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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: IX B 44/05
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 119 Nr. 3 | |
EStG § 23 |
Gründe:
Die Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht --FG-- (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO; denn das FG hat das rechtliche Gehör des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) verletzt, in dem es vor Eingang eines nachgelassenen Schriftsatzes entschieden hat.
1. a) Die Pflicht des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) erfordert es u.a., den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern und ihre für wesentlich gehaltenen Rechtsansichten vorzutragen. Das Gericht verletzt daher den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör, wenn es im schriftlichen Verfahren entscheidet, bevor eine vom ihm gesetzte Frist zur Stellungnahme verstrichen ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Februar 1999 IV R 48/98, BFHE 188, 273, BStBl II 1999, 531, unter 2. a; vom 19. März 2002 IX R 100/00, BFH/NV 2002, 945; BFH-Beschlüsse vom 4. April 2003 V B 242/02, BFH/NV 2003, 940; vom 28. Oktober 2004 V B 244/03, BFH/NV 2005, 376; vom 24. Januar 2005 VIII B 116/03, BFH/NV 2005, 1108), und zwar auch dann, wenn dem Gericht die Sache vorher bereits entscheidungsreif erscheint (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 376 und 1108).
b) Im Streitfall hatte das FG anlässlich eines Erörterungstermins dem Kläger eine "Frist zur Stellungnahme bis zum 25. Januar 2005 eingeräumt". An diesem Tag hatte der Klägervertreter telefonisch mitgeteilt, dass "der Architekt ihm die erbetene Stellungnahme noch nicht zugeleitet habe". Die Berichterstatterin des FG hatte den Klägervertreter laut ihrem Aktenvermerk darauf hingewiesen, dass sie "den Fall bald entscheiden wolle". Das Urteil erging am 2. Februar 2005 im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin und unter beiderseitigem Verzicht auf mündliche Verhandlung, ohne dass eine Stellungnahme des Klägers eingegangen war.
Damit hat das FG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Zwar hatte die Berichterstatterin telefonisch keine auf ein konkretes Datum festgelegte (Nach-)Frist für die Stellungnahme des Klägers gesetzt. Der Hinweis auf eine baldige Entscheidung eröffnet aber einen zeitlichen Spielraum, der jedenfalls --abgesehen von der damit verbundenen Unsicherheit hinsichtlich des genauen Fristablaufs-- auch unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts nicht zwingend auf einen Fristablauf nach einer Woche schließen lässt. Diese nur vage Fristsetzung darf dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen.
2. Der Verfahrensfehler ist auch rechtserheblich; denn abgesehen von der einschränkungslos geltenden Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 945, zu 3., m.w.N.) hat sich der Kläger nicht --wie vom FG eingeräumt-- vor einer Entscheidung mit nachgelassenem Schriftsatz zur Sache äußern können.
3. a) Der Verfahrensfehler hat zur Folge, dass die Vorentscheidung ohne sachliche Nachprüfung aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 116 Abs. 6 FGO).
b) Für das weitere Verfahren verweist der erkennende Senat für die Prüfung der wirtschaftlichen Nämlichkeit (wirtschaftliche Identität) zwischen angeschafftem und veräußerten Wirtschaftsgut im Rahmen eines Spekulationsgeschäfts i.S. des § 23 des Einkommensteuergesetzes auf seine Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97 (BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569), vom 23. November 2004 IX R 59/03 (BFH/NV 2005, 543), vom 9. Juni 2005 IX R 30/04, juris-Nr. STRE200550977, sowie zur Abgrenzung auf das (auch vom FG bereits erwähnte) BFH-Urteil vom 27. August 1997 X R 26/95 (BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135). Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger letztlich ein Grundstück mit aufstehendem (als Zweifamilienhaus bewertetem) Gebäude erworben, vier Räume im Obergeschoss (unselbständige Gebäudebestandteile) in eine abgeschlossene Wohnung umgebaut (Herstellungskosten?) und diese nach Begründung von Wohnungseigentum als Eigentumswohnung (selbständiges Wirtschaftsgut) veräußert.
Ende der Entscheidung
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