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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: IX R 13/99
Rechtsgebiete: FGO, EStDV, AO 1977, EStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 2
EStDV § 82k
EStDV § 82i
EStDV § 82i Abs. 1
EStDV § 82i Abs. 1 Satz 1
EStDV § 82i Abs. 2
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG § 7h
EStG § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. y Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Eheleute in den Veranlagungszeiträumen 1991 bis 1993 und 1995 (Streitjahre) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren u.a. Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks A-Straße in X. Im Rahmen seiner Einkünfteermittlung für dieses Objekt machte der Kläger erhöhte Absetzungen gemäß § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe von ... DM jährlich für in den Jahren 1985 bis 1987 entstandene Aufwendungen geltend.

Der Kläger, der das genannte Objekt im Jahr 1982 erworben hatte, hatte sich im Kaufvertrag gegenüber der Stadt X verpflichtet, den vorhandenen, unter Denkmalschutz stehenden Altbestand umfangreich zu restaurieren, ausschließlich Materialien zu verwenden, die dem historischen Gepräge entsprechen und vorhandene historische Formen (Fachwerk, Sprossenfenster, Holzklappläden, Sandsteinfenstergewände, Dacheindeckung) beizubehalten. Im Zuge der Bauarbeiten wurde festgestellt, dass verschiedene Bauteile (Dachstuhl, Decken, Innenwände und Teile der Außenmauer) u.a. aus statischen Gründen nicht mehr verwendet werden konnten; diese Bauteile wurden daher im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege abgetragen und sodann unter Nutzung des historischen Materials in historisch-handwerklicher Bauweise und unter Beibehaltung der ursprünglichen Grundrissdisposition erneuert. Dabei war es erforderlich, ein Fundament des Gebäudes neu zu setzen.

Das Landesamt für Denkmalpflege, das den gesamten Sanierungsvorgang überwachte und begleitete, bestätigte dem Kläger mit Bescheinigungen vom April 1986, März 1987 und Februar 1988, dass die an dem Gebäude A-Straße durchgeführten Arbeiten (grundlegende Instandsetzung, Restaurierung, Teilerneuerung sowie Bewohnbarmachung) zu Gesamtaufwendungen in Höhe von ... DM geführt hätten und diese i.S. von § 82i und § 82k EStDV nach Art und Umfang zu seiner Erhaltung und sinnvollen Nutzung erforderlich gewesen seien. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die Anerkennung der beantragten erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV in den Streitjahren ab; zuvor hatte sich das FA erfolglos bemüht, die Denkmalschutzbehörde zur Zurücknahme ihrer Bescheinigungen zu bewegen. Das FA vertrat die Ansicht, dass aufgrund der umfangreichen Erneuerung auch bautechnisch tragender Elemente von einer Neuerrichtung des Gebäudes auszugehen sei, für die eine Begünstigung nach § 82i EStDV nicht in Betracht komme.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 644 veröffentlichten Urteil davon aus, dass die von der Denkmalschutzbehörde erteilte Bescheinigung hinsichtlich der Frage bindend sei, ob die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich gewesen seien.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 82i EStDV.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Berücksichtigung erhöhter Absetzungen nach § 82i EStDV zusteht.

1. Nach § 82i Abs. 1 Satz 1 EStDV in der in den Streitjahren geltenden Fassung kann der Steuerpflichtige bei einem Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen im Jahr der Herstellung und in den neun folgenden Jahren jeweils 10 v.H. absetzen. Die erhöhten Absetzungen können in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige die genannten Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Erforderlichkeit der Herstellungskosten durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachgewiesen hat (§ 82i Abs. 2 EStDV).

Nach § 82i EStDV sind allerdings nur Herstellungskosten an denkmalgeschützten bestehenden Gebäuden begünstigt, nicht hingegen deren Wiederaufbau (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. September 2001 IX R 62/98, BFHE 196, 550, m.w.N.).

2. Das FG ist im Streitfall zu Recht davon ausgegangen, dass die zuständige Denkmalbehörde die denkmalrechtlichen Voraussetzungen des § 82i EStDV bindend bescheinigt hat.

a) Bei der Bescheinigung nach § 82i Abs. 2 EStDV handelt es sich um einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--), dessen verbindliche Feststellungen sich auf die Tatbestände des zum Landesrecht gehörenden Denkmalrechts beschränken: Die Denkmaleigenschaft des Gebäudes, sowie darauf, ob die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Der Grundlagenbescheid i.S. der § 82i Abs. 2 EStDV, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. y Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist nur insoweit bindend, als er den Nachweis dieser denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen des § 82i Abs. 1 EStDV erbringt. Über das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale haben die Finanzbehörden in eigener Zuständigkeit zu entscheiden (BFH-Urteil in BFHE 196, 550, m.w.N.). Erfasst die Bescheinigung Tatbestandsmerkmale, die zugleich denkmalschutzrechtliche und steuerrechtliche Bedeutung haben, so ist die in der Bescheinigung zum Ausdruck kommende denkmalschutzrechtliche Beurteilung auch steuerrechtlich bindend, weil andernfalls der Normzweck des § 82i EStDV, denkmalschutzrechtlich erforderliche Investitionen zu begünstigen, durch eine abweichende steuerrechtliche Beurteilung der Finanzbehörden unterlaufen werden könnte (vgl. auch das zu § 7h EStG ergangene BFH-Urteil vom 21. August 2001 IX R 20/99, BFHE 196, 191).

Wie weit die Bindungswirkung der Bescheinigung im Einzelfall reicht, d.h. welche Sachverhaltselemente einer denkmalschutzrechtlichen Beurteilung unterzogen werden und wie diese lautet, hängt vom jeweiligen Inhalt der Bescheinigung ab. Ihr Regelungsinhalt ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf (BFH-Urteil in BFHE 196, 550, m.w.N.).

b) Die dem Kläger erteilten Bescheinigungen vom April 1986, März 1987 und Februar 1988 bringen zum Ausdruck, dass das fragliche Gebäude ein Baudenkmal i.S. von § 3 der einschlägigen landesgesetzlichen Denkmalschutzbestimmungen ist und die vom Kläger an dem Gebäude durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen --einschließlich einer teilweise vollständigen Erneuerung von Gebäudebestandteilen-- nach Art und Umfang zu seiner Erhaltung und sinnvollen Nutzung erforderlich gewesen sind. Die genannten Bescheinigungen beziehen sich --was sich schon aus dem Zeitpunkt, zu dem diese erstellt worden sind, ergibt-- auf das wieder instandgesetzte Gebäude des Klägers und nicht auf den Altbestand. Die Denkmalschutzbehörde hat insoweit auch zum Ausdruck gebracht, dass das instandgesetzte Gebäude mit dem ursprünglichen Gebäude identisch ist; steuerrechtlich handelt es sich mithin nicht um einen Neubau (vgl. BFH-Urteil in BFHE 196, 550).

Die in der Bescheinigung zum Ausdruck kommende denkmalschutzrechtliche Auffassung ist für das FA bindend. Dieser Bindungswirkung würde es widersprechen, steuerrechtlich die Voraussetzung des § 82i EStDV für das Gebäude des Klägers mit der Begründung zu verneinen, es handle sich um eine "Architekturkopie" und mithin um einen Neubau, obwohl die Denkmalschutzbehörde das sanierte Gebäude als Baudenkmal eingestuft, die Identität des Gebäudes vor und nach den Sanierungsmaßnahmen bestätigt hat und die Herstellungskosten des Klägers als zur Erhaltung dieses Baudenkmals erforderlich beurteilt worden sind.

c) Entgegen der Auffassung des FA ergibt sich aus dem BFH-Urteil vom 15. Oktober 1996 IX R 47/92 (BFHE 181, 312, BStBl II 1997, 176) nichts anderes. In jenem Urteilsfall hatte die Denkmalbehörde in der Bescheinigung eine ...burg als Baudenkmal beurteilt und die "hieran" durchgeführten Arbeiten, u.a. Arbeiten an Außenanlagen und die Errichtung einer Tiefgarage, als zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich angesehen. Die Außenanlagen und die von der ...burg baulich getrennte Tiefgarage waren aber nicht Bestandteile des Baudenkmals "...burg", sondern gesonderte Wirtschaftsgüter, so dass die bescheinigten Arbeiten nicht an dem Baudenkmal ("hieran") durchgeführt worden waren. Für diese Frage, die nicht denkmalschutzrechtlicher Natur war, entfaltete die Bescheinigung keine Bindungswirkung. Im Streitfall sind hingegen die Arbeiten, die nach der Bescheinigung gemäß § 82i Abs. 2 EStDV zur Erhaltung und sinnvollen Nutzung des Baudenkmals erforderlich waren, an diesem Baudenkmal, nämlich dem Gebäude A-Straße, ausgeführt worden.

3. Die Sache ist spruchreif; da die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung erhöhter Absetzungen nach § 82i EStDV nicht streitig sind, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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