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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: IX R 31/02
Rechtsgebiete: HGB, EStG


Vorschriften:

HGB § 255
HGB § 255 Abs. 1
EStG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Die Klägerin erwarb im Mai 1994 von ihrer Mutter (teil-)entgeltlich ein mit einem Haus bebautes Grundstück. Besitz, Nutzen und Lasten waren bereits zum 1. Dezember 1993 auf die Klägerin übergegangen. Schon im Jahr 1993 (Streitjahr) begann die Klägerin damit, das Haus zu renovieren. Ab April 1994 vermietete sie es.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin Erhaltungsaufwendungen von insgesamt 34 962,02 DM als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend. Für die Berechnung der Absetzung für Abnutzung (AfA) ermittelte sie Anschaffungskosten von 178 194 DM. In der Einkommensteuererklärung für 1994 begehrte sie den Abzug weiterer Erhaltungsaufwendungen von 47 108,76 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dies ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, zwar seien die Aufwendungen der Klägerin im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen. Es lägen indes wegen der im Verhältnis zu den Anschaffungskosten hohen Renovierungsaufwendungen (insgesamt 82 070,78 DM) keine abziehbaren Werbungskosten, sondern anschaffungsnahe Herstellungskosten vor.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung materiellen Rechts (§ 255 des Handelsgesetzbuches --HGB--) stützen.

Sie beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 35 470,02 DM bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung neu festzusetzen.

Das FA hat keinen Antrag gestellt.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht den Abzug der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) mit Rücksicht darauf versagt, dass die Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis hoch waren und in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb standen. Die Feststellungen des FG erlauben jedoch keine Entscheidung darüber, ob die streitigen Aufwendungen Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB sind.

1. Aufwendungen, die --wie das FG im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 2000 IX R 6/96 (BFH/NV 2001, 24) zutreffend herausstellt-- durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt, und zwar auch --wie hier-- bei teilentgeltlichem Erwerb. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nach § 255 HGB (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74). Die streitigen Aufwendungen sind nicht allein deshalb als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu werten, weil sie im Vergleich zum Kaufpreis hoch sind und in zeitlichem Zusammenhang mit der Anschaffung des Grundstücks stehen (vgl. im Einzelnen BFH in BFHE 198, 74, zu II. 3. b).

Nach den Feststellungen des FG sind die Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung des Hauses durch die Klägerin (Vermietung ab April 1994) durchgeführt worden. In diesem Fall stellt sich lediglich die Frage, ob die Aufwendungen Anschaffungskosten oder sofort abziehbare vorab entstandene Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 EStG sind. Herstellungskosten scheiden in diesem Fall aus (vgl. BFH-Urteile vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFHE 198, 85, zu II. 2. b aa, und vom 20. August 2002 IX R 43/00, BFH/NV 2003, 34).

2. Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.

a) Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: Wohngebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß nutzen zu können (vgl. dazu im Einzelnen BFH in BFHE 198, 85, zu II. 2. b aa).

Soll das Gebäude --wie hier-- zu Wohnzwecken genutzt werden, dann gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard die Wohnungen entsprechen sollen (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes, deren Schwerpunkt nicht die Reparatur und Ersetzung des Vorhandenen, sondern die funktionserweiternde Ergänzung wesentlicher Bereiche der Wohnungsausstattung (Heizung, Sanitär-, Elektroinstallation und Fenster) zum Gegenstand haben, können den Standard eines Gebäudes erhöhen. Voraussetzung ist jedoch ferner, dass das Nutzungspotential bei mindestens drei dieser Bereiche deutlich erhöht wird. Ist das der Fall, ist eine Standarderhöhung anzunehmen; die Aufwendungen für diese und die damit bautechnisch zusammenhängenden Baumaßnahmen sind Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB (vgl. im Einzelnen BFH in BFHE 198, 85).

b) Nach diesen Maßstäben vermag der Senat nicht zu entscheiden, in welchem Umfang die streitigen Aufwendungen als Anschaffungskosten oder als sofort abziehbare Werbungskosten zu behandeln sind. Denn es fehlen bereits jegliche Feststellungen des FG über die Art der den geltend gemachten Aufwendungen zugrunde liegenden Baumaßnahmen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht an das FG zurück um zu klären, welche Renovierungsmaßnahmen durchgeführt wurden und ob diese den Standard des Gebäudes erhöht haben.

Ende der Entscheidung

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