Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: IX R 34/04
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1 Nr. 4
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 5
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 6
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 8 Abs. 1
EStG § 11 Abs. 1
EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 1378
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Überlassung eines Grundstücks zur Nutzung durch den geschiedenen Ehegatten, um dadurch dessen Zugewinnausgleichsforderung zu erfüllen, entgeltlich oder unentgeltlich ist.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines gemischt genutzten Grundstücks, das seine von ihm geschiedene Ehefrau aufgrund einer Scheidungsvereinbarung ab dem Jahr 1994 für einen Zeitraum von acht Jahren nutzte. In der Scheidungsvereinbarung gingen die Eheleute von einem Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau in Höhe von 156 954 DM aus, der "nicht in Geld, sondern durch die zeitlich begrenzte, unentgeltliche Nutzungsüberlassung bezüglich des" dem Kläger "gehörenden Grundbesitzes erfüllt werden" sollte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging von einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung aus und erfasste im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1998) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und zwar nach Abzug von insoweit nicht mehr streitigen Werbungskosten (4 322 DM) in Höhe von 15 297 DM.

Die Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 280 veröffentlichten Urteil die Auffassung, die ehemalige Ehefrau nutze das Anwesen nicht aufgrund eines Mietvertrages, sondern im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung ähnlich wie eine Unterhaltsberechtigte unentgeltlich.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG verletzt § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, indem es von einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung ausgeht.

1. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, denn er überließ seiner früheren Ehefrau sein Grundstück zur Nutzung, um damit deren Zugewinnausgleichsforderung abzugelten.

Einnahmen sind gemäß § 8 Abs. 1 EStG alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Die Vermögensmehrung muss durch eine der Einkunftsarten veranlasst sein. Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) gehören nicht nur die für die Überlassung eines Gegenstandes gezahlten Miet- oder Pachtzinsen, sondern auch alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Januar 2004 IX R 54/99, BFH/NV 2004, 1088, und vom 14. Dezember 1999 IX R 23/99, BFH/NV 2000, 831).

Wie einer Vermögensübertragung zur Abgeltung einer Ausgleichsforderung Entgeltcharakter zukommt (BFH-Urteile vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, und vom 15. Februar 1977 VIII R 175/74, BFHE 121, 340, BStBl II 1977, 389), so auch einer Überlassung zur Nutzung. Denn damit leistet der Steuerpflichtige nicht nur an Erfüllungs statt (so Tiedtke, Der Betrieb 2003, 1471 ff.), sondern erwirtschaftet zugleich am Markt Erträge, indem er den Nutzungswert des Grundstücks dazu einsetzt, seiner Verpflichtung auf Zugewinnausgleich nachzukommen. Er erfüllt auf die Dauer der Nutzungsüberlassung die gegen ihn gerichtete Ausgleichsforderung nach § 1378 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und erzielt mit der steten Verminderung seiner Schuld Einnahmen.

Dadurch unterscheidet sich der Fall von der Überlassung einer Wohnung aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung, wenn die geschiedenen Ehegatten insoweit eine Sachleistung (nach § 72 des früheren Ehegesetzes, vgl. nunmehr § 1585c BGB) vereinbaren (BFH-Urteil vom 17. März 1992 IX R 264/87, BFHE 168, 78, BStBl II 1992, 1009). Denn dort wird die Nutzungsüberlassung selbst als Unterhalt geschuldet, während sie im Streitfall geleistet wird, um eine andere Geldforderung damit zu begleichen. Der Senat tritt auch nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 8. Dezember 1992 IX R 68/89 (BFHE 170, 134, BStBl II 1993, 434); denn dort ging es um eine Regelung des Zugewinnausgleichs, die den Berechtigten an den Ergebnissen der Einkünfteerzielung --den Erträgnissen-- beteiligte, während es hier allein darum geht, ob der zum Ausgleich Verpflichtete durch die Nutzungsüberlassung überhaupt Einkünfte erzielt.

2. Weil die Vorentscheidung diesen Grundsätzen nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus folgerichtig-- noch nicht die Frage geprüft, in welcher Höhe die Einnahmen im Streitjahr anzusetzen sind. Zwar haben sich die Beteiligten im Klageverfahren über die Höhe der anzusetzenden Werbungskosten verständigt, nicht aber über die Einnahmen. Diese Feststellungen wird das FG in einer anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben. Dabei wird es davon auszugehen haben, dass die Einnahmen in der steten Verminderung der Zugewinnausgleichsforderung bestehen und deshalb nach § 11 Abs. 1 EStG in den Jahren der Nutzungsüberlassung pro rata temporis zufließen.

Ende der Entscheidung

Zurück