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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: IX R 13/07
Rechtsgebiete: AO, FördG


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FördG § 1 Abs. 1 S. 1
FördG § 3
FördG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft. Sie kaufte im Streitjahr (1992) von T ein Grundstück und schloss ebenfalls im Streitjahr mit einer Immobilien GmbH (GmbH) einen Generalübernehmer-/Bauträgervertrag (Bauvertrag) ab, um auf diesem Grundstück ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten. Der Generalübernehmer sollte sämtliche planerische, technische und handwerkliche Leistungen für die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens gegenüber der Klägerin erbringen. Das Entgelt für das gesamte Bauvorhaben sollte 3 046 425 DM betragen. Es sollten bis zum 30. Dezember des Streitjahres Anzahlungen in Höhe von 2,7 Mio. DM im Voraus geleistet werden und wurden auch tatsächlich bezahlt. Zur Sicherung hatte der Generalübernehmer eine unbefristete Bürgschaft eines deutschen Kreditinstituts zur Verfügung zu stellen, die von der Klägerin entsprechend dem Baufortschritt freizugeben war. Der Grundstückserwerb scheiterte und die Errichtung des Gebäudes unterblieb. Im Jahr 1998 wurde der Bauvertrag rückabgewickelt.

In ihrer Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr machte die Klägerin Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) von 1 139 188 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte die Besteuerungsgrundlagen mit Bescheid vom 20. Oktober 1993 erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Im Anschluss an eine Außenprüfung im Jahr 2001 erließ das FA unter Berufung auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) am 18. Juli 2002 den angefochtenen Änderungsbescheid, in dem es die Sonderabschreibungen wegen Rückabwicklung des Bauvertrags im Jahr 1998 nicht mehr gewährte.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Klageabweisung damit, ein rückwirkendes Ereignis liege im Rückgängigmachen des Bauvertrags, aufgrund dessen im Streitjahr zu Recht Sonderabschreibungen auf geleistete Anzahlungen in Anspruch genommen worden seien. Dabei könne es jedenfalls wegen § 41 Satz 1 AO dahinstehen, ob der Bauvertrag insgesamt (§ 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) oder zum Teil zivilrechtlich unwirksam gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht rügt. Im Zeitpunkt des geänderten Bescheids sei die vierjährige Feststellungsfrist nach § 181 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO bereits abgelaufen gewesen. Auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO habe das FA die Änderung nicht stützen dürfen; denn mit dem Rückgängigmachen des Bauvertrags liege kein rückwirkendes Ereignis vor. Vielmehr sei allenfalls § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO einschlägig, der aber wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht zum Zuge komme. Die Klägerin habe schon im Streitjahr Sonderabschreibungen nicht in Anspruch nehmen dürfen. Denn es habe sich bei den Vorauszahlungen um Anzahlungen auf Teilherstellungskosten gehandelt, die nicht begünstigt gewesen seien. Abschlagszahlungen hätte die GmbH nur verlangen können, wenn das Bauwerk in Teilen abzunehmen gewesen wäre. Indes sei es wegen des gescheiterten Grundstückserwerbs aufgrund des Bauvertrags zu keiner Zeit zu Herstellungsmaßnahmen gekommen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil und den geänderten Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung 1992 vom 18. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2003 aufzuheben und die Besteuerungsgrundlage entsprechend dem ursprünglichen Bescheid vom 20. Oktober 1993 einheitlich und gesondert festzustellen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend das FA als nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berechtigt angesehen, den angefochtenen Änderungsbescheid zu erlassen und es abzulehnen, die im Streitjahr beanspruchten Sonderabschreibungen zu gewähren.

1.

Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (i.V.m. § 181 Abs. 1 AO) ist ein Feststellungsbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Ob dies der Fall ist, richtet sich allein nach den Normen des jeweils einschlägigen materiellen Steuerrechts (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. September 2008 IX R 72/06, BFHE 222, 571, unter II. 2. b, dd). Das Ereignis muss ferner nachträglich eintreten, weil nur in diesem Fall die Notwendigkeit besteht, die Bestandskraft zu durchbrechen. Konnte und musste es bei Erlass des geänderten Bescheides bereits berücksichtigt werden, greift § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht ein (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 2008 IX R 79/06, BFHE 222, 464, BStBl II 2009, 227, unter II. 1. a, m.w.N.).

2.

Zutreffend hat das FG im Streitfall in der Rückabwicklung des Bauvertrages ein solches Ereignis gesehen, das nachträglich --weil im Jahr 1998 eingetreten-- auf das Streitjahr zurückwirkt. Denn mit der Rückabwicklung des Bauvertrags konnte es nicht mehr zur Herstellung eines begünstigten Gebäudes kommen.

a)

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FördG kann der Steuerpflichtige für eine nach § 3 FördG begünstigte Investition, die er im Fördergebiet durchführt, Sonderabschreibungen nach § 4 FördG vornehmen. Er muss die in § 3 FördG beschriebene Baumaßnahme tatsächlich durchführen und --bezogen auf den Streitfall-- das Gebäude anschaffen oder herstellen. Nimmt er Sonderabschreibungen bereits für Anzahlungen in Anspruch (§ 4 Abs. 1 Satz 5 FördG, § 7a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes), so haben sie materiell-rechtlich vorläufigen Charakter. Für die Begünstigung maßgebend ist allein der Vollzug des Anschaffungsgeschäfts (vgl. zum Vorstehenden BFH-Urteil vom 20. Januar 2009 IX R 9/07, BFHE 224, 248). Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Sonderabschreibungen auf Teilherstellungskosten in Anspruch nimmt. Auch dann kommt es entscheidend darauf an, ob es zu einer durch § 3 FördG begünstigten Baumaßnahme kommt. Die Begünstigung entfällt deshalb in beiden Fällen rückwirkend, wenn der Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang nicht abgeschlossen wird (Blümich/Brandis, § 7a EStG Rz 40, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

b)

Nach diesen Maßstäben liegt in der Rückabwicklung des Bauvertrags im Jahre 1998 ein rückwirkendes Ereignis. Denn damit konnte der Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang nicht mehr abgeschlossen werden. Dabei kann offen bleiben, ob das Wohn- und Geschäftsgebäude durch die Klägerin angeschafft oder hergestellt werden sollte.

aa)

Handelt es sich --wovon die Vorinstanz ausgeht-- um eine beabsichtigte Anschaffung, würde die Klägerin die Sonderabschreibungen für Anzahlungen auf Anschaffungskosten zu Unrecht in Anspruch nehmen, nachdem es zu einem Anschaffungsgeschäft nicht mehr gekommen war. Da die Beteiligten des Bauvertrags dessen wirtschaftliches Ergebnis jedenfalls bis zur Rückabwicklung im Jahr 1998 haben bestehen lassen, kann mit dem FG wegen § 41 Abs. 1 Satz 1 AO dahinstehen, ob und inwieweit dieser Vertrag zivilrechtlich unwirksam war (z.B. wegen § 134 BGB i.V.m. §§ 2, 3 der Makler- und Bauträgerverordnung).

bb)

Aber auch dann, wenn man mit der Revision davon ausginge, die geplante Baumaßnahme führe zu Herstellungskosten, ergäbe sich kein anderes Ergebnis.

Der Revision ist insoweit beizupflichten, dass im Streitfall mehr für eine geplante Herstellung durch die Klägerin spricht. Denn Berechtigte und Verpflichtete des Kaufvertrages und des Bauvertrags sind jeweils verschiedene Personen, so dass nicht von einem einheitlich auf den Erwerb des Grundstücks gerichteten Vertragsbündel auszugehen ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 43/89, BFHE 165, 245, BStBl II 1991, 918). Ginge man von einem Herstellungsvorgang aus, hätte die Klägerin zwar keine Sonderabschreibungen auf Teilherstellungskosten beanspruchen dürfen, weil solche nicht angefallen und Anzahlungen auf Teilherstellungskosten nicht begünstigt sind. Das änderte aber nichts daran, dass es mit der Rückabwicklung des Bauvertrags 1998 nicht zu einer nach § 3 FördG geförderten Baumaßnahme hätte kommen können. Damit bestünde für die (geplante) Herstellung des Wohn- und Geschäftshauses insgesamt keine Legitimation mehr, gefördert zu werden. Entfallen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen --wie hier-- rückwirkend, weil der Herstellungsvorgang nicht vollzogen wird, so umfasst dieses Ereignis materiell-rechtlich vorläufig gewährte Sonderabschreibungen unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für eine vorläufige Förderung vorlagen oder nicht (so auch BFH-Urteil vom 23. November 2000 IV R 85/99, BFHE 193, 75, BStBl II 2001, 122, m.w.N.).

Darin liegt entgegen der Revision der Unterschied zur Korrekturnorm des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, die diesen Fall ersichtlich nicht erfasst. Denn das hier maßgebende Ereignis der Rückabwicklung des Bauvertrags ist keine nachträglich bekanntgewordene, sondern eine nachträglich eingetretene Tatsache, die auf die in der Vergangenheit von vornherein nur materiell vorläufig gewährten Sonderabschreibungen vor Fertigstellung oder vor Durchführung des Anschaffungsgeschäfts einwirkt. Dies gilt unabhängig davon, ob das FA vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist überdies berechtigt gewesen wäre, die einheitliche und gesonderte Feststellung für das Streitjahr, mit dem ursprünglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung von Sonderabschreibungen festgestellt wurden, nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, wenn es erfahren hätte, dass die Klägerin in Wirklichkeit keine Anschaffung, sondern eine Herstellung beabsichtigte. Unterstellt, diese Tatsache hätte bereits mit Vertragsabschluss vorgelegen und bei nachträglichem Bekanntwerden schon im Feststellungsverfahren beachtet werden müssen, ist sie aber offenkundig nicht identisch mit dem hier maßgebenden Ereignis der Vertragsauflösung, die erst im Jahr 1998 zu verorten ist und das FA auch nicht daran hindern würde, die Bescheide --wie geschehen-- wegen des rückwirkenden Ereignisses zu berichtigen. Hätte die Klägerin nämlich zu Recht Sonderabschreibungen in Anspruch genommen, wären also Teilherstellungskosten bereits angefallen gewesen, würde die Begünstigung rückwirkend mit der Bauvertragsrückabwicklung entfallen. Das gilt auch, wenn die Voraussetzungen für eine vorläufige Förderung schon nicht oder nicht in vollem Umfang vorgelegen haben. Denn sonst würde in Bezug auf das nachträglich eingetretene Ereignis derjenige besser gestellt, der von vornherein keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Förderung hatte.

c)

Da das rückwirkende Ereignis mithin im Jahr 1998 eingetreten ist, begann die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 181 Abs. 1, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO mit dem Ablauf dieses Jahres, so dass das FA --wie das FG zutreffend entschieden hat-- den angefochtenen Änderungsbescheid zu Recht erlassen hat.

Ende der Entscheidung

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