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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: IV R 91/05
Rechtsgebiete: EStG, GewStG, AO


Vorschriften:

EStG § 21 Abs. 1 Satz 1
EStG § 15 Abs. 2
GewStG § 2 Abs. 1 Satz 2
AO § 119 Abs. 1
AO § 124 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (1986) mit 95 % an einer GbR beteiligt, die insgesamt 14 in ihrem Eigentum stehende Gaststätten und in einigen Fällen zusätzlich Wohnungen verpachtet hatte. Weiterer Gesellschafter der GbR mit einem Anteil von 5 % war ein Sohn des Klägers. Dieser schied zum 31. Dezember 1988 aus der GbR aus. Das Gesellschaftsvermögen ging damit auf den Kläger über.

Während die GbR Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärte, gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) nach einer in den Jahren 1992 und 1993 durchgeführten Betriebsprüfung zu der Auffassung, dass die GbR im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe; nur der auf die Wohnungen entfallende Teil der Pachteinnahmen führe zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Auf dieser Grundlage erließ das FA am 18. Oktober 1994 einen erstmaligen Gewerbesteuermessbescheid gegenüber der GbR. Der Bescheid ist an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ... "Ges. Bürgerlichen Rechts O und V ..." ohne Hinweis auf die eingetretene Rechtsnachfolge gerichtet. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch die Einspruchsentscheidung ist an die GbR O und V, vertreten durch die näher bezeichneten Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater, gerichtet.

Mit der dagegen erhobenen Klage wandte sich der Kläger ausschließlich gegen die Beurteilung der Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb.

Die Klage blieb im Wesentlichen ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) befasste sich (ebenfalls) nur mit der Frage, ob die GbR gewerbliche Einkünfte erzielt habe, und bejahte dies. Das Urteil ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2006, 1183 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Er beantragt,

1. den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid 1986 vom 18. Oktober 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2002 aufzuheben,

2. hilfsweise, den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid vom 18. Oktober 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2002 dergestalt zu ändern, dass ausschließlich die in der Steuererklärung als "Hausbesitzereinnahmen", "Hektolitervergütungen", "Minderabnahme-Vergütungen", "alkoholfreie Vergütungen" und "Zigaretten-Vergütung" bezeichneten Einnahmen abzüglich der damit zusammenhängenden Aufwendungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt werden und die Einkünfte im Übrigen als solche aus Vermietung und Verpachtung beurteilt werden,

3. hilfsweise, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt aus anderen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid und die Einspruchsentscheidung sind unwirksam, weil sie an die nicht mehr existierende GbR gerichtet wurden.

1. Ein Verwaltungsakt muss gemäß § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) hinreichend bestimmt sein. Er ist nichtig und damit nach § 124 Abs. 3 AO unwirksam, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO).

a) Ein Verwaltungsakt leidet an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts ist daher die Angabe des Inhaltsadressaten, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (Senatsurteil vom 13. Oktober 2005 IV R 55/04, BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404, unter I.1. der Entscheidungsgründe, m.w.N.). Bei einem Gewerbesteuermessbescheid ist Inhaltsadressat der Steuerschuldner.

b) Geht das Vermögen einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim Ausscheiden eines der beiden Gesellschafter auf den verbleibenden Gesellschafter über, endet die Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft, weil diese damit ohne Liquidation vollbeendet wird (Senatsurteil in BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404, unter I.2. der Entscheidungsgründe; Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 9. Dezember 1987 II R 47/84, BFH/NV 1989, 350, unter 1. der Entscheidungsgründe). Der verbleibende Gesellschafter wird durch Anwachsung (§ 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft (Buciek in Beermann/Gosch, AO § 45 Rz 15 "Personengesellschaft"; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, -HHSp-, § 45 AO Rz 12; Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 45 Rz 4; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 45 AO Rz 5, jeweils m.w.N.). Damit wird er Steuerschuldner (Senatsurteil in BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404, unter I.2. der Entscheidungsgründe).

c) Gewerbesteuermessbescheide für die Zeit vor dem Formwechsel sind an den das Unternehmen fortführenden Gesellschafter als Rechtsnachfolger der Gesellschaft zu adressieren (Senatsurteile in BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404, unter I.2. der Entscheidungsgründe; vom 28. November 1991 IV R 96/90, BFH/NV 1992, 506, unter 3. der Entscheidungsgründe, m.w.N., für einen Erbfall; Anwendungserlass zur Abgabenordnung, § 122 Nr. 2.12.2, zweites Beispiel; vgl. auch Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 45 AO Rz 18; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 45 Rz 5). Ein an den erloschenen und damit nicht mehr existenten Rechtsvorgänger gerichteter Bescheid ist unwirksam (Senatsurteil in BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404, unter I.3. der Entscheidungsgründe; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 45 Rz 36 "Verfahrensrecht"; Boeker in HHSp, § 45 AO Rz 42). Eine Umdeutung in einen Bescheid gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger kommt auch dann nicht in Betracht, wenn er diesem zugegangen ist und der Gesamtrechtsnachfolger den Inhalt als für sich bestimmt zur Kenntnis genommen hat (BFH-Urteil vom 22. April 1986 VII R 123/80, BFH/NV 1986, 587; Boeker in HHSp, § 45 AO Rz 42).

2. Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid vom 18. Oktober 1994 und die Einspruchsentscheidung vom 10. April 2002 sind an die GbR als Inhaltsadressat (Steuerschuldner) gerichtet. Die GbR war jedoch bereits zum 31. Dezember 1988 vollbeendet, weil es sich um eine zweigliedrige Personengesellschaft handelte und der weitere Gesellschafter -der Sohn des Klägers- zu diesem Zeitpunkt ausgeschieden war, wie sich den Feststellungen des FG entnehmen lässt. Der Kläger war damit Gesamtrechtsnachfolger der GbR geworden, bevor die Betriebsprüfung durchgeführt und daran anschließend der angefochtene -erstmalige- Gewerbesteuermessbescheid sowie die Einspruchsentscheidung erlassen wurden.

3. Im Streitfall lässt sich der richtige Inhaltsadressat weder dem angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid noch der Einspruchsentscheidung im Wege der Auslegung entnehmen.

a) Ist die Bezeichnung des Inhaltsadressaten nicht eindeutig falsch, sondern mehrdeutig, ist zunächst zu versuchen, durch Auslegung zu klären, wer Inhaltsadressat des Steuerverwaltungsaktes ist (Senatsurteil in BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404, unter I.4. der Entscheidungsgründe). Der Inhaltsadressat muss nicht zwingend für einen Dritten aus dem Bescheid selbst oder aus beigefügten Unterlagen erkennbar sein; entscheidend ist, ob der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II 2006, 287, unter II.1.b der Entscheidungsgründe).

b) Im Streitfall ist die Bezeichnung des Inhaltsadressaten eindeutig falsch. Die nicht mehr existente GbR ist darin ohne jeden Hinweis auf die eingetretene Vollbeendigung als Steuerschuldner bezeichnet. Anhaltspunkte, dass damit der Gesamtrechtsnachfolger gemeint sein könnte, liegen nicht vor. Anders als im Urteilsfall in BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404 bei einer vollbeendeten KG verfügte die GbR auch nicht über eine Firma, unter der der Kläger hätte auftreten können oder aufgetreten wäre. Auslegungsspielraum besteht bei dieser Sachlage nicht. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger möglicherweise den angefochtenen Bescheid (und die Einspruchsentscheidung) als gegen sich gerichtet angesehen hat.

Ende der Entscheidung

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