl II 1994, 678; s. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 8. März 1985 1 BvR 93/85, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1986, 258). Dabei steht der Finanzbehörde ein Auswahlermessen zu, das sie in der für den Streitfall maßgebenden BpO 2000 dahin gehend ausgeübt hat, dass Großbetriebe grundsätzlich lückenlos (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BpO 2000), andere Betriebe hingegen in aller Regel nur für einen Zeitraum von drei Jahren geprüft werden (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000), vorbehaltlich der in Satz 2 genannten Sonderregelungen. Diese Ermessensbindung ist auch im gerichtlichen Verfahren ebenso zu beachten, wie die hiernach erforderliche Einordnung der Betriebe in Größenklassen (§ 3 Satz 1 BpO 2000), die die obersten Finanzbehörden der Länder im Benehmen mit dem BMF entsprechend § 3 Satz 2 BpO 2000 für den im Streitfall maßgebenden, ab 1. Januar 1998 laufenden 16. Prüfungsturnus durch BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 576 festgelegt haben (vgl. nur BFH in BFHE 174, 397, BStBl II 1994, 678).

Der VIII. Senat des BFH hat die Regelung in § 4 Abs. 2 BpO (St) --nunmehr BpO-- als ermessensfehlerfrei (§ 5 AO 1977) mit der Begründung beurteilt, es sei sachgerecht, für Großbetriebe generell eine sog. Anschlussprüfung vorzusehen, weil bei ihnen erfahrungsgemäß die steuerlich erheblichen Verhältnisse so umfangreich und schwierig zu überschauen sind, dass sie ohne eine Außenprüfung durch den Innendienst allein nicht wirksam kontrolliert (§ 85 AO 1977) und zutreffend besteuert werden können (BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721, 723, und BFHE 174, 397, BStBl II 1994, 678). Dieser Rechtsprechung ist der erkennende Senat bereits mit Beschluss vom 16. Februar 2001 IV B 74/00 (BFH/NV 2001, 1009) gefolgt und sieht auch im Streitfall keinen Anlass davon abzuweichen.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die aus der Einteilung in Größenklassen folgende unterschiedliche Prüfungshäufigkeit der verschiedenen Betriebe auch nicht gegen das Gleichheitsgebot in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Dies hat der BFH mehrfach entschieden (vgl. nur Urteile in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, II. 1. b, cc der Entscheidungsgründe, und vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220, zu 2. e der Entscheidungsgründe); der erkennende Senat folgt auch insoweit der Rechtsprechung der anderen Senate. Letztlich stellt der Kläger die Konsequenz einer unterschiedlichen Prüfungshäufigkeit auch nicht in Frage; aus dieser Tatsache leitet er gerade seinen vermeintlichen Anspruch her, von einer sog. Anschlussprüfung verschont zu werden.

a) Der von ihm herangezogene Vergleich mit Handels- und Fertigungsbetrieben vermag indessen einen solchen Anspruch nicht zu begründen. Denn dies hieße, die bestehenden Unterschiede zwischen den Einkunftsarten, den Einkünften aus Gewerbebetrieb und den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, zu ignorieren. Mit der Aufstellung unterschiedlicher Kriterien für die Einordnung von Klein-, Mittel- und Großbetrieben hat die Finanzbehörde in Ausübung ihres Ermessens lediglich die Differenzierungen nachvollzogen, von denen auch der Gesetzgeber in vielfältiger Weise bei den betrieblichen Einkunftsarten ausgeht. So sind etwa die Buchführungsgrenzen in § 141 Abs. 1 AO 1977 von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig und selbst hinsichtlich der einheitlichen Gewinngrenze von 48 000 DM wegen der unterschiedlichen Gewinnermittlungsarten und -zeiträume nicht vergleichbar. Auch bei der Sonderabschreibung zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe sieht § 7g Abs. 2 Nr. 1 EStG unterschiedliche Abgrenzungskriterien für Gewerbebetriebe und land- und forstwirtschaftliche Betriebe vor. Schließlich belegen eine Vielzahl landwirtschaftsbezogener Sonderregelungen, wie z.B. die des § 6b Abs. 1 Nr. 2 EStG oder des § 14a EStG, aber auch des § 4a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG die mangelnde Vergleichbarkeit dieser Einkunftsart mit den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Diese Unterschiedlichkeit wird nicht durch den Einwand des Klägers widerlegt, dass ein Strukturwandel hin zum Gewerbebetrieb durch Überschreitung der Zukaufsgrenzen oder auf andere Weise verhältnismäßig einfach herbeizuführen ist. Zwar kann der Landwirt ebenso wie ein Freiberufler einen solchen Strukturwandel jederzeit bewirken, jedoch mit der Folge des Verlusts aller an den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb anknüpfenden Vergünstigungen.

b) Das FG hat daher zu Recht ausgeführt, dass es im Rahmen einer sachgerechten Ermessensausübung gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 4 BpO 2000 zulässig ist, die Einordnung eines Betriebs in die verschiedenen Größenklassen von der Einkunftsart abhängig zu machen. Danach ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb bereits bei einem erheblich niedrigeren Gewinn als ein Gewerbebetrieb als Großbetrieb zu behandeln, weil eine den Handels- oder Fertigungsbetrieben entsprechende Gewinngrenze praktisch zur Folge hätte, dass es kaum land- und forstwirtschaftliche Großbetriebe gäbe. Andererseits gibt es für land- und forstwirtschaftliche Betriebe eine Wirtschaftswertgrenze, nicht aber eine Abhängigkeit von Umsätzen. Nicht anders verfährt die Finanzbehörde bei der Bestimmung der Größenklassen innerhalb der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die --bislang unangefochten-- je nach Gegenstand des Unternehmens von Umsatzerlösen, unterschiedlichen Gewinngrößen, dem Umfang des Aktivvermögens oder der Höhe der Jahresprämieneinnahmen abhängen.

Diese unterschiedlichen Maßstäbe zur Einordnung von Betrieben in eine der drei prüfungsrelevanten Größenklassen sind daher Ausdruck einer sachgerechten Differenzierung nach betrieblichen Besonderheiten, denen gewerbliche Unternehmen verschiedener Branchen ebenso unterliegen, wie land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Betriebliche Eigenheiten und einkunftsabhängige Besonderheiten aber sind hinreichende, einen Gleichheitsverstoß ausschließende Differenzierungsgründe, das Weingut des Klägers im Streitfall anders als einen Handels- oder Fertigungsbetrieb bereits bei einem 160 000 DM übersteigenden Gewinn als prüfungswürdigen Großbetrieb zu behandeln.



Ende der Entscheidung

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