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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.10.2002
Aktenzeichen: IX R 24/01
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 56
FGO § 56 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 2 Satz 2
FGO § 120 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz
FGO § 155
ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1201 veröffentlichten Urteil abgewiesen.

Auf die Beschwerde der Kläger hin ließ der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom ... die Revision zu. Dieser Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 14. Mai 2001 zugestellt. Nachdem der Senatsvorsitzende am 29. Juni 2001 (dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 4. Juli 2001) unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Revision bisher nicht begründet worden sei, beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trugen sie vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe am 13. Juni 2001 einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Revisionsbegründung gestellt und diesen um 22 Uhr persönlich in einen Nachtbriefkasten der Deutschen Post AG in X eingeworfen. Zwar sei die Absendung des Antrags nicht in das Postausgangsbuch seiner Kanzlei eingetragen worden, das fast ausschließlich seine Mitarbeiter führten. Allerdings habe der Prozessbevollmächtigte der Kläger diese Absendung statt dessen am 14. Juni 2001 persönlich auf der Aktenausfertigung vermerkt. Er habe dies für beweiskräftig genug gehalten. Aufgrund der Postlaufzeiten sei er davon ausgegangen, dass der Antrag fristgerecht beim BFH eingehen werde. Offensichtlich sei der Antrag aber auf dem Postweg verloren gegangen.

Die Kläger beantragen, wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, das Urteil des FG aufzuheben, unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1988 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung die Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen und die Einkommensteuer für die Streitjahre entsprechend festzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO).

1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Dies ist im Streitfall nicht geschehen. Die Frist zur Begründung der Revision endete am 15. Juni 2001. Die Kläger haben die Revisionsbegründung am 16. Juli 2001 und damit verspätet eingereicht.

2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann nicht gewährt werden. Die Kläger waren an der Wahrung der Frist nicht unverschuldet verhindert. Sie müssen sich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechen lassen (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 FGO).

a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der unverschuldet verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Ist ungeklärt, weswegen ein fristwahrender Schriftsatz nicht bei Gericht eingegangen ist, müssen der Tatsachenvortrag und die entsprechende Glaubhaftmachung eine Grundlage dafür bieten, die rechtzeitige Absendung des Schriftsatzes als überwiegend wahrscheinlich anzusehen (u.a. BFH-Urteil vom 20. Juli 1983 II R 211/81, BFHE 139, 15, BStBl II 1983, 681). Es bedarf dazu nicht nur der schlüssigen Schilderung, welche Person, zu welcher Zeit, in welcher Weise den Brief aufgegeben hat (BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 1996 I R 13/96, BFH/NV 1997, 120; vom 26. November 1993 VIII R 53/93, BFH/NV 1994, 644; vom 24. Juli 1989 III R 83/88, BFH/NV 1990, 248), sondern auch der Glaubhaftmachung, d.h. der Vorlage präsenter objektiver Beweismittel, die mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf die Richtigkeit des Vorgetragenen zulassen, insbesondere des Postausgangsbuches (BFH-Beschlüsse vom 4. November 1999 X B 81/99, BFH/NV 2000, 546; vom 7. Februar 1997 III B 146/96, BFH/NV 1997, 674; vom 17. September 1993 IV R 35/93, BFH/NV 1994, 328). Wird dieses nicht vorgelegt, fehlt es regelmäßig an der erforderlichen Glaubhaftmachung (u.a. BFH-Urteile vom 13. Dezember 2001 X R 42/01, BFH/NV 2002, 533; vom 25. April 1995 VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002, m.w.N.).

Eine anwaltliche Versicherung allein reicht für die Glaubhaftmachung selbst dann nicht aus, wenn der Bevollmächtigte darlegt, er selbst habe das fristwahrende Schriftstück zur Post gegeben (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2000, 546; in BFH/NV 1995, 1002).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze haben die Kläger nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist durch den Prozessbevollmächtigten am 13. Juni 2001 abgesandt worden ist. Der in Kopie vorgelegte Absendevermerk des Prozessbevollmächtigten der Kläger auf der Aktenausfertigung reicht als anwaltliche Versicherung zur Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung des Antrags auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist nicht aus. Es fehlt nach dem eigenen Vortrag der Kläger die Eintragung im Postausgangsbuch des Prozessbevollmächtigten, was --wie dargelegt-- erforderlich gewesen wäre. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten, der hinsichtlich der Beweiskraft des Absendevermerks auf der Aktenausfertigung des Antrags auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist von einer falschen Rechtsauffassung ausgegangen ist, müssen sich die Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO zurechnen lassen.

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