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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.04.2009
Aktenzeichen: IX B 204/08
Rechtsgebiete: EStG, FGO
Vorschriften:
EStG § 6 Abs. 6 | |
EStG § 17 | |
FGO § 69 Abs. 2 S. 2 | |
FGO § 69 Abs. 3 S. 1 |
Gründe:
I.
Mit Einkommensteuerbescheid für 2003 (Streitjahr) erfasste der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) u.a. die anlässlich der Kapitalerhöhung bei der X-GmbH eingebrachten und mit dem Kurswert angesetzten Aktien Z-AG abzüglich ihrer Anschaffungskosten bei den Antragstellern als steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Über den dagegen eingelegten Einspruch ist --nach Aktenlage-- noch nicht entschieden.
Die zugleich mit dem Einspruch beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheides lehnte das FA ab. Ebenso lehnte das Finanzgericht (FG) den daraufhin bei ihm gestellten AdV-Antrag nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 5. November 2008 8 V 2419/08 E als unbegründet ab; die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) wurde zugelassen.
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller und Beschwerde-führer (Antragsteller) ihr Aussetzungsbegehren weiter und treten sowohl dem Grunde wie der Höhe nach der Steuerbarkeit der Einbringung als Veräußerungsvorgang entgegen. Zum einen bestünden mit Blick auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden (Az.: 2 BvR 753/05 und 2 BvR 1738/05) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Herabsenkung der Wesentlichkeitsgrenze von 10% auf 1% durch das Steuersenkungsgesetz (StSenkG 2001/ 2002) vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428). Zum anderen gelte der vom FG angewandte § 6 Abs. 6 EStG allein für Betriebsvermögen, nicht aber für im Privatvermögen gehaltene wesentliche Beteiligungen, so dass die Grundsätze des Tauschgutachtens für private Beteiligungen nicht verdrängt seien. Zum Dritten sei von einem unzutreffenden Bewertungsansatz ausgegangen worden; nicht die hingegebene Leistung (Aktien mit Kurswert) müsste bewertet werden, sondern die vom Veräußerer erlangte Gegenleistung, nämlich der weitere Geschäftsanteil an der X-GmbH, deren gemeiner Wert sei nach dem Stuttgarter Verfahren zu ermitteln. Schließlich seien zu Unrecht die Ausschüttungen aus dem EK 04 für das Jahr 2000 bei der Ermittlung der Anschaffungskosten im Streitjahr in Abzug gebracht worden.
Nachdem die Antragsteller die vom bisherigen Aussetzungsantrag umfassten Steuerschulden --nach Mahnung durch das FA-- getilgt haben, beantragen sie nunmehr,
unter Aufhebung des FG-Beschlusses vom 5. November 2008 die Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheides für 2003 vom 23. Mai 2008 --ohne, hilfsweise mit Sicherheitsleistung-- aufzuheben, soweit ein Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG aus der Einbringung von Aktien der Z-AG in die X-GmbH angesetzt wurde.
Das FA beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides vom 23. Mai 2008 wird dieser Bescheid gegen Sicherheitsleistung (in Höhe von ..., einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) insoweit ausgesetzt, als ein Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG in Höhe von 3 575 903 EUR angesetzt wurde.
1.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise ausgesetzt werden. Sie soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das ist nach ständiger BFH- Rechtsprechung der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 IX B 219/07, BFH/NV 2008, 467, und vom 22. Februar 2006 I B 145/05, BFHE 213, 29, BStBl II 2006, 546, m.w.N.).
2.
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage liegen im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides vor, die zur Aufhebung und Aussetzung seiner Vollziehung führen.
a)
Zwar stellt sich die verfassungsrechtliche Problematik der erneuten Herabsetzung der Beteiligungsgrenze bei § 17 EStG durch das Steuersenkungsgesetz (von 10% auf 1%) im Grundsatz ähnlich dar wie in den beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfassungsbeschwerden 2 BvR 753/05 (gegen BFH-Urteil vom 1. März 2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398) und 2 BvR 1738/05 (gegen BFH-Urteil vom 10. August 2005 VIII R 22/05, BFH/NV 2005, 2188), die sich zur Herabsetzung der Beteiligungsgrenze von 25% auf 10% verhalten. Daraus ergeben sich jedoch im Streitfall keine ernstlichen Zweifel: Denn einerseits hat der Gesetzgeber bei der Auswahl (und Ausweitung) der Besteuerungsgrundlage einen weiten Gestaltungsspielraum und ist in der Erschließung von Steuerquellen weitgehend frei (BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17). Andererseits können sich die Antragsteller nicht auf ein zu schützendes Vertrauen in den Fortbestand des Gesetzes oder eine fehlende Übergangsregelung berufen, weil der hier maßgebende Einbringungsvorgang durch Gesellschafterbeschluss vom Dezember 2002 mit Wirkung zum 1. Januar 2003 und damit deutlich nach Inkrafttreten des Steuersenkungsgesetzes mit der Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 1% (ab 2001) erfolgte.
Es ist zudem nicht Aufgabe des Gerichts, im Aussetzungsverfahren angesichts regelmäßig noch unsicherer Tatsachengrundlagen Rechtsfragen zu klären; auch braucht eine Vorlage an das BVerfG nicht zu erfolgen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 Rz 122; s.a. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1989 IV B 37/89, BFH/NV 1990, 570; vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454).
b)
Jedoch sind ernstliche Zweifel vorliegend insoweit gegeben, als das FA (und im Ergebnis bestätigend auch das FG) den Veräußerungspreis mit dem Wert der hingegebenen (börsennotierten) Aktien angesetzt hat.
aa)
Der Senat geht mit dem FG davon aus, dass § 6 Abs. 6 EStG im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG (als einer an den §§ 4, 5 EStG orientierten Gewinnermittlungsvorschrift eigener Art) anwendbar ist (vgl. z.B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 17 Rz 109, 138; Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 17 Rz 105; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 70; a.A. Hörger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 17 Rz 105, 248). Die Grundsätze des sog. Tauschgutachtens sind überholt (BTDrucks 14/23, S. 172; Gosch in Kirchhof, a.a.O.; Schmidt/Glanegger, EStG, 27. Aufl., § 6 Rz 545). Jedenfalls ist Veräußerungspreis i.S. des § 17 Abs. 2 EStG --wovon auch das FG ausgeht (Beschluss S. 12 oben)-- der Wert der Gegenleistung des Erwerbers (so BFH-Urteile vom 7. Juli 1992 VIII R 54/88, BFHE 169, 49, BStBl II 1993, 331; vom 28. Oktober 2008 IX R 96/07, BStBl II 2009, 45; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz 138; Schneider, a.a.O., § 17 Rz C 50, C 70; Korn/Strahl, § 17 EStG Rz 75). Daher ist Veräußerungspreis im vorliegenden Fall eines Tausches der gemeine Wert (§ 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes --BewG--) der erhaltenen (nicht börsennotierten) GmbH-Anteile auf den Zeitpunkt der Veräußerung (Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums) und nicht der Kurswert (§ 11 Abs. 1 BewG) der hingegebenen (börsennotierten) Aktien.
bb)
Danach hat das FA bereits im rechtlichen Ansatz unzutreffend den Wert der Gegenleistung (neue Stammeinlage in Höhe von 34 000 EUR) mit dem Kurswert der hingegebenen Aktien nach § 11 Abs. 1 BewG angesetzt; weitere Ermittlungen zum Wert der erhaltenen GmbH-Anteile auch unter Berücksichtigung der Kapitalerhöhung sind unterblieben.
Das FG ist zwar rechtlich zutreffend vom gemeinen Wert der erhaltenen GmbH-Anteile als Veräußerungspreis ausgegangen. Auch könnte die vom FG vorgenommene Schätzung des Werts der Gegenleistung in Höhe des Kurswerts der Leistung im summarischen Verfahren mangels anderer konkreter Anhaltspunkte hingenommen werden. Indes hat das FG seine Schätzung nicht hinreichend begründet: Die "nahe liegenden Gestaltungsüberlegungen" der Antragsteller sind nicht benannt; auf den wirtschaftlichen Hintergrund der erfolgten Kapitalerhöhung, der für die Bewertung der erhaltenen GmbH-Anteile nicht ohne Bedeutung sein könnte, wird nicht eingegangen. Daher bleiben ernstliche Zweifel hinsichtlich der vorgenommenen Schätzung, die die Aufhebung und Aussetzung rechtfertigen.
cc)
Die Aufhebung (mit Wirkung ab Bescheiderlass) und die Aussetzung (bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung) der Vollziehung erfolgen indes gegen Sicherheitsleistung (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO; s.a. BFH-Beschluss vom 17. Mai 2005 I B 108/04, BFH/NV 2005, 1778, 1781). Denn die Antragsteller haben ihrerseits --abgesehen vom steuerneutralen Ansatz nach dem Tauschgutachten-- weder zum Wert der erhaltenen GmbH-Anteile noch zum wirtschaftlichen Hintergrund der Kapitalerhöhung Ausführungen gemacht, die eine anderweitige Schätzung gerechtfertigt hätten.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Tatsache, dass dem (Haupt-)Begehren der Antragsteller, die Vollziehung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, nicht entsprochen worden ist, wirkt sich auf die Kostenentscheidung nicht zu ihren Lasten aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Mai 1988 V B 26/86, BFH/NV 1989, 403; vom 21. Juni 2005 X B 72/05, BFH/NV 2005, 1490).
Ende der Entscheidung
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