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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: IX B 94/04
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 138 Abs. 2 Satz 2
FGO § 137
FGO § 128 Abs. 4
FGO § 155
ZPO § 321a
ZPO § 321a Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Nach Vorlage der Steuererklärungen im Klageverfahren der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 2000 teilte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Schriftsatz vom 30. März 2004 mit, dass die --auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden-- Bescheide geändert würden, wobei --neben anderen Abweichungen-- die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mangels nicht nachgewiesener Vermietungsabsicht nicht berücksichtigt würden. Dieser Schriftsatz wurde der anwaltlich vertretenen Klägerin durch Gerichtsverfügung vom 7. April 2004 "zur Kenntnisnahme mit der Bitte um Gegenäußerung" mit Frist zum 15. Juni 2004 übersandt. Unter dem 22. April 2004 erklärte das FA unter Hinweis auf die zwischenzeitlich geänderten Steuerbescheide 2000 vom 20. April 2004 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Auch diesen Schriftsatz übersandte das Finanzgericht (FG) mit Verfügung vom 29. April 2004 der Klägerin "zur Kenntnisnahme mit der Bitte um Gegenäußerung" mit Frist nunmehr zum 15. Mai 2004 und der Anfrage, ob der Rechtsstreit in der Hauptsache ebenfalls für erledigt erklärt werde, und folgendem Hinweis: "Wird nicht ausdrücklich eine Erledigungserklärung abgegeben, kann das Gericht das Schweigen als stillschweigende Erledigungserklärung werten."

Bei seinem Beschluss vom 19. Mai 2004 ging der Berichterstatter des FG von übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten aus und legte der Klägerin gemäß § 138 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 137 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kosten des Verfahrens auf. Dagegen wendet sich die Beschwerde der Klägerin; weder sei eine übereinstimmende Erledigungserklärung feststellbar noch sei über die Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung entschieden. Der Berichterstatter hat der Beschwerde gleichwohl nicht abgeholfen.

II. Der Bundesfinanzhof (BFH) ist für eine Entscheidung über das Rechtsmittel nicht zuständig und gibt die als Gegenvorstellung zu wertende "Beschwerde" an das zuständige FG zurück.

1. In Streitigkeiten über Kosten ist gemäß § 128 Abs. 4 FGO die ("reguläre") Beschwerde nicht gegeben. Seit In-Kraft-Treten des § 321a der Zivilprozessordnung --ZPO-- (in der Fassung des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001, BGBl I 2001, 1887) ist eine außerordentliche Beschwerde auch im FG-Verfahren nicht mehr statthaft (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Oktober 2003 I B 140/03, BFH/NV 2004, 350; vom 29. August 2003 III B 109/03, BFH/NV 2004, 71, jeweils m.w.N.). Bei Verletzung des rechtlichen Gehörs, des Gebots des gesetzlichen Richters sowie in Fällen greifbarer Gesetzwidrigkeit kommt jedoch auch im Rahmen der FGO in entsprechender Anwendung des § 321a ZPO die Zulassung einer Gegenvorstellung in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Juli 2003 X B 91/03, BFH/NV 2003, 1600; vom 30. Oktober 2003 VI B 117/02, BFH/NV 2004, 355; vom 27. Januar 2004 VIII R 111/01, BFH/NV 2004, 660).

Als eine solche Gegenvorstellung ist die innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 321a Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO und damit rechtzeitig beim FG eingegangene Beschwerde der Klägerin zu werten. Eine Entscheidung darüber ist dem BFH jedoch verwehrt. Das Verfahren wird daher zur Entscheidung über die Gegenvorstellung an das funktional zuständige FG zurückgegeben (vgl. BFH in BFH/NV 2004, 355, und in BFH/NV 2004, 660).

2. Bei der Prüfung einer greifbaren Gesetzwidrigkeit wird das FG folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben:

Nach Aktenlage liegen übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten nicht vor. Zwar kann eine Erledigungserklärung auch durch schlüssiges Verhalten, unter Umständen auch durch Schweigen eines Beteiligten, abgegeben werden (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juli 1979 IV R 13/79, BFHE 128, 324, BStBl II 1979, 705; vom 27. April 1982 VIII R 36/70, BFHE 135, 264, BStBl II 1982, 406). Die anwaltlich vertretene Klägerin wurde aber vom Gericht ausdrücklich zur Stellungnahme mit Fristsetzung aufgefordert. Wenn in einem solchen Fall eine mit der Sach- und Rechtslage vertraute Person gleichwohl schweigt, kann dies nicht als Erledigungserklärung aufgefasst werden, weil Schweigen nicht ohne weiteres Zustimmung bedeutet. Die Wertung des Schweigens der Klägerin hätte zudem vorausgesetzt, dass sie ihr Klageziel --zumindest im Ergebnis-- erreicht hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 1982 VIII S 25/80, nicht veröffentlicht, juris-Dok.-Nr. STRE825042260; vom 24. Juni 1986 III R 293/84, BFH/NV 1986, 760; vom 21. Mai 1987 IV R 101/86, BFH/NV 1988, 258; Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 36/88, BFH/NV 1991, 835; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 138 Rz. 13; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Tz. 20, jeweils m.w.N.). Das trifft vorliegend angesichts der Abweichungen von der Einkommensteuererklärung (vgl. schon FA-Schriftsatz vom 30. März 2004) erkennbar nicht zu.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1600; in BFH/NV 2004, 355; vom 29. September 2003 IV B 146/03, BFH/NV 2004, 211, m.w.N.).



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