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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: IX R 102/07
Rechtsgebiete: EStG, GmbHG, HGB, BGB
Vorschriften:
EStG § 17 | |
GmbHG § 32a Abs. 1 | |
HGB § 255 Abs. 1 S. 1 | |
HGB § 255 Abs. 1 S. 2 | |
BGB §§ 705 ff. |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hielt 50% des Stammkapitals der GmbH 1. Neben An- und Verkauf sowie Bebauung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten verpachtete die GmbH 1 eine Tennisanlage, die im Eigentum der Klägerin sowie der Mitgesellschafterin des Klägers bei der GmbH 1 stand. Im Jahr 1993 schlossen sich die GmbH 1 sowie eine weitere GmbH (GmbH 2) zu gleichen Teilen zu einer Projektgesellschaft GbR zum Zweck der Planung, der Errichtung und des Verkaufs von Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten in ... zusammen. Das zu bebauende Grundstück gehörte der GmbH 2. Die GmbH 1 übernahm die vollständige planerische und technische Abwicklung des Bauvorhabens, die GmbH 2 die kaufmännische und vertriebstechnische Abwicklung. Für das Streitjahr wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der GbR mit 0 DM festgestellt. Das Eigenkapital der GmbH 1 betrug zum 31. Dezember 1997 66 138,83 DM.
Das Bauvorhaben geriet wegen Unzuverlässigkeiten von Handwerkern ins Stocken. Im August 1998 gewährte die X-Bank der GbR Kredite zur Finanzierung von drei errichteten Häusern mit 49 Wohnungen und 35 Tiefgaragenstellplätzen in Höhe von 1 383 000 DM, 1 962 000 DM und 700 000 DM. Zu deren Absicherung übernahm im Juni 1998 u.a. der Kläger als Geschäftsführer der GmbH 1 eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 890 000 DM zu Gunsten der GbR, welche u.a. durch ein Grundpfandrecht an der Tennisanlage unterlegt wurde. Ein gerichtlicher Vergleich mit einem Generalunternehmer vom Juli 1999 verpflichtete die GmbH 1 und GmbH 2 als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2 Mio. DM bzw., wenn diese nicht fristgerecht bezahlt würden, von 5 Mio. DM.
Im Dezember 1999 veräußerten die Gesellschafter der GmbH 1 ihre Anteile zu 1 DM an einen Dritten. Zeitgleich wurde die GmbH 1 liquidiert.
Im Rahmen der Veranlagung des Klägers für das Streitjahr wurde ein Veräußerungsverlust in Höhe von 25 000 DM i.S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) berücksichtigt.
Im Jahr 2002 wurde der Kläger von der X-Bank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. 449 841 DM wurden aus dem Veräußerungserlös der Tennisanlage beglichen.
Die Kläger beantragten daraufhin die Erhöhung des bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr angesetzten Verlustes nach § 17 EStG wegen der Inanspruchnahme in Höhe von 449 841 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diesen Betrag nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an der GmbH 1. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 452 veröffentlichten Urteil, dass die Bürgschaft keinen eigenkapitalersetzenden Charakter bei der GmbH 1 habe. Begünstigte der Bürgschaft sei die GbR als eigenständige Rechtspersönlichkeit gewesen. Die maßgeblichen §§ 705 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) enthielten kein Eigenkapitalersatzrecht i.S. von § 32a Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Darüber hinaus sei weder eine Krise der GbR noch eine solche der GmbH 1 feststellbar. Insbesondere sei das Eigenkapital der GmbH 1 im Jahr 1997 positiv gewesen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG). Das FG verkenne § 32a Abs. 3 GmbHG. Angesichts der mittelbaren Beeinflussung des Werts der GmbH-Beteiligung durch die Bürgschaftshingabe zu Gunsten der GbR könne es keinen Unterschied machen, ob die Bürgschaft zu Gunsten der GmbH 1 oder zu Gunsten der Personengesellschaft gegeben worden sei. Da die GbR kein eigenes Vermögen gehabt habe, sei sie von dem wirtschaftlichen Bestand ihrer Gesellschafter abhängig gewesen. Weder die Personengesellschaft noch deren Gesellschafter seien in der Lage gewesen, für einen von der X-Bank zu gewährenden Kredit die notwendigen Sicherheiten zu stellen. Deshalb sei Privatvermögen als Sicherheit zur Verfügung gestellt worden, dies in Form der Bürgschaften sowie der Tennisanlage. Da die GmbH 1 und GmbH 2 sich im Vergleich vom Juli 1999 als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2 Mio. DM verpflichtet hätten, erweise sich ohne weiteres die Krisensituation im Juni 1998.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer für das Jahr 1999 unter Berücksichtigung eines weiteren Veräußerungsverlusts i.S. von § 17 EStG in Höhe von 449 841 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Insbesondere sei § 32a Abs. 3 GmbHG schon deshalb nicht anwendbar, da der GmbH keine Finanzierungshilfe gewährt worden sei.
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Im Ergebnis zu Recht hat das FG einen Veräußerungsverlust des Klägers in Höhe der Inanspruchnahme auf dessen Bürgschaft abgelehnt.
1.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn bzw. der Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10% unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Entsprechendes gilt für einen Veräußerungsverlust.
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. März 2008 IX R 78/06, BFHE 220, 446, BStBl II 2008, 575, m.w.N.). Dazu rechnen Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG, wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausführt (§ 32a Abs. 1 und 3 GmbHG).
2.
Im Streitfall waren die Aufwendungen des Klägers für seine Inanspruchnahme aus den Bürgschaften zu Gunsten der GbR nicht durch das Gesellschaftsverhältnis mit der GmbH 1 veranlasst.
a)
Finanzierungsmaßnahmen zu Gunsten einer Gesellschaft, an welcher der Anteilseigner --wie im Streitfall der Kläger-- nur mittelbar beteiligt ist, führen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der (unmittelbaren) wesentlichen Beteiligung. Finanzierungsmaßnahmen bei einer mittelbaren Beteiligung sind nicht durch das Gesellschaftsverhältnis mit der unmittelbaren Beteiligungsgesellschaft veranlasst (BFH-Urteil in BFHE 220, 446, BStBl II 2008, 575, zur mittelbaren Beteiligung an einer weiteren GmbH).
Die Übernahme der Bürgschaften für die GbR hat im Streitfall auch nicht zu verdeckten mittelbaren Einlagen in die GmbH 1 geführt. Sie haben das bilanzierungsfähige Vermögen der GmbH 1 nicht vermehrt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761, m.w.N.).
b)
Zwar kann eine einem Darlehen wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlung i.S. von § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG darin liegen, dass ein wesentlich an einer GmbH beteiligter Gesellschafter sich zu Gunsten eines Dritten verbürgt, um zu ermöglichen, dass dieser mit der GmbH ein für sie günstiges Geschäft abschließt, und dass der Gesellschafter nach seiner Inanspruchnahme aus dieser Bürgschaft einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die GmbH nicht geltend macht und in der Liquidation endgültig mit ihm ausfällt (BFH-Urteil vom 4. März 2008 IX R 80/06, BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577). Maßgeblich hierfür ist jedoch, dass der Gesellschafter der GmbH eine einem Darlehen ähnliche Kreditierung gewährt.
Zwar mag der Kläger mit der Bürgschaftsübernahme im Interesse der GmbH 1 einen Anspruch zunächst auf Freistellung, nach seiner Inanspruchnahme auf Ersatz seiner Aufwendung aus § 683 BGB erlangt haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577). Der Freistellungsanspruch führt jedoch noch nicht zu Anschaffungskosten; er ist nicht kreditierbar. Der Aufwendungsersatzanspruch hätte sich erst mit Inanspruchnahme des Klägers aus der Bürgschaft im Jahr 2002 konkretisiert. Zu diesem Zeitpunkt war er aber schon nicht mehr Gesellschafter der GmbH 1; eine Kreditierung des Aufwendungsersatzanspruchs kam nicht mehr in Betracht.
c)
Etwas anderes ergibt sich weder aus der steuerrechtlichen Behandlung des abgekürzten Zahlungs- oder Vertragswegs noch aus einer etwaigen Einordnung der GbR als OHG. Letztere scheidet schon nach dem Wortlaut des § 105 Abs. 1 3. Halbsatz HGB aus. Die Rechtsgrundsätze zum abgekürzten Zahlungs- oder Vertragsweg beantworten nur die vorliegend nicht problematische Frage, ob Kosten, die ein Dritter im Interesse des Steuerpflichtigen leistet, dem Steuerpflichtigen als eigener Aufwand zurechenbar sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 451, BStBl II 2008, 577).
3.
Die Sache ist spruchreif. Die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft für die GbR sind nicht als (nachträgliche) Anschaffungskosten der Beteiligung des Klägers an der GmbH 1 zu berücksichtigen.
Ende der Entscheidung
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