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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.03.2008
Aktenzeichen: IX B 36/07
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7
EStG § 10 Abs. 3 a.F.
EStG § 22
EStG § 22 Nr. 1
EStG § 23
FGO § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
FGO § 74
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative
FGO § 119 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob im Streitjahr 1996 geleistete Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu behandeln sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO); denn sie ist geklärt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dazu entschieden, dass solche Aufwendungen nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 EStG, sondern als Sonderausgaben im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG a.F. abziehbar sind (Urteile vom 21. Juli 2004 X R 72/01, BFH/NV 2005, 513; vom 8. November 2006 X R 45/02, BFHE 216, 47, BStBl II 2007, 574, und X R 11/05, BFH/NV 2007, 673). Diese Zuordnung zu den Sonderausgaben wird durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) nicht rückwirkend für das Streitjahr in Frage gestellt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2007 X B 217/06, n.v., m.w.N.). Zwar wurde beim Bundesverfassungsgericht gegen die BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 513, und in BFHE 216, 47, BStBl II 2007, 574, jeweils Verfassungsbeschwerde eingelegt (dortige Az.: 2 BvR 2299/04 und 2 BvR 325/07); jedoch ist die Steuerfestsetzung mit vor Abschluss des Klageverfahrens ergangenem, geändertem Einkommensteuer-Bescheid vom 22. November 2006 in diesem Streitpunkt für vorläufig erklärt (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 3. August 2007, BStBl I 2007, 535). Damit ist das Rechtsschutzbegehren der Kläger insoweit hinreichend gewahrt, so dass eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO nicht angebracht erscheint.

2. Die Rechtssache hat auch darüber hinaus keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO ist nicht erforderlich.

a) Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob auch eine allgemeine Überlegung für eine später tatsächlich vorgenommene unentgeltliche Übertragung der Immobilie an den Mieter ein wesentliches Indiz gegen das Vorliegen einer von Anfang an bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht sein kann, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Absicht der Einkünfteerzielung kann als innere Tatsache nur anhand äußerer Merkmale (objektive Umstände) beurteilt werden (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 2000 IX R 6/96, BFH/NV 2001, 24). Ob im Einzelfall Indizien für oder gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen und wie diese ggf. zu gewichten sind, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, die dem Finanzgericht (FG) obliegt. Dieses entscheidet gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (vgl. BFH-Beschluss vom 15. September 2006 IX B 209/05, BFH/NV 2007, 80, unter 3. c).

b) Die aufgeworfene Rechtsfrage nach dem zugrunde zu legenden Prognosezeitraum (30 Jahre) außerhalb der Vermietung von Ferienwohnungen (sog. reine Vermietungsfälle) ist geklärt. Denn im Anschluss an die Entscheidung zu Ferienwohnungen (vgl. BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) hat der BFH in ständiger Rechtsprechung den Prognosezeitraum generell auf 30 Jahre festgelegt (vgl. Urteil vom 10. Mai 2007 IX R 7/07, BStBl II 2007, 873; vom 4. November 2003 IX R 55/02, BFH/NV 2004, 484; so auch BMF-Schreiben vom 8. Oktober 2004, BStBl II 2004, 933, Tz 34). Dieser Zeitraum gilt im Übrigen auch bei der Verpachtung unbebauter Grundstücke (FG Düsseldorf vom 17. März 2005 11 K 2075/02 F, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 1161, bestätigt durch BFH-Urteil vom 28. November 2007 IX R 9/06, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2008, 641). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Einbeziehung von Wertsteigerungen des betreffenden Objekts in die Prognose (vgl. dazu Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 7. Aufl. 2007, § 21 Rz 26; Blümich/Stuhrmann, § 21 EStG Rz 10, m.w.N.) schon deshalb nicht, weil vorliegend keine nach § 23 EStG steuerpflichtigen Wertsteigerungen angefallen sind und nicht steuerbare Veräußerungsgewinne außer Ansatz bleiben.

c) Die Rechtsfrage, ob bei einem aufwendig gestalteten Wohnhaus als Indiz gegen das Bestehen der Einkünfteerzielungsabsicht uneingeschränkt auf die Rechtsprechung zur Kostenmiete zurückgegriffen werden kann, ist geklärt. Nach der BFH-Rechtsprechung ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit unter Berücksichtigung des Regelungszwecks des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich und typisierend --von Ausnahmen aufgrund besonderer Umstände abgesehen-- vom Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; gl.A. BMF in BStBl I 2004, 933). Eine solche Ausnahme hat der BFH bei einem aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohngebäude gesehen, dessen besonderen Wohnwert die Marktmiete nicht angemessen widerspiegelt (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2004 IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386; s.a. Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 3/05, BFH/NV 2006, 525). Ob eine solche Wohnung gegeben ist, richtet sich nach den zum Ansatz der Kostenmiete bei eigengenutztem Wohnraum entwickelten Kriterien (s. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92, BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98); danach ist ein solcher Ausnahmefall bei einer Wohnfläche von mehr als 250 qm gegeben (s.a. BFH-Urteile vom 25. November 1997 IX R 8/95, BFH/NV 1998, 832; vom 9. September 1997 IX R 52/94, BFHE 184, 346, BStBl II 1997, 818). Einer weitergehenden Differenzierung im Rahmen der vorgenommenen Typisierung bedarf es entgegen der Ansicht der Kläger nicht. Ein näheres Eingehen auf bestimmte Umstände des Einzelfalls ist vielmehr Sache des FG als Tatsacheninstanz, weshalb auch kein Klärungsbedarf besteht.

3. Auch ist eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) nicht erforderlich.

a) Die gerügte Divergenz zum BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01 (BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646) liegt nicht vor. Zwar ist danach im Fall einer verbilligten Vermietung das einheitliche Rechtsgeschäft in einen steuerbaren entgeltlichen und in einen nicht steuerbaren unentgeltlichen Teil aufzuspalten mit der Folge einer auch nur entsprechend anteiligen Berücksichtigung von Werbungskosten. Die Divergenzrüge greift aber nicht durch, weil das FG im Anschluss an seine zu einem negativen Ergebnis führende Prognose die Aufwendungen auch nur entsprechend anteilig, nämlich in Höhe von 44,57 % (Verhältnis der vereinbarten zur ortsüblichen Kaltmiete) als Werbungskosten berücksichtigt hat, ebenso mit negativem Prognose-Ergebnis.

b) Entgegen der Ansicht der Kläger ist nicht zu erkennen, dass die angegriffene Entscheidung einen schwerwiegenden Fehler aufweist. Ein solcher liegt nämlich nur dann vor, wenn das FG-Urteil aufgrund evidenter Rechtsanwendungsfehler als willkürlich oder greifbar gesetzwidrig angesehen werden müsste, mithin unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2005 X B 120/05, BFH/NV 2006, 779). Die Kläger setzen vielmehr ihre eigene Gewichtung und Beurteilung des Sachverhalts anstelle des FG und rügen im Kern dessen fehlerhafte Rechtsanwendung, also die materielle Unrichtigkeit des Urteils, ohne aber damit eine willkürliche oder greifbar gesetzwidrige Fall-Entscheidung aufzuzeigen.

4. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.

a) Nach dem Sinn des sich aus § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO ergebenden Begründungszwangs sollen die Prozessbeteiligten darüber Kenntnis erhalten, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Diesem Zweck genügt eine Begründung nur dann nicht und stellt deshalb einen Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO dar, wenn den betroffenen Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, weil die Begründung des Urteilsspruchs überhaupt oder im Hinblick auf einen --selbständigen-- prozessualen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlt, weil aus dem Urteil die wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren, nicht erkennbar sind, oder weil die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren sind (z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2005 IX B 98/05, BFH/NV 2006, 768; vom 14. April 2004 IX B 106/03, BFH/NV 2004, 1392, m.w.N.). Eine bloß zu kurze, lückenhafte oder fehlerhafte Urteilsbegründung kann jedoch keinen wesentlichen Verfahrensmangel begründen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. August 2007 III B 48/07, BFH/NV 2008, 76; vom 10. August 2007 V B 196/06, BFH/NV 2007, 2311). Die vorliegenden Entscheidungsgründe lassen hinreichend erkennen, auf Grund welcher Erwägungen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Februar 2005 V B 129/03, BFH/NV 2005, 1324).

b) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs obliegt es dem Gericht, die Beteiligten über den Verfahrensstoff zu informieren, ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (z.B. BFH-Beschluss vom 6. September 2007 III S 27/07, BFH/NV 2007, 2327, m.w.N.). Die Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert jedoch nicht, dass das Gericht die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen verpflichtet (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Juli 2007 IV B 69/06, BFH/NV 2007, 2297). Insbesondere wird das Recht auf Gehör nicht dadurch verletzt, dass das klägerische Vorbringen vom Gericht auch in einem anderen, aber für die Entscheidung auch relevanten Zusammenhang in seine Überlegungen einbezogen wird. Im Übrigen hat ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht zu ziehen und seinen Vortrag darauf einzurichten (BVerfG-Beschluss vom 13. Oktober 1994 2 BvR 126/94, Deutsches Verwaltungsblatt 1995, 34). Dazu hatten die rechtskundig vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit.

Ende der Entscheidung

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