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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.11.2008
Aktenzeichen: IX R 23/05
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 12 S. 1
EStG § 10e Abs. 5 S. 3 Hs. 2
EStG § 21 Abs. 2 S. 1 Alt. 1
EStG § 52 Abs. 21 S. 2
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger und seine mit ihm bis einschließlich 1990 zur Einkommensteuer zusammen veranlagte, nunmehr von ihm geschiedene Ehefrau waren je zur Hälfte Miteigentümer eines im Jahre 1980 aufgrund ihres Erbbaurechts errichteten Zweifamilienhauses, in dem sie eine Wohnung selbst bewohnten und die andere vermietet hatten. Im Jahr 1987 übertrug die damalige Ehefrau dem Kläger ihren hälftigen Anteil an dem Erbbaurecht. Seit Mai 1990 lebten die Eheleute dauernd getrennt.

Bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nach der großen Übergangsregelung (§ 52 Abs. 21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes a.F.) den Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung ab dem Veranlagungszeitraum 1988 nur zur Hälfte und berücksichtigte dementsprechend auch die auf die selbstgenutzte Wohnung entfallenden Werbungskosten nur mit dem halben Betrag. Hiergegen wandte sich der Kläger und begehrte für das Jahr 1988 die Zurechnung des vollen Nutzungswerts. Er hatte vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Erfolg. Nach dem Urteil vom 22. April 1997 IX R 73/94 (BFH/NV 1997, 653) hatte der Kläger sowohl im Jahr 1986 wie auch im Jahr 1988 die Voraussetzungen der großen Übergangsregelung erfüllt, weil er in beiden Jahren gemeinsam mit seiner Ehefrau die tatsächliche Sachherrschaft in Form des Mitbesitzes an der selbstgenutzten Wohnung in vollem Umfang ausgeübt und die fiktiven Einkünfte in Form des Nutzungswerts erwirtschaftet habe.

Im Rahmen der daraufhin durchgeführten Änderungsveranlagungen für die Jahre 1988 bis 1993 rechnete das FA dem Kläger den vollen Nutzungswert der Wohnung zu. Ferner teilte es ihm unter dem 12. September 1997 mit, "... die entsprechenden Folgerungen im Hinblick auf die vorläufigen Einkommensteuerfestsetzungen 1992, 1994 sowie 1995 zu ziehen".

Für die Streitjahre (1994 bis 1996) revidierte das FA mit Anhörungsschreiben vom Oktober 1997 seine Rechtsauffassung und berücksichtigte den Nutzungswert und dementsprechend die Aufwendungen in Bezug auf die selbstgenutzte Wohnung in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre vom 26. Januar 1998 und 7. Mai 1998 nur zur Hälfte.

Hiergegen richtete sich nach erfolglosem Einspruch die Klage, mit der die Kläger geltend machten, dem Kläger sei der volle Nutzungswert der Wohnung zuzurechnen. Jedenfalls habe sich das FA durch das Schreiben vom 12. September 1997 nach dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechend gebunden. Überdies habe er einen Anspruch darauf, entsprechend der Rechtslage bei den Abgeordneten des Bundestages ein Drittel seiner Einnahmen als Werbungskosten zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1941 veröffentlichten Gründen ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung materiellen Rechts stützen. Ein Ansatz des vollen Nutzungswerts ergebe sich aus § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (EStG). Dies gebiete auch der besondere Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der volle Nutzungswert und damit die gesamten Aufwendungen seien auch aus Vertrauensschutzgründen zu berücksichtigen. Schließlich habe der Kläger aus Art. 3 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf, dass seine Aufwendungen wie bei Abgeordneten zu einem Drittel der Einnahmen abgezogen werden.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidungen des FA vom 17. April 1998 und vom 5. Oktober 1998 aufzuheben und die Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1996 unter Anrechnung weiterer Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 16 642 DM (1994), 18 126 DM (1995) und 24 094 DM (1996) sowie der Berücksichtigung von pauschal einem Drittel der Einnahmen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit für die Jahre 1994 bis 1996 anstelle der tatsächlich anerkannten Werbungskosten neu festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, die Revision sei in Bezug auf die Anwendbarkeit der großen Übergangsregelung bereits als unzulässig zu verwerfen, weil der BFH die Zulassung auf einen Teil der Vorentscheidung beschränkt habe.

Der Senat hat im Einverständnis mit dem Beteiligten das Verfahren durch Beschluss vom 15. Juni 2007 bis zum Abschluss des beim VI. Senat des BFH anhängigen Revisionsverfahrens VI R 81/04 ruhen lassen und das Verfahren durch Beschluss vom 28. Oktober 2008 wieder aufgenommen, nachdem der BFH durch Urteil vom 11. September 2008 in der Sache VI R 81/04 entschieden hatte.

II.

1.

Die Revision ist entgegen der Auffassung des FA nicht hinsichtlich der Anwendbarkeit der großen Übergangsregelung bereits als unzulässig zu verwerfen. Unbeschadet des Umstandes, dass die Zulassung nur auf einen selbständigen und abtrennbaren Teil des Rechtsstreits (z.B. bei objektiver Klagehäufung oder Klagenverbindung) beschränkt werden kann (vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 128, m.w.N. aus der Rechtsprechung) und die Einkünfte aus der selbstgenutzten Wohnung als Besteuerungsgrundlage im Rahmen der Steuerfestsetzung des jeweiligen Streitjahres einen solchen Teil nicht bilden, hat der erkennende Senat die Revision ohne Beschränkung zugelassen. Unerheblich ist, dass er in den Gründen des Zulassungsbeschlusses einen Zulassungsgrund in Bezug auf die Anwendbarkeit der großen Übergangsregelung nicht als gegeben ansah.

2.

Die Revision ist unbegründet.

a)

Das FG hat zutreffend den Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung nur zur Hälfte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Klägers berücksichtigt.

aa)

Nach § 52 Abs. 21 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1, Alternative 1 EStG kann für Veranlagungszeiträume nach 1986 bei einer Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung weiter durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 für diese Wohnung die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuss des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben. Diese Voraussetzungen müssen sowohl im Jahr 1986 als auch in den jeweiligen Folgejahren (hier in den Streitjahren) erfüllt sein.

Bei Miteigentümern sind fiktive Einkünfte in Form des Nutzungswerts entsprechend dem Umfang ihrer tatsächlichen Nutzung und nicht nach davon abweichenden Eigentumsverhältnissen zuzurechnen. So erwirtschaften Ehegatten diese Einkünfte gemeinschaftlich, wenn sie gemeinsam eine eigene Wohnung nutzen, wobei es nicht darauf ankommt, ob im Jahr 1986 und/oder in den Folgejahren beide Ehegatten Eigentümer dieser Wohnung sind oder ob nur ein Ehegatte als Alleineigentümer das Merkmal "eigen" i.S. des § 21 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 EStG erfüllt. Das gilt aber nur, wenn beide Eheleute die tatsächliche Sachherrschaft in Form des (Mit-)Besitzes an der selbstgenutzten Wohnung unverändert in vollem Umfang gemeinsam ausüben (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 653, m.w.N. aus der Rechtsprechung und zum Zweck der Übergangsregelung).

An dieser gemeinsamen Nutzung fehlt es, wenn die inzwischen geschiedenen Eheleute im Folgejahr getrennt leben. Nutzt im Folgejahr deshalb nur einer der Eheleute die Wohnung allein, so kann er die Nutzungswertbesteuerung nach der großen Übergangsregelung nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil an dieser Wohnung im Jahre 1986 fortführen. Der nach dem Jahr 1986 hinzuerworbene Anteil des Ehepartners bleibt unberücksichtigt (eingehend dazu BFH-Urteil vom 17. Dezember 2002 IX R 11/99, BFH/NV 2003, 748, m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben hat es das FG zutreffend abgelehnt, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in vollem Umfange zu berücksichtigen. Denn der Kläger lebt seit dem Jahr 1990 von seiner inzwischen geschiedenen Ehefrau getrennt, so dass es in den Streitjahren --den Folgejahren-- an einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung fehlt. Kommt es deshalb darauf an, in welchem Umfang der Kläger im Jahr 1986 an der Wohnung beteiligt war, so kann der Kläger die große Übergangsregelung nur zur Hälfte fortführen.

Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG ist durch diese Auslegung nicht betroffen. Denn wie das FG zutreffend darlegt, steht der Kläger als Ehepartner nicht schlechter als er stünde, wenn er den Miteigentumsanteil nach dem Jahr 1986 von einem Dritten erworben hätte. Gäbe dieser in der Folgezeit den Mitbesitz an der Wohnung auf, käme es auch in dieser Fallkonstellation auf den Anteil des Klägers im Jahre 1986 an. Es besteht kein aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ableitbarer Anspruch geschiedener Ehegatten, mit Ehegatten gleichbehandelt zu werden, deren Ehe fortbesteht (ständige Rechtsprechung, vgl. im Zusammenhang mit dem Streitfall z.B. BFH-Beschluss vom 12. September 2003 III B 153/02, BFH/NV 2004, 162, m.w.N.). Wenn demgegenüber § 10e Abs. 5 Satz 3, 2. Halbsatz EStG auch geschiedene Ehegatten privilegiert, handelt es sich --auch darin ist der Vorentscheidung beizupflichten-- um eine auf die Nutzungswertbesteuerung nicht übertragbare Sondervorschrift (siehe auch BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 748, m.w.N.).

bb)

Der Ansatz der vollen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ergibt sich auch nicht aus Treu und Glauben. Das Schreiben des FA vom 12. September 1997 bindet für die Streitjahre nicht als Zusage. Unabhängig davon, ob das FA in diesem Schreiben die Fortführung der Nutzungswertbesteuerung in vollem Umfang dem Grunde nach anerkannt hat, kann es eine verbindliche Zusage im Hinblick auf die Besteuerung für die Streitjahre schon deshalb nicht erteilt haben, weil die dafür in Frage kommende Erklärung erst im September 1997 abgegeben wurde, eine Zusage sich aber nur auf die Behandlung eines in Zukunft zu verwirklichenden Sachverhalts beziehen kann. Die Bindungswirkung einer Zusage setzt nämlich voraus, dass der Steuerpflichtige auf die Erklärung der Behörde vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 22. Juli 2008 IX R 74/06, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2008, 1908, unter II. 2. a, m.w.N.). Auch eine tatsächliche Verständigung kommt nicht in Betracht. Denn eine solche Verständigung --läge sie vor-- bindet nur, wenn sie sich nicht --wie hier in Gestalt der Auslegung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG-- auf Rechts-, sondern auf Sachverhaltsfragen bezieht und die Sachverhaltsermittlung erschwert ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1908, unter II. 2. b, m.w.N.).

b)

Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass pauschal ein Drittel seiner Einnahmen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Der Kläger kann sich auch nicht auf § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG berufen. Er gehört als Angestellter nicht zu den durch diese Vorschrift Begünstigten. Bei der Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nicht auf die Gültigkeit von § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG und auch damit nicht darauf an, ob die dort geregelte steuerfreie Kostenpauschale nach Auffassung der Kläger in verfassungswidriger Weise Bundestagsabgeordnete gleichheitswidrig begünstigt. Der Kläger gehört nicht zu einer Gruppe von Steuerpflichtigen, die im Hinblick auf den Zweck der steuerfreien Kostenpauschale mit den Bundestagsabgeordneten vergleichbar ist. Der Senat folgt insoweit den Urteilen des VI. Senats des BFH vom 11. September 2008 VI R 13/06 (BStBl II 2008, 928) und VI R 81/04 (nicht veröffentlicht, [...]), auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist.

Ende der Entscheidung

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