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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.01.2002
Aktenzeichen: IX B 115/01
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 79b
FGO § 155
ZPO § 295
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

1. Der Kläger macht zunächst geltend, das Finanzgericht (FG) habe gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme dadurch verstoßen, dass es den Aktenvermerk über das Ergebnis der Sachverhaltsaufklärung aus Anlass einer Ortsbesichtigung verwertete, ohne aber den Sachbearbeiter als Zeugen zu vernehmen. Der Senat kann unerörtert lassen, ob hierin ein Verfahrensmangel des Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gesehen werden könnte. Hat der Kläger --wie hier-- keinen Beweisantrag gestellt, kann ein Verfahrensfehler nur vorliegen, wenn sich dem FG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl. dazu List ist Hübschmann/Hepp/Spittaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 76 FGO Rz. 15, m.w.N.). Ob dies der Fall war, kann aber dahinstehen; denn der Kläger kann den Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend machen.

Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört auch die Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. August 2001 IX B 20/01, BFH/NV 2002, 53, und vom 25. November 1992 II B 169/91, BFH/NV 1993, 258). Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht schon durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Der Verfahrensmangel muss in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt werden, in der der Rügeberechtigte erschienen ist; verhandelt er zur Sache, ohne den Verfahrensmangel zu rügen, obwohl er den Mangel kannte oder kennen musste, verliert er das Rügerecht (§ 295 Abs. 1 ZPO). Die "nächste" mündliche Verhandlung kann auch die sich unmittelbar an den Verfahrensfehler anschließende Verhandlung sein (BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372).

Nach diesen Maßstäben hat der rechtskundig vertretene Kläger sein Rügerecht verloren. Er hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem FG --ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 26. April 2001-- rügelos zur Sache eingelassen, nachdem das Gericht ausdrücklich auf den Vermerk des Sachbearbeiters verwiesen hat. Der Kläger war auch nicht daran gehindert, den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung zu rügen. Entgegen seiner Darlegung in der Beschwerdeschrift musste er davon ausgehen, dass das Gericht diesen Vermerk für die Beurteilung seiner Vermietungsabsicht in Bezug auf die Dachgeschosswohnung heranzieht. Denn ausweislich der Verhandlungsniederschrift verwies das Gericht im Zusammenhang mit den Verhältnissen der Dachgeschosswohnung auf den Vermerk des Sachbearbeiters. Der Kläger selbst hat im Anschluss daran geltend gemacht, der Vermerk sei unzutreffend und es sei von vornherein beabsichtigt gewesen, die Wohnung fremd zu nutzen. Dementsprechend war dem Kläger die Bedeutung der in dem Vermerk enthaltenen Aussagen für die Feststellung seiner Vermietungsabsicht in Bezug auf die Dachgeschosswohnung bekannt. Sie ergab sich für ihn nicht erst aus dem Urteil.

2. Unbegründet ist auch die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, indem es den Schriftsatz vom 28. März 2001 nicht berücksichtigt habe. Das FG hat ausweislich des Urteilstatbestands den Prozessstoff zur Kenntnis genommen und den entsprechenden Sachvortrag des Klägers in Erwägung gezogen. Es hat daraus allerdings andere Schlüsse gezogen und ist bei seiner Würdigung zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger habe im Streitjahr in Bezug auf die Dachgeschosswohnung ohne Vermietungsabsicht gehandelt. Für diese Würdigung kam es nach der hier maßgebenden Rechtsauffassung des FG nicht darauf an, ob der Kläger oder seine Angehörigen die Wohnung im Streitjahr (1990) selbst genutzt hatten oder nicht.

3. Soweit der Kläger schließlich in Bezug auf die im Streitjahr von seiner Großmutter genutzte Wohnung die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, kann er auch diese Rüge wegen Verlustes des Rügerechts nicht mehr vorbringen.

Zwar kann der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) auch dann verletzt sein, wenn das Gericht auf einen Vorbehalt sofort entscheidet, ohne eine angemessene Frist abzuwarten, innerhalb der ein Beteiligter eine eventuell beabsichtigte Stellungnahme unter normalen Umständen abgeben kann (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 2001 XI R 60/00, BFHE 195, 9, BStBl II 2001, 726, m.w.N.). Der Senat kann im Streitfall dahinstehen lassen, ob das FG in solcher Weise verfahrensfehlerhaft gehandelt hat. Dagegen spricht schon, dass der Berichterstatter bereits in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung im Rahmen einer Anordnung nach § 79b FGO auf die Problematik der Mietzahlungen durch die Großmutter hingewiesen hat, dem Kläger somit bekannt war, dass es darauf auch in der mündlichen Verhandlung ankommen werde.

Jedenfalls kann sich der Kläger gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO nach den oben zu 1. dargelegten Grundsätzen nicht mehr auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs berufen, weil er es versäumt hat, einen derartigen Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung zu rügen. Auch die Verletzung des Rechts auf Gehör bildet einen verzichtbaren Verfahrensmangel (BFH-Beschluss vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34, m.w.N.).

Ausweislich der Sitzungsniederschrift hatte das Gericht den Umfang der von der Großmutter erhaltenen Zahlungen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Es hat den Kläger ausdrücklich auf den Widerspruch zwischen seinen Erklärungen und dem Inhalt der Wohngeldakte hingewiesen. Der Kläger hat aber weiterhin zur Sache verhandelt, ohne z.B. durch einen Vertagungsantrag deutlich zu machen, dass er --wie er in der Beschwerdeschrift darlegt-- eine ergänzende Stellungnahme für angezeigt hielt. Er hat damit sein Rügerecht verloren.



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