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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.11.2005
Aktenzeichen: IX R 3/04
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 2 | |
EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) schlossen im Jahre 1994 einen notariellen Vertrag über den Erwerb einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung, die sie zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzen wollten.
In der Folgezeit kam es zwischen den Klägern und dem Bauträger zu Differenzen. Der Bauträger verlangte Abnahme und Zahlung des Kaufpreises. Die Kläger machten geltend, dass er seine vertraglichen Leistungen nicht vollständig und im Übrigen mangelhaft erbracht habe. Sie setzten ihm für die vertragsgemäße Erfüllung eine Frist mit Ablehnungsandrohung und erhoben --nachdem diese fruchtlos abgelaufen war-- vor dem Landgericht Klage auf Feststellung, dass der Bauträger nicht berechtigt sei, aus der notariellen Urkunde Zahlungsansprüche geltend zu machen.
Nachdem die Klage in der ersten Instanz ohne Erfolg geblieben war, schlossen die Kläger im Berufungsverfahren auf Anraten des Gerichts einen Vergleich, in dem der Vertrag wegen des Rücktritts der Kläger aufgehoben wurde und diese an den Bauträger 60 000 DM zu zahlen hatten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die von den Klägern im Streitjahr (1999) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten 66 692 DM (Vergleichszahlung 60 000 DM; Rechtsverfolgungskosten 6 692 DM) nicht zum Abzug zu.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 719 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Streitjahres weitere Werbungskosten in Höhe von 34 099,08 € (entsprechend 66 692 DM) zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat zu Unrecht den Werbungskostenabzug versagt, weil die Aufwendungen nach Aufgabe der Einkünfteerzielung entstanden seien.
1. Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie können schon anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Dieser ist gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst hat. Führen solche Aufwendungen nicht zum beabsichtigten Erfolg, bleibt hiervon ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten unberührt. Maßgebend ist, ob die vergeblichen Aufwendungen im Falle ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stünden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. März 1997 IX R 29/93, BFHE 183, 75, BStBl II 1997, 610, m.w.N.).
2. Auch nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht können vorab entstandene vergebliche Werbungskosten weiter abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sie --nachdem er das Scheitern seiner Investition erkannt hat-- tätigt, um sich aus der vertraglichen Verbindung zu lösen und so die Höhe der vergeblich aufgewendeten Kosten zu begrenzen (BFH-Beschluss vom 5. November 2001 IX B 92/01, BFHE 197, 139, BStBl II 2002, 144; vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Januar 2003 IX R 74/00, BFH/NV 2003, 752, unter II. 3.). Der durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete Veranlassungszusammenhang wirkt fort, solange er nicht durch eine der Vermögenssphäre zuzuweisende neue Veranlassung (z.B. dem Zusammenhang mit einem nicht steuerbaren Veräußerungsverlust) überlagert wird (Kreft in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 9 EStG Anm. 163; Spindler, Die Steuerberatung 2001, 49, 55; vgl. dazu auch Valentin, EFG 2004, 720, 721).
3. Prozesskosten teilen als Folgekosten die einkommensteuerrechtliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren (z.B. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1983 VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314; vom 21. Juli 1992 IX R 72/90, BFHE 169, 317, BStBl II 1993, 486; vom 17. Mai 2000 X R 13/97, BFHE 192, 463, BStBl II 2000, 665, unter II. 1. e).
4. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
a) Die strittigen Aufwendungen sind dem Grunde nach als vorab entstandene vergebliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Die Kläger haben sie getätigt, um die gescheiterte Investition zu beenden. Ein die ursprüngliche Veranlassung überlagernder neuer Zusammenhang ist vom FG weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
b) Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine näheren Feststellungen zur Höhe der bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzusetzenden Werbungskosten getroffen. Dies muss es nachholen.
Ende der Entscheidung
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