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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: IX R 33/03
Rechtsgebiete: FördG, AO 1977, MaBV
Vorschriften:
FördG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 1993 § 1 | |
FördG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 1993 § 2 | |
FördG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 1993 § 3 | |
FördG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 1993 § 4 | |
FördG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 1993 § 4 Abs. 1 | |
FördG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 1993 § 4 Abs. 2 | |
AO 1977 § 42 | |
MaBV § 3 Abs. 2 | |
MaBV § 7 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Oktober des Streitjahres (1994) zusammen mit seiner --inzwischen verstorbenen-- Mutter zu je 1/2 ein Grundstück in Sachsen-Anhalt, auf dem der Grundstücksverkäufer, eine GmbH, für den Kläger ein Alten- und Pflegeheim errichten sollte. Der Kaufpreis betrug 28 526 851 DM und war am 1. November 1994 fällig, Zug um Zug gegen Gestellung einer Bankbürgschaft.
Das Objekt sollte bis spätestens am 30. Juni 1996 übergeben werden. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war der Grundstücksverkäufer noch nicht Eigentümer des Grundstücks; er erwarb es von der verfügungsberechtigten Gemeinde am 21. Dezember 1994. Bereits im September 1993 hatte der Veräußerer über die Gemeinde einen Bauvorbescheid für den Neubau eines Altenpflegeheims und von altengerechten Wohnungen beantragt und auch erhalten. Im Zeitpunkt des Kaufvertrages mit dem Kläger waren die Baugenehmigungen für das Objekt noch nicht erteilt, jedoch bereits beantragt. Der Verkäufer stand in konkreten Verhandlungen mit einem Generalunternehmer und hatte bereits Aufträge über weitere Planungsleistungen erteilt. Überdies bestanden schon Pachtverträge mit der Arbeiterwohlfahrt.
Der Kläger und seine Mutter entrichteten den Kaufpreis am 30. Dezember 1994. Im März 1995 begannen die Abbruch-, Erd- und Rodungsarbeiten. Die Baugenehmigungen wurden bis zum Mai 1995 erteilt. Das Objekt wurde im September 1996 dem Kläger übergeben, auf den inzwischen der Anteil seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergegangen war.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte es im Zuge einer Außenprüfung ab, die vom Kläger im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr beantragten Sonderabschreibungen (ausgehend von einer insoweit unstreitigen AfA-Bemessungsgrundlage in Höhe von 26 424 247,61 DM) nach § 4 Abs. 2 des Fördergebietsgesetzes i.d.F. des Streitjahres (FördG) in voller Höhe zu berücksichtigen. Im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 29. März 1993 IV B 3 -S 1988- 28/93 (BStBl I 1993, 279) könnten Sonderabschreibungen auf Anzahlungen nur insoweit gewährt werden, als der geplante Herstellungsaufwand im Jahr der Anzahlung und im Folgejahr anfalle. Das seien im Streitfall nur 70 v.H. der Bemessungsgrundlage gewesen (geplanter Fertigstellungsgrad zum 31. Dezember 1995).
Die Klage hatte Erfolg. Mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1185 veröffentlichtem Urteil gewährte das Finanzgericht (FG) die beantragten Sonderabschreibungen auf Anzahlungen in vollem Umfang: Die gesetzlichen Voraussetzungen der Sonderabschreibungen auf Anzahlungen lägen vor. Das Gesetz mache deren Gewähr nicht vom Baufortschritt abhängig. Eine derartige Voraussetzung folge auch nicht aus § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 FördG könnten nur in Höhe von 50 v.H. der bis Ende 1995 nach § 3 Abs. 2 der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. November 1990 (BGBl I, 2479) zu zahlenden Beträge berücksichtigt werden. Ein höherer Betrag bedeute eine willkürliche Zahlung und sei damit als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zu werten.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat den Anspruch des Klägers auf Sonderabschreibungen mit zutreffenden Erwägungen bejaht.
1. Nach § 4 Abs. 2 FördG können Sonderabschreibungen nach Abs. 1 bereits für Anzahlungen auf Anschaffungskosten gewährt werden. Diese Vorschrift ist kein selbständiger Begünstigungstatbestand, sondern regelt lediglich die Bemessungsgrundlage für Sonderabschreibungen. Sie setzt in allen Fällen die Erfüllung der Tatbestände der §§ 1 bis 3 FördG und damit zugleich voraus, dass das betreffende Wirtschaftsgut auch angeschafft wurde (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juni 2002 IX R 51/01, BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758). Mit der Begünstigung wollte der Gesetzgeber dem Investor ganz bewusst ermöglichen, Sonderabschreibungen bereits vor Abschluss der Investitionen in Anspruch nehmen zu können (so BTDrucks 12/219, S. 40 zu Art. 5 --Gesetz über Sonderabschreibungen im Fördergebiet-- § 3).
Anzahlungen auf Anschaffungskosten sind Vorleistungen auf ein zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehendes Anschaffungsgeschäft (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758, und vom 26. Juni 2003 III R 16/01, BFHE 203, 283, BStBl II 2004, 22, m.w.N. aus der Rechtsprechung), und zwar auch dann, wenn sie in Höhe des geschuldeten Kaufpreises erbracht werden (so auch Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 4 FördG Rz. 8 a; BMF-Schreiben in BStBl I 1993, 279, 280, Tz. 8 Satz 2; vgl. zum zivilrechtlichen Begriff der Vorausleistungen Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., § 362 Rz. 10, m.w.N.).
Diese gesetzlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Sonderabschreibungen sind nach den Feststellungen des FG im Streitfall gegeben. Eine (weitere) Einschränkung enthält das Gesetz --wie die Vorentscheidung zutreffend ausführt-- nicht (so BFH-Beschluss vom 16. Juli 2003 IX B 60/03, BFH/NV 2003, 1461).
2. Das FG hat zu Recht die Voraussetzungen des § 42 Satz 1 AO 1977 verneint.
Danach darf durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden.
a) Der BFH hat die Vorauszahlung eines Damnums als willkürlich und damit als missbräuchlich angesehen, wenn sie von keinerlei sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen war (BFH-Urteil vom 3. Februar 1987 IX R 85/85, BFHE 149, 213, BStBl II 1987, 492, unter 3.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf die hier streitigen Anzahlungen übertragen werden; denn das Gesetz selbst begünstigt in § 4 Abs. 2 FördG Anzahlungen auf Anschaffungskosten und will damit die Liquidität des Investors durch eine zeitlich vorgezogene Förderung im Zeitpunkt des Geldabflusses stärken (vgl. dazu BFH in BFHE 203, 283, BStBl II 2004, 22, zu vergleichbaren Regelungen im Investitionszulagengesetz; Breuninger/Prinz, Finanz-Rundschau --FR-- 1993, 350, 351 f.; kritisch zur Willkürprüfung schlechthin Fleischmann/Meyer-Scharenberg, Der Betrieb --DB-- 1997, 395, 398; Fleischmann in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 7a EStG Anm. 43, m.w.N.).
b) Die Anzahlung ist im Übrigen nicht schon insoweit willkürlich, als sie die Teilbeträge übersteigt, die nach § 3 Abs. 2 MaBV fällig geworden wären. Zutreffend ist das FG der Argumentation des FA aufgrund des Schreibens des BMF in BStBl I 1993, 279 ff. (Tz. 8, Beispiel; vgl. auch R 45 Abs. 5 Sätze 8 und 9 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1994 und 2002) nicht gefolgt (wie das BMF, Blümich/Stuhrmann, a.a.O., § 4 FördG Rz. 8 a bis 10; Best/Mergener, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1996, 1833 ff.; vgl. auch Zitzmann, DB 1997, 1001, 1003; a.A. Blümich/Brandis, a.a.O., § 7a EStG Rz. 43, m.w.N).
Zwar ist die MaBV anzuwenden, wenn --wie hier-- der Grundstücksverkäufer das Bauvorhaben schlüsselfertig unter Einsatz von Vermögenswerten des Erwerbers als Bauträger i.S. von § 34c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Gewerbeordnung (GewO) errichtet (§ 1 Satz 1 MaBV). Indes darf er abweichend von § 3 Abs. 2 MaBV Anzahlungen nicht nur nach Baufortschritt entgegennehmen, sondern die volle Vertragssumme vereinnahmen, sofern er Sicherheit für alle etwaigen Ansprüche des Auftraggebers auf Rückgewähr oder Auszahlung seiner Vermögenswerte geleistet hat (§ 7 Abs. 1 MaBV). Das ist nach den Feststellungen des FG der Fall; denn der Kläger hatte die Vorauszahlung gegen Gestellung einer Bankbürgschaft gezahlt. Die Zahlungsweise des Klägers ist mithin rechtlich möglich und deshalb nicht von vornherein missbräuchlich. Es müssen zusätzliche Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Gestalten gegeben sein (so BFH in BFH/NV 2003, 1461).
c) Das FG hat indes keine zusätzlichen Anhaltspunkte für eine willkürliche Zahlung feststellen können; vielmehr konnten die Vertragsbeteiligten von einer alsbaldigen Verwirklichung des Bauvorhabens ausgehen, das in der Tat bereits im Sommer 1996 und damit vertragsgemäß übergeben wurde. In der Vorauszahlung auf die Anschaffungskosten im Streitjahr liegt mithin kein rechtsmissbräuchliches Gestalten.
Ende der Entscheidung
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