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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: IX R 22/98
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10e
EStG § 12
EStG § 9 Abs. 1
EStG § 10e Abs. 6
EStG § 7 Abs. 1 Satz 5
EStG § 10e Abs. 6 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig sind die Abbruchkosten und der Restwert eines Gebäudes als nachträgliche Werbungskosten oder Aufwendungen gemäß § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Im Jahr 1983 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) für 310 000 DM ein Einfamilienhaus. Zunächst nutzte er das Haus selbst. Ab Mai 1986 bis einschließlich September 1987 vermietete er das Haus. Danach stand es leer.

In einem Schreiben vom Mai 1987 äußerte sich ein Architekt gegenüber dem Kläger, dass die Kellerwände des ca. 40-jährigen Hauses stark durchfeuchtet und die Mauern infolgedessen derart angegriffen seien, dass die Standsicherheit des Gebäudes auf Dauer nicht gewährleistet sei. Darüber hinaus müssten u.a. die Fenster und sämtliche Installationen erneuert werden. In Anbetracht der Kosten einer Sanierung sei es sinnvoll, das Gebäude abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Darauf beauftragte der Kläger noch im Mai 1987 einen Architekten mit dem Neubau eines Hauses und holte im Dezember 1987 die Genehmigung für den Abbruch des alten Gebäudes ein. Im Februar 1988 ließ er es abreißen und im Anschluss daran ein neues Haus errichten, das er im November 1988 selbst bezog.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 machte der Kläger der Höhe nach nicht streitige Abbruchkosten von 13 955 DM sowie Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) in Höhe des Restbuchwerts des abgebrochenen Gebäudes von 97 927 DM geltend. Daneben nahm er Steuerbegünstigungen gemäß § 10e EStG in Anspruch.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen nicht. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückwies (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 1118). Zur Begründung führt das FG im Wesentlichen aus:

Selbst wenn die Mängel des Hauses auch während der Zeit der Vermietung entstanden seien, so sei doch davon auszugehen, dass der Abbruch des Gebäudes zu einem nicht unwesentlichen Teil im Hinblick auf die beabsichtigte Eigennutzung des Neubaus erfolgt sei.

Ein Abzug gemäß § 10e Abs. 6 EStG scheide bereits deshalb aus, weil die streitigen Aufwendungen den Herstellungskosten zuzuordnen seien. Das Zusammenfallen des Abbruchs mit dem Entschluss des Klägers, von der Vermietungstätigkeit zur Selbstnutzung des Neubaus überzugehen, begründe eine so enge wirtschaftliche Verbindung zwischen Abbruch und Neuherstellung, dass der Restwert des Gebäudes ebenso wie die Abbruchkosten selbst den Herstellungskosten des Neubaus zuzurechnen seien.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 21 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 5 sowie § 10e Abs. 6 EStG.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 1991 aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1988 vom 9. April 1990 weitere Werbungskosten in Höhe von 97 927 DM (Restbuchwert des Gebäudes) und 13 955 DM (Abbruchkosten) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder als Aufwendungen gemäß § 10e Abs. 6 EStG zum Abzug zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision, die nach Auffassung des Senats nur das Streitjahr 1988 betrifft, ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die Abbruchkosten und die AfaA gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung nicht als Aufwendungen gemäß § 10e Abs. 6 EStG zum Abzug zugelassen.

1. a) Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des FG nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für den Abzug der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG im Streitfall gegeben sind. Ein Abzug als nachträgliche Werbungskosten käme in Frage, wenn der maßgebliche Grund für den Abriss des Gebäudes, z.B. die mangelnde Standfestigkeit, während der Vermietung des Grundstücks entstanden wäre. Wann jedoch die bereits vor der Vermietung bestehende Feuchtigkeit die Standfestigkeit des Gebäudes entscheidend beeinflusste, geht aus den Feststellungen des FG (einschließlich des in Bezug genommenen gutachterlichen Schreibens des Architekten vom 1. Mai 1987) nicht hervor.

b) AfaA und Abrisskosten sind nicht bereits deshalb durch die Vermietung veranlasst, weil das Haus im Anschluss an die Vermietung abgerissen wurde (letzter Akt der Vermietungstätigkeit). Da das neu errichtete Gebäude zu privaten Wohnzwecken genutzt wurde (§ 12 EStG), ist diese Veranlassung nur gegeben, wenn der Grund für den Abriss zumindest ganz überwiegend in der bisherigen Nutzung des alten Gebäudes zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Juli 2000 IX R 48/96, BFHE 192, 311). Soweit sich aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 31. März 1998 IX R 26/96 (BFH/NV 1998, 1212) etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht mehr fest.

Der Senat lässt offen, ob die o.a. Voraussetzungen für die Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten gegeben sind, weil sie jedenfalls gemäß § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG wie Sonderausgaben abgezogen werden können.

2. Nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG können Aufwendungen, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen, unmittelbar mit der Herstellung des Gebäudes zusammenhängen, nicht zu den Herstellungskosten der Wohnung gehören und im Falle der Vermietung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten, wie Sonderausgaben abgezogen werden. Ob Aufwendungen in diesem Sinne auch AfaA gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG sein können, hat der BFH im Urteil vom 6. Dezember 1995 X R 116/91 (BFHE 179, 331, BStBl II 1996, 358, zu 1. e) offen gelassen. Die Frage ist zu bejahen. AfaA sind Aufwendungen i.S. des § 9 Abs. 1 EStG (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, 523, BStBl II 1978, 620); eine Aufwendung i.S. des § 9 Abs. 1 EStG kann auch im Abfluss von geldwerten Gütern bestehen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533, zu 2.). Ein solcher Abfluss ist gegeben, wenn ein Gebäude, das noch einen Restwert hat, abgerissen wird. Der Begriff Aufwendungen in § 10e Abs. 6 EStG hat insoweit keinen anderen Inhalt (vgl. die sog. Parallelwertung mit den Werbungskosten in § 10e Abs. 6 Satz 1 a.E., dazu BTDrucks 10/3633, S. 10, 16; ferner Blümich/ Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10e EStG Rz. 606).

AfaA und Abrisskosten wären auch gemäß § 9 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG als Werbungskosten und nicht als Herstellungskosten zu berücksichtigen gewesen, wenn das Gebäude, statt es selbst zu nutzen, vermietet worden wäre. Entscheidend dafür ist, dass das abgerissene Gebäude nicht in der Absicht erworben wurde, es abzureißen (BFH-Beschluss in BFHE 125, 516, 523, BStBl II 1978, 620; BFH-Urteil in BFHE 179, 331, BStBl II 1996, 358; H 33a des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2000 --EStH 2000--). Dafür gibt es nach den Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat das alte Gebäude nach dem Erwerb zunächst etwa vier Jahre selbst genutzt oder vermietet. Auch das FG führt aus, eine Abbruchabsicht bei Erwerb des Grundstücks erscheine nicht "naheliegend" und es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger einen später notwendigen Abbruch in Kauf genommen habe. Das FG ist aber gleichwohl zu der Auffassung gelangt, AfaA und Abbruchkosten seien den Herstellungskosten zuzurechnen, weil durch das Zusammentreffen von Abbruch und Entschluss, von der Vermietung zur Selbstnutzung überzugehen, der Sachverhalt mit dem Neuerwerb eines Gebäudes in Abbruchabsicht vergleichbar sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. AfaA und Abrisskosten sind in der Regel sowohl durch die vorherige Nutzung des Gebäudes wie durch den Neubau veranlasst; das FG berücksichtigt nur den Zusammenhang mit dem Neubau. Bei dieser Würdigung des Sachverhalts müssten AfaA und Abrisskosten in aller Regel den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zugerechnet werden, was der BFH in ständiger Rechtsprechung abgelehnt hat (grundlegend Beschluss in BFHE 125, 516, 523, BStBl II 1978, 620).

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG sind im Streitfall gegeben, sodass die streitigen Aufwendungen einkommensmindernd zu berücksichtigen sind (vgl. B. Meyer, Finanz-Rundschau 1993, 181, 184; Jaser/Wacker, Die neue Eigenheimbesteuerung, 6. Aufl., S. 156; wohl auch Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 10e Rz. 133; Blümich/ Erhard, a.a.O., § 10e EStG Rz. 622).



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