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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.05.1999
Aktenzeichen: IX B 158/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 62 Abs. 3 Satz 3
FGO § 62 Abs. 3 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 64 Abs. 1
FGO § 62 Abs. 3 Satz 1
FGO § 71 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 3
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 78 Abs. 1 Satz 1
FGO § 155
FGO § 74
ZPO § 251
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als unzulässig verworfen, weil der als Prozeßbevollmächtigte aufgetretene Steuerbevollmächtigte X den Nachweis der Bevollmächtigung nicht durch Vorlage der Urschrift einer handschriftlich unterzeichneten Vollmacht erbracht hat.

Das FG hatte dem Steuerbevollmächtigten gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Vollmacht bis zum 31. März 1998 gesetzt. Der Steuerbevollmächtigte wies innerhalb der gesetzten Frist darauf hin, daß sich eine Originalvollmacht in der Akte des Bundesfinanzhofs (BFH) IX B 164/90 befinde. Mit Telefax vom 5. Juni 1998 teilte er ferner mit, daß nunmehr eine Originalvollmacht als Dauervollmacht zu den Generalakten des FG gereicht worden sei.

Wegen der Nichtzulassung der Revision hat die Steuerberaterin A Beschwerde eingelegt. Sie hat dazu eine Untervollmacht des Steuerbevollmächtigten X vorgelegt und verweist im übrigen auf die in der BFH-Akte Az. ... befindlichen Originale der dem Steuerbevollmächtigten X erteilten Vollmachten von 1984 und 1990.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Steuerberaterin A hat allerdings ihre Bevollmächtigung durch die Klägerin gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO nachgewiesen. Die BFH-Akte Az. ..., in der sich die Originale der Vollmachten befinden, sind für den Senat ohne weiteres greifbar. Die Vollmachten sind bis auf Widerruf erteilt; ein Widerruf ist nicht bekannt. Für die andauernde Gültigkeit der Vollmachten spricht, daß es sich nach dem Inhalt der Vollmacht von 1990 und der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde in dem damaligen Verfahren wie im vorliegenden um den gleichen Streitkomplex handelt.

2. Die Rechtssache hat jedoch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Dazu trägt die Klägerin vor, das FG habe zwar in einem anderen Verfahren eine Klageerhebung durch Telefax als gemäß § 64 Abs. 1 FGO schriftlich erhoben zugelassen, andererseits aber die Vorlage der Vollmacht durch Telefax nicht als Nachweis einer schriftlichen Vollmacht gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO anerkannt. Das Merkmal "schriftlich" erlaube unter Berücksichtigung des Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes keine unterschiedliche Entscheidung.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und des BFH geklärt ist; die Klägerin hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machten (dazu BFH-Beschluß vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196).

§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO hat durch das FGO-Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) seine heutige Fassung erhalten (vorher: "Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen."). Daraufhin hat der BFH im Anschluß an das BGH-Urteil vom 23. Juni 1994 I ZR 106/92 (BGHZ 126, 266) in mehreren Urteilen (vom 28. November 1995 VII R 63/95, BFHE 179, 5, BStBl II 1996, 105; vom 14. März 1996 IV R 44/95, BFHE 179, 569, BStBl II 1996, 319; ferner vom 2. August 1994 IX R 102/91, BFH/NV 1995, 534) die Auffassung vertreten, daß der Nachweis der Bevollmächtigung nur durch die Vorlage des Originals der Vollmachtsurkunde erbracht werden kann; eine Fotokopie oder Telekopie der Vollmacht genügt danach nicht den Anforderungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO. Die Frage, ob die Originalvollmacht selbst eine Telekopie sein kann (bejahend BFH-Urteil vom 15. Juni 1994 II R 49/91, BFHE 174, 394, BStBl II 1994, 763), stellt sich im Streitfall nicht.

Davon zu trennen ist die Frage, ob der Nachweis der Bevollmächtigung gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO durch Bezugnahme auf andere Akten erbracht werden kann. Auch diese Frage, die die Klägerin im Rahmen ihrer Beschwerde nicht ausdrücklich aufgeworfen hat, ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt. Im Beschluß vom 30. Juli 1991 VIII B 88/89 (BFHE 165, 22, BStBl II 1991, 848; ferner Urteil vom 23. Juli 1997 X R 125/96, BFH/NV 1998, 58) geht der BFH davon aus, daß der Nachweis der Bevollmächtigung grundsätzlich dem zuständigen Spruchkörper gegenüber zu erbringen sei. Ihm müsse die Originalvollmacht vorgelegt werden, und zwar grundsätzlich für jedes Verfahren gesondert. Die Bezugnahme auf die in einem anderen Verfahren eingereichte Vollmacht genüge ausnahmsweise dann, wenn sie ohne weiteres greifbar sei; entscheidend sei die Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf das Schriftstück. Der BFH hat dies für eine Vollmacht bejaht, die im AdV-Verfahren demselben Senat vorgelegt worden war (ebenso BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1994 III B 24/94, BFH/NV 1995, 889, zu einer Vollmachtsurkunde, die in einem anderen Verfahren vor demselben Senat diesem vorgelegt wurde; BFH-Urteil vom 17. April 1998 VI R 107/97, BFH/NV 1998, 1364, zum Verweis auf eine Vollmachtsurkunde in einem Verfahren vor einem anderen Senat desselben Gerichts). Im Urteil vom 13. November 1991 I R 58/89 (BFHE 166, 518, BStBl II 1992, 496) hat der BFH es in der Regel als unzureichend angesehen, wenn auf eine der Finanzbehörde vorliegende Vollmachtsurkunde verwiesen wird, es sei denn, sie befinde sich in den dem Gericht gemäß § 71 Abs. 2 FGO zu übersendenden Steuerakten. Das Gericht sei nicht gehalten, eine in den Steuerakten befindliche Vollmacht selbst ausfindig zu machen (BFH-Beschluß vom 17. Juni 1993 VI S 3/93, BFH/NV 1993, 618; ferner BFH-Beschluß vom 9. Februar 1988 VII B 159/87, BFH/NV 1988, 648). Zum Nachweis der Bevollmächtigung vor dem BFH genügt der Hinweis auf eine in einem anderen Verfahren vor dem FG vorgelegte Vollmacht nicht (BFH-Beschluß vom 12. Dezember 1988 V B 95/88, BFH/NV 1989, 797; vgl. auch BGH-Urteil vom 27. Mai 1986 IX ZR 152/85, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1986, 1252, Verweis auf die Vollmachtsurkunde in den Akten des erstinstanzlichen Gerichts oder des Beklagten nicht ausreichend). Es erscheint dem Senat danach nicht zweifelhaft, daß umgekehrt der Hinweis in einem finanzgerichtlichen Verfahren auf eine Vollmacht in einem abgeschlossenen Verfahren vor dem BFH nicht als Nachweis der Bevollmächtigung gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO genügt.

3. Die Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) ist nicht gemäß § 115 Abs. 3 FGO dargetan.

4. Einen Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht gemäß § 115 Abs. 3 FGO bezeichnet. Aus dem Umstand, daß das FG in anderen Verfahren der Klägerin Sachentscheidungen getroffen hat, obwohl --so ist ihr Vortrag wohl zu verstehen-- auch in diesen Verfahren keine Originalvollmacht vorgelegt worden ist, ergibt sich noch nicht, daß sich das FG im vorliegenden Verfahren fehlerhaft verhalten hat. Das rechtmäßige oder auch fehlerhafte Verhalten in einem anderen Verfahren bindet das FG nicht in diesem Verfahren. Ob das FG in diesem Verfahren einen Verfahrensfehler begangen hat, richtet sich allein nach den Umständen dieses Verfahrens. Dazu hat die Klägerin aber nichts vorgetragen. Soweit das zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache Vorgetragene auch als Begründung eines Verfahrensmangels, hier möglicherweise der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO), zu berücksichtigen wäre, ist die Beschwerde unbegründet (s. zu 2.).

5. Der Antrag der Klägerin, ihr gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO Einsicht in die Akten des FG zu gewähren, ist abzulehnen. Für das vorliegende Verfahren ist die Bevollmächtigung gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO nachgewiesen. Da die Beschwerde unbegründet und die Frist zu ihrer Begründung abgelaufen ist (§ 115 Abs. 3 FGO) und es danach auf den Nachweis, ob die Vollmacht der Klägerin in anderen Verfahren des FG berücksichtigt wurde, nicht mehr ankommt, ist nicht ersichtlich, daß die Akteneinsicht dem Rechtsschutz der Klägerin dienen könnte (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Juli 1991 III S 2, 3/91, BFH/NV 1992, 191, zu 2.). Aus diesem Grunde war auch die unbestimmte Fristverlängerung zur "Ergänzung der Begründung" abzulehnen.

6. Für die Anordnung des Ruhens des Verfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozeßordnung fehlt es bereits an einem Antrag des Beschwerdegegners. Sollte die Klägerin entgegen dem Wortlaut ihres Antrags die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO gewollt haben, so war die Aussetzung bereits deshalb abzulehnen, weil nicht dargetan oder sonst erkennbar ist, inwiefern das bezeichnete Revisionsverfahren für das vorliegende Verfahren vorgreiflich sein könnte.

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

Ende der Entscheidung

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