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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.01.2002
Aktenzeichen: IX R 21/98
Rechtsgebiete: FördG


Vorschriften:

FördG § 1
FördG § 3
FördG § 4
§ 1 Abs. 1 Satz 2 FördG schließt nur für von der Gemeinschaft selbst durchgeführte Investitionen aus, dass die der Gemeinschaft angehörenden Steuerpflichtigen Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen können. Wird dagegen ein Steuerpflichtiger durch eine von ihm vorgenommene Investition erst Gemeinschafter, steht § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG einer Förderung dieser Investition nicht entgegen.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Dezember 1993 das hälftige Miteigentum an einem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück in X. Besitz, Nutzen und Lasten des Grundstücks, das sich bis zu diesem Zeitpunkt im Eigentum einer aus S und B bestehenden Grundstücksgemeinschaft befand, gingen am 31. Dezember 1993 auf die Klägerin über. Seit dem Zeitpunkt besteht die Grundstücksgemeinschaft aus B und der Klägerin.

Im März 1995 ging beim (damals zuständigen) Finanzamt Y eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Grundstücksgemeinschaft für das Streitjahr 1993 ein. Das Finanzamt Y erließ im Juli 1995 ohne Kenntnis des Gemeinschafterwechsels einen --bestandskräftig gewordenen-- Feststellungsbescheid, in dem es die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie die Einnahmen aus Kapitalvermögen der Grundstücksgemeinschaft in der erklärten Höhe feststellte und entsprechend den Angaben in der Erklärung zu je 1/2 den Gemeinschaftern S und B zurechnete.

Im Mai 1996 reichte die aus B und der Klägerin bestehende Grundstücksgemeinschaft beim (nunmehr zuständigen) Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eine weitere Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein und machte für die Klägerin auf die Anschaffungskosten des Grundstücksanteils Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 175 839 DM geltend. Das FA lehnte den Erlass eines Feststellungsbescheides für die aus B und der Klägerin bestehende Grundstücksgemeinschaft mit dem Hinweis ab, dass für die (aus S und B bestehende) Grundstücksgemeinschaft bereits eine bestandskräftige Feststellung vorliege.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 765 veröffentlichten Urteil die Ansicht, das FA habe es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine Sonderabschreibung zu gewähren, da diese nicht anspruchsberechtigt i.S. des § 1 FördG sei.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG. Sie beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verpflichten, der Klägerin im Zuge des Erlasses eines Ergänzungsbescheides Sonderabschreibungen in Höhe von 175 839 DM zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Sonderabschreibungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 2 a, § 4 FördG in der für das Streitjahr geltenden Fassung verneint.

1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FördG können Steuerpflichtige für begünstigte, im Fördergebiet durchgeführte Investitionen u.a. Sonderabschreibungen nach § 4 FördG vornehmen. Zu den anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 FördG zählen auch Personengesellschaften und Gemeinschaften; denn der Gesetzgeber hat abweichend von § 7a Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Anspruchsberechtigung bei Sonderabschreibungen für Investitionen im Fördergebiet in § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG dahin gehend geregelt, dass investierende Gesellschaften oder Gemeinschaften selbst zur Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach dem Fördergebietsgesetz berechtigt sind; der einzelne Gesellschafter oder Gemeinschafter kann in diesem Fall hingegen keine Sonderabschreibungen geltend machen.

Führt daher eine Gesellschaft oder Gemeinschaft nach dem Fördergebietsgesetz begünstigte Investition durch, entfaltet § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG eine die Förderung der beteiligten Gesellschafter oder Gemeinschafter ausschließende Sperrwirkung. Sonderabschreibungen können sich bei dem beteiligten Gesellschafter oder Gemeinschafter nur insoweit auswirken, als ihm das Betriebsergebnis der investierenden Gesellschaft oder Gemeinschaft zuzurechnen ist.

2. Im Streitfall schließt § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG Sonderabschreibungen für die von der Klägerin getätigte Investition jedoch nicht aus.

Die Klägerin hat mit dem Erwerb des hälftigen Miteigentums an dem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück ein abnutzbares unbewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens angeschafft (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, m.w.N.). Auf die Anschaffungskosten dieses Wirtschaftsguts kann die Klägerin unbeschadet der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG Sonderabschreibungen vornehmen. § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG sieht nur dann eine Sperrwirkung zu Lasten der "hinter" einer Gemeinschaft stehenden Personen vor, wenn die nach dem Fördergebietsgesetz begünstigte Investition von der Gemeinschaft durchgeführt wird. Geht indes, wie im Streitfall, die Investition von einem Steuerpflichtigen aus, der erst durch die Investition Gemeinschafter wird und ist mithin die Gemeinschaftszugehörigkeit nur Rechtsfolge der vorangegangenen Investition, steht § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG einer Förderung dem Grunde nach begünstigter Investitionen nicht entgegen.

Dieses Ergebnis entspricht dem Zweck der zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen im Beitrittsgebiet geschaffenen und auf die Erleichterung und Beschleunigung des dort notwendigen wirtschaftlichen Anpassungsprozesses zielenden Regelung (s. dazu Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 1 FördG Rz. 2), der eine dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG nicht zu entnehmende Einschränkung der gesetzlich vorgesehenen Förderung nicht trägt. Es folgt aber auch aus einem Vergleich von § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG mit der in ihrer Formulierung eindeutiger gefassten, inhaltlich gleichgerichteten Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 (BGBl I 1997, 2070). Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 tritt die Gemeinschaft als Anspruchsberechtigte (nur dann) an die Stelle des Steuerpflichtigen, wenn diese begünstigte Investitionen i.S. der §§ 2 und 3 InvZulG 1999 vornimmt. Der vergleichbare Subventionszweck der Vorschriften des Fördergebietsgesetzes und des Investitionszulagengesetzes 1999 rechtfertigt es, die Regelungen übereinstimmend auszulegen.

Im Streitfall hat die aus B und der Klägerin bestehende Grundstücksgemeinschaft keine Investition im Sinne des Fördergebietsgesetzes getätigt. Die Sperrwirkung des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG schließt daher eine Förderung der dem Grunde nach begünstigten Investition der Klägerin nicht aus.

3. Die die Klägerin betreffenden Feststellungen können gemäß § 179 Abs. 3 der Abgabenordung (AO 1977) in einem Ergänzungsbescheid berücksichtigt werden; danach ist eine notwendige Feststellung nachzuholen, soweit diese in einem Feststellungsbescheid unterblieben ist.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer Gemeinschaft sind gesondert und einheitlich gemäß §§ 179, 180 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 festzustellen. Zu den notwendigen Feststellungen gehört u.a. die Feststellung der Beteiligten; auch Sonderwerbungskosten eines Hauptbeteiligten sind entsprechend dem Zweck des Feststellungsverfahrens stets nur in diesem Verfahren zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 23. April 1991 IX R 303/87, BFH/NV 1991, 653). Die gesonderte und einheitliche Feststellung umfasst auch in Fällen des Gesellschafterwechsels grundsätzlich ein volles Wirtschaftsjahr (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1994 VIII R 48/93, BFH/NV 1995, 84); Entsprechendes gilt für den im Streitfall vorliegendem Fall eines Gemeinschafterwechsels.

Voraussetzung für den Erlass eines Ergänzungsbescheides ist weiter, dass der ursprüngliche Feststellungsbescheid unvollständig oder lückenhaft ist. Nachholbar sind nur solche Feststellungen, die in den vorausgegangenen Feststellungsbescheiden "unterblieben" sind. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Feststellungen hätten getroffen werden müssen, aber nicht getroffen worden sind. Ergänzungsbescheide dürfen einen lückenhaften Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber Unrichtigkeiten eines Feststellungsbescheides korrigieren oder die in dem ursprünglichen Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen ändern; denn in einem solchen Fall ist die ursprüngliche Feststellung nicht lückenhaft, sondern inhaltlich falsch (BFH-Urteil vom 11. Mai 1999 IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446, m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für den Erlass eines Ergänzungsbescheides gemäß § 179 Abs. 3 AO 1977 im Streitfall gegeben; denn das FA hat nicht etwa eine negative (und damit unrichtige), sondern mangels Kenntnis bislang überhaupt keine Entscheidung hinsichtlich der Beteiligtenstellung der Klägerin und der ihr zuzurechnenden Sonderwerbungskosten getroffen. Unterbleibt aber zu Unrecht die Berücksichtigung eines Feststellungsbeteiligten, ist der Feststellungsbescheid lückenhaft. Eine derartige Lücke kann durch einen Ergänzungsbescheid ausgefüllt werden.

4. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG hat --nach seiner Rechtsauffassung zutreffend-- keine Feststellungen darüber getroffen, in welcher Höhe die Klägerin die beantragten Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen kann. Diese muss es nachholen.

Ende der Entscheidung

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