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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: IX B 117/01
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Betriebsaufspaltung kraft tatsächlicher Beherrschung gegeben ist.

Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) waren in den Streitjahren (1982 bis 1984) in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Eigentümer eines Grundstücks, das sie an eine GmbH zum Betreiben eines Seniorenheims vermietet hatten. Gesellschafter der 1982 gegründeten GmbH waren zunächst der 19 Jahre alte Sohn des Klägers zu 1. und die 18 Jahre alte Tochter des Klägers zu 2. mit einer Stammeinlage von je 25 000 DM. Geschäftsführer war der Kläger zu 2. Im Februar 1984 wurden --unter entsprechender Erhöhung des Stammkapitals-- zwei weitere Gesellschafterinnen mit Stammeinlagen von je 25 000 DM aufgenommen. Die Kläger setzten sich als Gesellschafter der GbR in der Weise auseinander, dass das Eigentum an dem Grundstück jeweils zur ideellen Hälfte auf sie überging. Im Dezember 1984 verkaufte der Kläger zu 1. seinen hälftigen Miteigentumsanteil an den Kläger zu 2.

Nachdem der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Außenprüfung zunächst der Rechtsauffassung der Kläger gefolgt war und für die GbR Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt hatte, wurde ihm später bekannt, dass die Gesellschafter der GmbH im Jahr der Gründung jeweils gegenüber ihren Vätern (den Klägern) unwiderrufliche notarielle Angebote abgegeben hatten, die GmbH-Anteile zum Nennwert auf die Kläger zu übertragen. Daraufhin ging das FA von einer Betriebsaufspaltung aus, qualifizierte in einem geänderten Feststellungsbescheid die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in solche aus Gewerbebetrieb um und erfasste einen Veräußerungsgewinn des Klägers zu 1.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2001, 1035).

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt das FA, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.

Die Kläger beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Das FA hat die aus seiner Sicht grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen, ob bei Vorliegen von unwiderruflichen Rückkaufangeboten der Gesellschafter der Betriebs-GmbH an die Gesellschafter der Besitzgesellschaft für die Annahme einer faktischen Beherrschung zwingend auch eine Geschäftsführertätigkeit aller Gesellschafter der Besitzgesellschaft in der Betriebs-GmbH erforderlich ist. Diese Rechtsfrage ist im Streitfall jedoch weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Das Finanzgericht (FG) hat seine Entscheidung nämlich nicht auf einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz gestützt.

Das FG ist von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ausgegangen, nach der für die personelle Verflechtung grundsätzlich die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse maßgebend sind und eine personelle Verflechtung kraft tatsächlicher Beherrschung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, insbesondere wenn die Gesellschafter des Betriebsunternehmens von ihren Gesellschafterrechten keinen Gebrauch machen und keinen eigenen geschäftlichen Willen entfalten können (vgl. BFH-Urteile vom 15. Oktober 1998 IV R 20/98, BFHE 187, 260, BStBl II 1999, 445; vom 15. März 2000 VIII R 82/98, BFHE 191, 390). Wirtschaftlicher Druck aufgrund schuldrechtlicher Beziehungen reicht hierfür regelmäßig nicht aus (BFH-Urteil in BFHE 191, 390). Eine tatsächliche Beherrschung sowohl der Besitz- als auch der Betriebsgesellschaft durch eine Person oder Personengruppe kann auch nicht allein deshalb angenommen werden, weil de facto jahrelang alle Entscheidungen im Sinne dieser Person oder Personengruppe getroffen worden sind (Wendt, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 819, 820).

Auf der Grundlage dieser in der BFH-Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze ist das FG anhand einer Sachverhaltswürdigung im Einzelfall zu dem Ergebnis gelangt, dass keine personelle Verflechtung gegeben ist, weil die Kläger die GmbH --trotz der Rückkaufangebote ihrer Kinder-- nicht faktisch beherrscht haben. Das FG hat keine tatsächlichen Umstände festgestellt, die die Anteilseigner der GmbH faktisch gezwungen hätten, sich in ihrem Stimmverhalten dem Willen der Kläger unterzuordnen; vor Annahme der Übertragungsangebote seien die GmbH-Gesellschafter weder rechtlich noch wirtschaftlich gehindert gewesen, ihre Stimmrechte entsprechend ihren Interessen auszuüben. Damit beruht das angefochtene Urteil nicht auf einem der Auffassung des FA entgegengesetzten abstrakten Rechtssatz, sondern auf einer tatsächlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalles, die sich einer rechtlichen Verallgemeinerung entzieht und überdies, da sie möglich ist, den BFH als Revisionsgericht bindet (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

2. Soweit das FA die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich hält (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Das FA hält die Tatsachenwürdigung des FG für objektiv willkürlich; das FG habe eine Vielzahl von Beweismitteln nicht gewürdigt und in der Frage des Abstimmungsverhaltens zwischen den Gesellschaftern der Besitz- und Betriebsgesellschaft klar formulierte Beweismittel falsch ausgelegt.

Im Streitfall kann offen bleiben, ob der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO bei offensichtlichen Fehlentscheidungen gegeben ist (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 22) oder nur dann, wenn die angefochtene Entscheidung gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) verstößt (Gräber/Ruban, a.a.O., Rz. 68 f.). Jedenfalls ist im Streitfall gegen die Vorentscheidung keine dieser gewichtigen Beanstandungen zu erheben. Das FG ist entsprechend dem Vortrag des FA durchaus davon ausgegangen, "dass sich die Anteilseigner der GmbH bei der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen mit den Klägern abgestimmt haben" (S. 11 der Vorentscheidung), hat dies aber auf der Grundlage der oben wiedergegebenen BFH-Rechtsprechung nicht für ausreichend erachtet, um eine tatsächliche Beherrschung der GmbH durch die Kläger anzunehmen.



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