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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.04.2004
Aktenzeichen: IV S 20/03
Rechtsgebiete: FördG, FGO, EStG


Vorschriften:

FördG § 4
FördG § 4 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 2
EStG § 4 Abs. 3
EStG § 4 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) ist eine GbR. Sie verwaltet ein Grundstück in U, das sie seit ihrer Gründung im Jahre 1991 an eine GmbH (Bauunternehmung) verpachtet hat, an der ausnahmslos ihre Gesellschafter beteiligt sind. Das Grundstück stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH dar. Die infolgedessen bestehende Betriebsaufspaltung wurde zunächst steuerlich nicht berücksichtigt. Die Klägerin behandelte ihre Einkünfte der Jahre 1991 und 1992 und zunächst auch die des Jahres 1993 als solche aus Vermietung und Verpachtung und gab entsprechende Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte ab. Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) erließ entsprechende Feststellungsbescheide, die bestandskräftig wurden.

Im Jahre 1993 erwarb die Klägerin von einem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Auftraggeber der GmbH ein Grundstück in K, auf dem die GmbH einen Rohbau errichtet hatte. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf 86 422 DM. Für dieses Grundstück machte die Klägerin Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 43 211 DM geltend.

Mit Schreiben vom 29. November 1995 teilte die Klägerin dem FA mit, dass die Feststellungserklärung für 1993 geändert werden müsse. Es liege eine Betriebsaufspaltung vor, so dass ihre Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln seien. Zugleich wies die Klägerin darauf hin, dass sie das vorstehend erwähnte Grundstück in K erworben habe und es nach Fertigstellung des Rohbaus noch im Jahr 1995 verkaufen werde. In der beigefügten Einnahmen-Überschussrechnung wies sie unter den Betriebsausgaben einen Posten "Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe" mit 86 422 DM aus. Das FA lehnte die Änderung des Feststellungsbescheides für 1993 unter Hinweis auf dessen Bestandskraft ab.

Für das Streitjahr (1994) reichte die Klägerin im Dezember 1995 zunächst eine Feststellungserklärung ein, die einen Gewinn in Höhe von 42 697 DM auswies. Im Januar des Folgejahres berichtigte sie diese Erklärung in der Weise, dass sie anstelle der bisher angesetzten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe in Höhe von 352 DM unter diesem Posten einen um 86 422 DM höheren Betrag auswies. Das FA folgte bei der Veranlagung der berichtigten Feststellungserklärung und stellte einen Verlust in Höhe von 43 725 DM fest.

Im Jahre 1998 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte fest, dass die in der Gewinnermittlung ausgewiesenen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe die Aufwendungen zum Kauf des Grundstücks in K betrafen. Das zum Verkauf bestimmte Grundstück habe zum Umlaufvermögen gehört. Weil die Mittel bereits im Jahre 1993 abgeflossen seien, sei der Betriebsausgabenabzug im Streitjahr zu versagen. Auf Grund dieser Feststellungen stellte das FA für das Streitjahr einen Gewinn in Höhe von 8 400 DM fest.

Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Sie machte geltend, dass in den Fällen, in denen die vorangegangenen Bescheide wegen eingetretener Bestandskraft nicht mehr geändert werden könnten, die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen seien, die sich bei zutreffender Behandlung ergeben hätten. Daraus folge für den Streitfall, dass die Aufwendungen für das Grundstück in K im Jahre 1994 als erstem offenen Zeitraum gewinnmindernd zu berücksichtigen seien. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich oder im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt werde.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Die Revision gegen sein Urteil ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu. Hiergegen legte die Klägerin Beschwerde ein, der der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag (Az. IV B 27/03) stattgegeben hat.

Außerdem hat die Klägerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, demzufolge für das Streitjahr bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache von einem um 43 211 DM geminderten Gewinn ausgegangen werden soll.

Das FA ist dem Antrag entgegengetreten.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. Abs. 3 der Vorschrift an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides vom 4. März 1999.

Der Rechtsstreit hängt von der Entscheidung der Frage ab, wie im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu verfahren ist, wenn die Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens im Jahr der Anschaffung in Verkennung der Rechtslage nicht als Betriebsausgaben abgezogen wurden oder wenn ein Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Erwerbs zunächst dem Anlagevermögen zugerechnet wurde, sich diese Zweckbestimmung jedoch später ändert. Dass in einem solchen Fall die Anschaffungskosten steuerlich nicht deswegen "verloren gehen", weil sie im --mittlerweile bestandskräftig veranlagten-- Jahr der Anschaffung als Betriebsausgaben hätten abgezogen werden müssen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Es kommt demnach im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes darauf an, ob die Anschaffungskosten (soweit nicht um Absetzung für Abnutzung gemindert) erst im Jahr der Veräußerung mit dem Verkaufserlös zu verrechnen sind oder ob sie bereits in einem Jahr davor als Betriebsausgaben abzuziehen sind, weil die Unrichtigkeit der bisherigen Behandlung zutage tritt oder weil sich die Zweckbestimmung ändert.

Die Klage der Klägerin könnte nur dann Erfolg haben, wenn ein Abzug als Betriebsausgaben bereits in einem Jahr vor der Veräußerung in Betracht käme. Gegen eine solche Möglichkeit spricht, dass in dem Jahr, in dem die Unrichtigkeit der bisherigen Behandlung erkannt wird oder in dem der Entschluss zur Verwendung des ursprünglich als Anlagevermögen erworbenen Wirtschaftsguts geändert wird, keinerlei Abfluss stattfindet und auch keine Sacheinlage geleistet wird. Auch der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich spricht eher dafür, den Betriebsausgabenabzug im Jahr der Änderung der Zweckbestimmung nicht zuzulassen und die Anschaffungskosten erst im Wege der Saldierung mit dem Veräußerungserlös steuerlich zu berücksichtigen.

Für die Möglichkeit des Abzugs der Anschaffungskosten eines erst zur dauernden Nutzung und dann später zur Veräußerung bestimmten Wirtschaftsguts in einem Jahr vor der Veräußerung spricht jedoch der Gedanke, der der Rechtsprechung zur Bildung von Korrekturposten beim Wechsel der Gewinnermittlungsart (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Mai 1974 I R 255/71, BFHE 112, 381, BStBl II 1974, 518, m.w.N.; Anlage zu R 17 der Einkommensteuer-Richtlinien) zugrunde liegt. Danach ist der Gewinn des ersten Jahres nach dem Übergang vom Bestandsvergleich zur Einnahmen-Überschussrechnung um den Warenbestand des Vorjahres zu kürzen. Daraus ließe sich die Regel herleiten, dass bei der Einnahmen-Überschussrechnung die ursprüngliche Aktivierung von Umlaufvermögen nicht bis zu dessen Veräußerung beibehalten werden soll. Ähnliches könnte gelten, wenn Umlaufvermögen nicht wegen der bisherigen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG, sondern wegen seiner ursprünglichen Einordnung als Anlagevermögen oder deshalb, weil --wie vorliegend-- Sonderabschreibungen nach § 4 FördG in Anspruch genommen werden sollten, "aktiviert" wurde.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids bestehen nicht nur dann, wenn die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Gründe überwiegen (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 69 Rz. 86, m.w.N.).

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