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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 01.06.2004
Aktenzeichen: IX R 35/01
Rechtsgebiete: GG, EStG
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
EStG § 15 Abs. 2 Satz 1 | |
EStG § 23 |
2. Für Streitjahre bis einschließlich 1993 bleibt § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG jedenfalls anwendbar, auch wenn das BVerfG diese Vorschrift, soweit sie Veräußerungsgeschäfte aus Wertpapieren betrifft, durch Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02 in der für 1997 und 1998 geltenden Fassung für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt hat.
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist von Beruf med.-techn. Assistent und als Handelsvertreter tätig. Er betrieb Wertpapiergeschäfte mit Aktien, Optionsscheinen und Investmentanteilen und erklärte zunächst für 1990 einen Spekulationsgewinn und für 1991 einen Spekulationsverlust, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 23 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre (1989, 1991 bis 1993) geltenden Fassung (EStG a.F.) unberücksichtigt ließ. Daraufhin machte der Kläger geltend, es handele sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb und erklärte anhand einer Einnahmen-Überschussrechnung für 1991 und 1992 Verluste sowie für 1993 einen Gewinn aus einem gewerblichen Wertpapierhandel. Das FA erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Änderungsbescheide für 1991 bis 1993, in denen es die erklärten Einkünfte aus dem Wertpapierhandel berücksichtigte. Ein Verlustrücktrag aus 1990 und 1991 führte außerdem zur Änderung des Einkommensteuerbescheids 1989.
Nach einer Außenprüfung, bei der der Kläger für den gewerblichen Wertpapierhandel Bilanzen eingereicht hatte, rechnete das FA in Übereinstimmung mit der Auffassung des Prüfers die Wertpapiergeschäfte des Klägers zur privaten Vermögensverwaltung und erließ entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der der Kläger im Wesentlichen geltend machte, die Wertpapiere hätten zum gewillkürten Betriebsvermögen seines Gewerbebetriebs (Handelsvertretung) gehört, wies das Finanzgericht (FG) ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 397).
Mit der Revision rügen die Kläger, aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91 (BVerfGE 99, 88) sei zu folgern, dass § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. verfassungswidrig sei. Für die Streitjahre müssten die allgemeinen Bestimmungen zum Verlustausgleich und Verlustabzug angewandt werden.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die geänderten Einkommensteuerbescheide 1989, 1991 bis 1993 vom 2. Januar und 14. Februar 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 1999 sowie den geänderten Einkommensteuerbescheid 1991 vom 28. Dezember 2000 dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der allgemeinen Regeln des Verlustausgleichs und Verlustabzugs herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen gewerblichen Wertpapierhandel betrieben hat und die Wertpapiere auch nicht zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörten. Es hat aber zu Unrecht bei der Anwendung des § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. den Beschluss des BVerfG zum Verlustausgleichsverbot des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. (BVerfGE 99, 88) unberücksichtigt gelassen.
1. Zu Recht hat das FG die Wertpapiergeschäfte des Klägers nicht als gewerblichen Wertpapierhandel beurteilt und die Wertpapiere auch nicht seinem gewillkürten Betriebsvermögen zugerechnet.
a) Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG). Zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist, dass die jeweilige Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 427 f., BStBl II 1984, 751, 762).
b) Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zur gewerblichen Betätigung nur in besonderen Fällen, nämlich wenn sich der Steuerpflichtige "wie ein Händler" verhalten hat (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1998 XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448; vom 20. Dezember 2000 X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, m.w.N.). Beweisanzeichen für eine solche Zuordnung sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen. Der An- und Verkauf von Wertpapieren kann ferner die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschreiten, wenn der Steuerpflichtige ohne Einsatz eigenen Vermögens mit beruflich erlangten Kenntnissen Kursdifferenzen ausnützt und sich "bankentypisch" verhält. Bei der rechtlichen Zuordnung anhand der vorgenannten Kriterien kann nicht isoliert auf einzelne Merkmale abgestellt werden; vielmehr ist das Gesamtbild entscheidend, wobei die einzelnen Beweisanzeichen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind (BFH-Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706).
c) Nach diesen Maßstäben ist die Beurteilung des FG, es habe kein gewerblicher Wertpapierhandel vorgelegen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat seine Würdigung ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und damit für den Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) auf folgende Feststellungen gestützt: Die Wertpapiergeschäfte des Klägers seien in seinem Auftrag über Banken abgewickelt worden. Er sei nur für sich, aber nicht für Dritte tätig geworden, habe keine eigene Büroorganisation eingeschaltet und über keine einschlägigen beruflichen Erfahrungen verfügt. Die Wertpapiergeschäfte seien auch nicht seiner gewerblichen Tätigkeit als Handelsvertreter zuzuordnen, weil sie branchenfremd und nicht von Anfang an als betrieblich behandelt worden seien. Die spätere Erstellung von eigenständigen Bilanzen für die Wertpapiergeschäfte anlässlich der Außenprüfung sei dahin zu verstehen, dass die Wertpapiergeschäfte gerade nicht der übrigen gewerblichen Tätigkeit zugeordnet werden sollten. Diese Würdigung des FG wird auch mit der Revision nicht angegriffen.
2. Jedoch hat das FG bei seiner Entscheidung den zu § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. ergangenen Beschluss des BVerfG (BVerfGE 99, 88) zu Unrecht außer Acht gelassen. Es hat nicht berücksichtigt, dass die Grundsätze dieses Beschlusses auf die Vorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. übertragbar sind.
a) Der Senat ist an einer Entscheidung nicht durch das Urteil des BVerfG vom 9. März 2004 2 BvL 17/02 (Der Betrieb --DB-- 2004, 628) gehindert, mit dem das BVerfG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für 1997 und 1998 geltenden Fassung für mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und nichtig erklärt hat, soweit er Veräußerungsgeschäfte aus Wertpapieren betrifft. Zwar ist davon auszugehen, dass in den Streitjahren 1989 bis 1993, über die in diesem Revisionsverfahren zu befinden ist, ein vergleichbares Vollzugsdefizit gegeben war, wie es das BVerfG für die Jahre 1997 und 1998 festgestellt hat. Jedoch ist diese Frage für den Ausgang dieses Revisionsverfahrens nicht entscheidungserheblich. Es ist nämlich ausgeschlossen, dass das BVerfG die Vorschrift des § 23 EStG, soweit sie Wertpapiergeschäfte betrifft, für die Streitjahre 1989 bis 1993 für nichtig erklären würde.
In seinem Urteil zur Zinsbesteuerung vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654) hat das BVerfG zwar in Bezug auf § 20 EStG ein mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbares Vollzugsdefizit festgestellt, die darauf gestützten Verfassungsbeschwerden aber gleichwohl zurückgewiesen, weil die verfassungsrechtliche Rechtslage bisher nicht erkannt worden sei und deshalb Anlass bestehe, das bisherige Recht noch für eine Übergangszeit hinzunehmen und dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, sich binnen einer angemessenen Frist auf die nunmehr geklärte verfassungsrechtliche Lage einzustellen. Der Gesetzgeber habe die Besteuerungsgleichheit spätestens mit Wirkung vom 1. Januar 1993 durch hinreichende gesetzliche Vorkehrungen für die Zukunft zu gewährleisten (BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C. II. 5. b der Gründe).
Diese Erwägungen gelten ebenso für das Vollzugsdefizit, welches das BVerfG nunmehr für § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG festgestellt hat. Auch insoweit war die Verfassungsrechtslage seinerzeit nicht erkannt worden. Die dem Gesetzgeber zuzubilligende Übergangszeit umfasst indes auch noch das Jahr 1993, weil die Frage des gleichheitswidrigen Vollzugsdefizits in der Fachwelt für die Vorschrift des § 20 EStG (vgl. die Nachweise in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C. II. 1. b dd der Gründe) deutlich früher aufgeworfen worden ist als für die Vorschrift des § 23 EStG (vgl. dazu die Nachweise im Urteil des BVerfG vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, unter A. I. 4. der Gründe).
b) Nach dem genannten Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 88 ist das Verlustausgleichsverbot des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. aus folgenden Gründen mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar:
Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Gestaltungsraum. Nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes aber hat er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen. Das Einkommensteuergesetz belastet die in § 2, §§ 13 ff. näher bestimmten Einkunftsarten grundsätzlich gleich. Soweit das Einkommensteuerrecht mehrere Einkunftsarten unterscheidet und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, müssen diese ihre Rechtfertigung in besonderen sachlichen Gründen finden. Allein die systematische Unterscheidung durch den Gesetzgeber kann die Ungleichbehandlung in den Rechtsfolgen nicht rechtfertigen.
Nach diesem Maßstab verstößt der völlige Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände durch § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Grundsätzlich genügt das Einkommensteuerrecht dem Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten insoweit, als es für alle Einkunftsarten den Ausgleich und Abzug von Verlusten vorsieht. Der Gesetzgeber erfasst sämtliche Einkunftsarten nach dem Nettoprinzip, das die durch Erwerbstätigkeit bedingten Aufwendungen zum Abzug zulässt, weil sie das disponible, für die Einkommensbesteuerung verfügbare Einkommen mindern. Das Einkommensteuergesetz verdeutlicht dieses Prinzip insoweit, als es einen Abzug von Erwerbsaufwendungen auch zulässt, wenn die Erwerbsaufwendungen nicht im Veranlagungszeitraum des Zugangs der Erwerbseinnahmen anfallen. Dies gilt --in eingeschränktem Maße-- grundsätzlich auch für die Einkünfte mit nur beschränkter Verlustverrechnung; auch dort sind meist Verrechnungen innerhalb der einzelnen Einkunftsarten zugelassen.
Im Rahmen dieses gesetzlichen Belastungssystems benachteiligt § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. Steuerpflichtige mit Einkünften aus laufender sonstiger Leistung, wenn Erwerbsaufwendungen und Erwerbseinnahmen in verschiedenen Veranlagungszeiträumen anfallen. Die Erwerbseinnahmen unterliegen dann in vollem Umfang der Einkommensbesteuerung, ohne dass die Erwerbsaufwendungen im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung oder in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Erwerbseinnahmen erfasst werden, Berücksichtigung fänden. Für diese Ungleichbehandlung sind keine rechtfertigenden Gründe ersichtlich.
Es ist nicht erkennbar, dass Einkünfte aus Leistungen typischerweise für unerwünschte Steuergestaltungen genutzt werden, die in einem stärkeren Maße eingedämmt werden müssten als bei den übrigen Einkünften.
Allerdings wäre der Gesetzgeber befugt, die Unschärfe des § 22 Nr. 3 EStG typisierend durch eine Begrenzung der Verlustverrechnung auszugleichen und dadurch die nicht auf Überschüsse angelegten Tätigkeiten verlässlich vom Tatbestand auszunehmen. Die in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. enthaltene Regelung genügt aber einer derart zulässigen Modifizierung nicht.
c) Diese Gründe des zu § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. ergangenen Beschlusses des BVerfG sind auf § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. übertragbar.
Beide Vorschriften sind zunächst systematisch dadurch verknüpft, dass sie jeweils "sonstige Einkünfte" i.S. der siebten Einkunftsart (§ 2 Abs. 1 Nr. 7, § 22 EStG) definieren. Sie beruhen auf gleichartigen historischen Wurzeln, und das Verlustausgleichs- und -abzugsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. ist in seinem Ausmaß ebenso wenig sachlich zu rechtfertigen wie dasjenige des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F.
aa) Dem vom BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 99, 88 hervorgehobenen, aus dem Nettoprinzip abzuleitenden Gebot, Erwerbsaufwendungen zum Abzug zuzulassen, hatte die Steuergesetzgebung ursprünglich auch für private Veräußerungsgeschäfte in vollem Umfang Rechnung getragen. Der Abzug von Veräußerungsverlusten wurde jedoch für diese Einkunftsart später nur bis zur Höhe der in demselben Jahr erzielten Veräußerungsgewinne zugelassen und erst ab 1999 wieder erweitert.
(1) Schon § 11 Satz 2 Buchst. d des Preußischen Einkommensteuergesetzes von 1891/1906 (vom 19. Juni 1906, Gesetzsammlung S. 259) erfasste --damals noch als Einkommen aus Kapitalvermögen-- nicht nur vereinnahmte Gewinne aus der zu Spekulationszwecken unternommenen Veräußerung von Wertpapieren, Forderungen u.a., sondern schrieb auch den Abzug von Verlusten aus derartigen Geschäften vor. Dieser Verlustabzug beschränkte sich nicht auf den Betrag der aus Spekulationsgeschäften erzielten Gewinne. Wenn solche Verluste nicht durch entsprechende Gewinne ausgeglichen werden konnten, waren sie vom Gesamteinkommen (d.h. den Erträgen aus sonstigen Einkunftsquellen) abzuziehen (Preußisches Oberverwaltungsgericht, Entscheidungen vom 6. Juni 1894 V.12/94, OVGSt 3, 51; vom 12. Juni 1902 XI.c.29/02, OVGSt 10, 76; Fuisting/Strutz, Die Preußischen direkten Steuern, Erster Band, 8. Aufl. 1915, § 11 Anm. 17 e).
Nach § 5, § 11 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes vom 29. März 1920 (RGBl 1920, 359 --EStG 1920--) gehörten durch einzelne Veräußerungsgeschäfte erzielte Gewinne --nunmehr als sonstige Einnahmen-- zum steuerbaren Einkommen. Nach § 13 Nr. 8 EStG 1920 waren bei einzelnen Veräußerungsgeschäften erlittene Verluste vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen (es sei denn, dass ein entsprechender Veräußerungsgewinn nicht steuerbar wäre). In der Gesetzesbegründung hieß es dazu: Wie Gewinne aus einzelnen Veräußerungsgeschäften steuerbares Einkommen bilden, so müssen natürlich auch die bei solchen Geschäften erlittenen Verluste im gleichen Umfang für abzugsfähig erklärt werden (Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 340, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1920, Nr. 1624, S. 48).
(2) Eine der Regelung in § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. vergleichbare Verlustabzugsbeschränkung wurde erstmals durch § 13 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1920 i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 24. März 1921 (RGBl, S. 313) eingeführt. Danach war nunmehr der Abzug von Verlusten aus einzelnen Veräußerungsgeschäften nur noch bis zur Höhe der in demselben Rechnungsjahr angesetzten Gewinne aus einzelnen Veräußerungsgeschäften gestattet. Im Gesetzgebungsverfahren wurde zur Begründung u.a. ausgeführt, die Spekulation sei "stark in die Halme geschossen", unter Berufung auf Spekulationsverluste ließen die Spekulanten Einkommen aus anderen Quellen verschwinden (Glaser, Das Einkommensteuergesetz vom 29. März 1920 in der Fassung der Novellen vom 24. März und 11. Juli 1921, Berlin 1922, S. 164).
An diese Regelung knüpfte § 42 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes vom 10. August 1925 (RGBl I, 189 --EStG 1925--) ausdrücklich an (Verhandlungen des Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 400, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1925, Nr. 795, S. 60). Danach durften Verluste aus sog. Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe der im gleichen Steuerabschnitt erzielten und der Besteuerung unterliegenden Veräußerungsgewinne abgezogen werden.
(3) § 23 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I, 1005 --EStG 1934--) übernahm diese Regelung. Zugleich wurde bei den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG eine entsprechende Abzugsbeschränkung für Werbungskostenüberschüsse neu eingeführt. Die sachliche Übereinstimmung der Abzugsbeschränkungen für Verluste bei diesen beiden Formen der sonstigen Einkünfte blieb auch nach der Neuregelung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402 --StEntlG 1999/2000/2002--) erhalten, das --zur Umsetzung des Beschlusses des BVerfG in BVerfGE 99, 88-- mit Wirkung ab 1999 einen eingeschränkten Verlustrücktrag- und -vortrag innerhalb der jeweiligen Einkünfte zugelassen hat.
bb) Nach Auffassung des Senats durchbricht das Verlustausgleichs- und -abzugsverbot in § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. das Nettoprinzip in einem Ausmaß, das nicht mehr sachlich zu rechtfertigen und nach den Maßstäben des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 99, 88 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist (im Ergebnis ebenso Hecht, Die Aktiengesellschaft 1975, 70, 75; ferner im Anschluss an den Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 88: Luttermann, Finanz-Rundschau --FR-- 1998, 1032 f.; Balmes, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 1047; Fröschl, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 795; J. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 9 Rz. 596; Bachem in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 23 Rz. 226; Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 23 EStG Anm. 324; vgl. auch P. Fischer in Kirchhof, EStG-KompaktKommentar, 3. Aufl. 2003, § 23 Rn. 23; a.A. Oberfinanzdirektion --OFD-- Düsseldorf, Verfügung vom 6. Juli 1999 S 2256 A - St 121, DB 1999, 1631; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 5. Oktober 2000 IV C 3 -S 2256- 263/00, BStBl I 2000, 1383, Tz. 43).
(1) Zur Rechtfertigung der Regelung wird geltend gemacht, sie isoliere das Verlustrisiko beim Steuerpflichtigen und führe den Gedanken der einkommensteuerlich unerheblichen Vermögenssphäre für den Bereich der negativen Einkünfte fort; sie setze damit typisierend die Vermutung um, dass planmäßige Vorkehrungen bei Spekulationseinkünften nur auf die Erzielung positiver Einkünfte gerichtet, negative Einkünfte damit typischerweise nicht steuerbare Einkünfte seien (Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 2 Rdnr. B 104).
Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu begründen, weshalb § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. Spekulationsgewinne in vollem Umfang erfasst, Spekulationsverluste, welche die im selben Jahr erwirtschafteten Spekulationsgewinne übersteigen, hingegen vollständig unberücksichtigt lässt. Die Konsequenz aus dem sog. Einkünftedualismus, dass die private Vermögenssphäre einkommensteuerrechtlich (mit Ausnahme der unter §§ 17, 23 EStG erfassten Sachverhalte) unerheblich ist, betrifft nicht nur Vermögensminderungen, sondern ebenso Vermögensmehrungen. Auch die Absicht, einen positiven Totalüberschuss zu erzielen, ist Merkmal jeglicher Einkünfteerzielung, nicht nur der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c (1)). Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse --und zwar negative wie positive-- auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 EStG einordnen ließen. Zwar ist das alle Einkunftsarten kennzeichnende Merkmal der Einkünfteerzielungsabsicht für die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften gemäß § 23 EStG durch die verhältnismäßig kurzen Spekulationsfristen in typisierender Weise objektiviert (BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469). Daraus ergibt sich aber noch keine Rechtfertigung der unterschiedlichen Regelung für Spekulationsgewinne und -verluste in § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F.
(2) Eine solche Rechtfertigung des § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. folgt auch nicht aus dem Bedürfnis, bestimmte steuersparende Gestaltungen im Zusammenhang mit Spekulationseinkünften zu unterbinden (so aber Schwendy, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1998, 737, 740; Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF, Heft 17, Tz. II 106; ähnlich auch die Entstehungsgeschichte der Novellen des Jahres 1921 zum EStG 1920, s. Glaser, a.a.O.). Dazu hätte es ausgereicht, den Verlustausgleich mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten zu untersagen und lediglich einen überperiodischen Verlustabzug innerhalb derselben Einkunftsart zuzulassen (vgl. Beschluss des BFH vom 15. Dezember 2000 IX B 128/99, BFHE 194, 157, BStBl II 2001, 411), wie es § 23 EStG nunmehr seit 1999 mit Wirkung für die Zukunft vorsieht und wie es in anderen Sondervorschriften für bestimmte Arten von Verlusten geregelt ist, für die der Gesetzgeber unerwünschte steuersparende Gestaltungen ausschließen will (§ 2a Abs. 1 EStG; § 2b Satz 4 EStG; § 15 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG; § 15a Abs. 2 EStG; § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Demgegenüber durchbricht § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. das Nettoprinzip noch deutlich schärfer als alle vorgenannten Vorschriften, ohne dass für Spekulationsverluste ein vergleichsweise besonderes Steuergestaltungsrisiko ersichtlich wäre, das ein so einschneidendes Verlustausgleichs- und -abzugsverbot rechtfertigen könnte. Insoweit nimmt § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. eine vergleichbare Sonderstellung ein wie die durch den Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 88 mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärte Norm des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F.
(3) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass der BFH die Wirkung des § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. bereits in der Vergangenheit teilweise abgemildert hat, indem er unter Durchbrechung des Abflussprinzips des § 11 Abs. 2 EStG auch solche Werbungskosten bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns zum Abzug zugelassen hat, die in anderen Veranlagungszeiträumen abgeflossen waren (BFH-Urteil vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916). Dies rechtfertigt weder die Durchbrechung des Nettoprinzips für diejenigen Fälle, die von dieser Rechtsprechung nicht betroffen sind, noch eine Differenzierung zwischen den von § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. betroffenen Alt- und den ab 1999 von einer verfassungskonformen Regelung erfassten Neufällen (vgl. Beschluss des BFH in BFHE 194, 157, BStBl II 2001, 411, unter 2. b bb). Im Übrigen hat der BFH mit Urteil vom 3. Juni 1992 X R 91/90 (BFHE 168, 272, BStBl II 1992, 1017) für die Norm des § 22 Nr. 3 EStG a.F. ebenfalls unter Durchbrechung des Abflussprinzips die Wirkung des Verlustabzugsverbots gemildert, so dass diese Norm auch insoweit mit § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. vergleichbar ist.
3. Wenngleich das Verlustausgleichs- und -abzugsverbot des § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. danach mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, kommt eine Anrufung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Vielmehr ist der Anwendungsbereich der Regelung für Streitjahre vor 1999, soweit § 23 EStG insoweit auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 9. März 2004 2 BvL 17/02 (DB 2004, 628) anwendbar bleibt, verfassungskonform einzuschränken.
a) Allerdings ist es dem Senat verwehrt, die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG, die ab 1999 für private Veräußerungsgeschäfte einen beschränkten Verlustrück- und -vortrag eröffnet, in verfassungskonformer Auslegung auf Streitjahre bis 1998 anzuwenden. Ein Normverständnis, das mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch verfassungskonforme Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten würde (BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 1996 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64, 93). Danach ist eine rückwirkende Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG nicht möglich.
Die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 1 und Abs. 39 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist eindeutig. Sie lässt keinen Auslegungsspielraum. Darüber hinaus ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, dass der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG im Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 14/265, S. 13, § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002) bewusst nicht auf Streitjahre vor 1999 rückerstreckt worden ist.
Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass nach Auffassung des Gesetzgebers der bei Einkünften i.S. von § 22 Nr. 3 EStG und § 23 EStG vorgesehene Ausgleich von Verlusten (auch) in zukünftigen Veranlagungszeiträumen als Reaktion auf die Entscheidung in BVerfGE 99, 88 geboten war (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 14/265, S. 13, 181) und ursprünglich auch für noch offene Altfälle gelten sollte (BTDrucks 14/265, S. 20, 189). In der ab dem Veranlagungszeitraum 1999 geltenden Neuregelung des Verlustausgleichs bei Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften sind dann die noch offenen Altfälle unberücksichtigt geblieben. Die Gesetzesmaterialien lassen dazu lediglich erkennen, dass im Dritten Bericht des Finanzausschusses die offene Altfälle einbeziehende Anwendungsregel (§ 52 Abs. 39 Satz 2 EStG) zur neuen Verlustausgleichsregelung bei Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften für entbehrlich gehalten wurde. Dies entspreche der vergleichbaren Anwendungsregelung zu § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG n.F. (BTDrucks 14/443, S. 32, 33). Die offene Altfälle einbeziehende Anwendungsregel zu § 22 Nr. 3 EStG n.F. (§ 52 Abs. 21a des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, vgl. BTDrucks 14/265, S. 20, 188) wiederum wurde nach den Ausführungen im Dritten Bericht des Finanzausschusses als entbehrlich angesehen, weil im Anschluss an die Entscheidung in BVerfGE 99, 88 für Verluste nach § 22 Nr. 3 EStG a.F. die allgemeinen Grundsätze der Verlustverrechnung anzuwenden seien. Die mit § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG neu geschaffene beschränkte Verlustausgleichsregelung könne daher erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 gelten. Insoweit reiche die allgemeine Anwendungsregel in § 52 Abs. 1 EStG aus (BTDrucks 14/443, S. 32, 34).
b) Indes sind für Streitjahre vor 1999 die vom BVerfG in BVerfGE 99, 88 zu § 22 Nr. 3 EStG a.F. entwickelten Grundsätze auf die noch offenen Altfälle, die von § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. betroffen sind, verfassungskonform entsprechend anzuwenden. Danach gelten auch für diese Altfälle die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich und Verlustabzug.
Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (BVerfG-Beschluss vom 30. März 1993 1 BvR 1045/89, 1381/90 und 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145, 166). Wie aus der vorstehend (II. 3. a) wiedergegebenen Entstehungsgeschichte hervorgeht, sah der Gesetzgeber aufgrund der zur Vermietung beweglicher Gegenstände (§ 22 Nr. 3 EStG) ergangenen Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 99, 88) die Notwendigkeit, nicht nur für alle Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG, sondern auch für private Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 22 Nr. 2, § 23 EStG eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Neuregelung zur Berücksichtigung von Verlusten einzuführen. Damit hat er erneut den systematischen Zusammenhang beider Vorschriften bekräftigt, für die seit 1934 gleichartige Verlustabzugsbeschränkungen gelten. Um auch in den noch offenen Altfällen aus der Zeit vor 1999 für diese beiden Erscheinungsformen der sonstigen Einkünfte eine verfassungskonforme Rechtslage herbeizuführen, war zunächst geplant, den künftig vorgesehenen beschränkten Verlustrück- und -vortrag auch auf die Altfälle zu erstrecken. Diese Rückerstreckung der Regelung ist jedoch mit Rücksicht auf die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 99, 88 letztlich nicht als erforderlich angesehen und deshalb nicht verwirklicht worden.
Dies war deshalb sachgerecht, weil der geplante beschränkte Verlustrück- und -vortrag für Altfälle in Widerspruch zur insoweit weiter gehenden Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 99, 88, unter B. II. 5.) stand, die für vergangene Veranlagungszeiträume ausdrücklich die allgemeinen Regeln über Verlustausgleich und Verlustabzug für anwendbar erklärt und dem Gesetzgeber nur für die Zukunft einen Gesetzgebungsauftrag erteilt hatte.
Mithin lässt die im Gesetzgebungsverfahren getroffene Entscheidung, von der Rückerstreckung der Neuregelung auf Altfälle Abstand zu nehmen, nicht darauf schließen, dass der seit jeher bestehende systematische Zusammenhang der Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 2 und 3 EStG gelockert und für Altfälle nunmehr unterschiedliche Formen der Verlustberücksichtigung eingeführt werden sollten, die noch dazu für § 23 EStG verfassungsrechtliche Risiken heraufbeschworen hätten. So hat der Gesetzgeber für die Zeit ab 1999 sein Ziel, für beide Erscheinungsformen der sonstigen Einkünfte eine gleichartige verfassungskonforme Regelung zu finden, umgesetzt. Wenn er es vor dem Hintergrund der zu § 22 Nr. 3 EStG a.F. ergangenen Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 99, 88) unterlassen hat, eine eigenständige gesetzliche Regelung für Altfälle zu schaffen, so ist sein Normkonzept, für sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 2 und Nr. 3 EStG eine gleichartige verfassungskonforme Berücksichtigung von Verlusten zu schaffen, für die von § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. erfassten noch offenen Altfälle dadurch folgerichtig umzusetzen, dass für diese die Grundsätze der Entscheidung des BVerfG entsprechend anzuwenden sind (ebenso Risthaus/Plenker, DB 1999, 605, 610; Balmes, DStR 2000, 1047; Groß, DStR 2001, 1553; a.A. OFD Düsseldorf, Verfügung vom 6. Juli 1999 S 2256 A - St 121, DB 1999, 1631; BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383, Tz. 43; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl. 2003, § 23 Rz. 97; Lindberg in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 23 Rz. 160).
c) Mit dieser Auffassung weicht der erkennende Senat vom Urteil des VI. Senats vom 24. Mai 2000 VI R 28/97 (BFHE 191, 552, BStBl II 2000, 474) ab. Der VI. Senat hat auf Anfrage der Abweichung zugestimmt.
4. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Da für die Spekulationsverluste des Klägers die allgemeinen Grundsätze über Verlustausgleich und Verlustabzug anzuwenden sind, muss das FG die dazu notwendigen Feststellungen nachholen und erforderlichenfalls das Verfahren gemäß § 74 FGO aussetzen, um dem FA Gelegenheit zu geben, jeweils den verbleibenden Verlustabzug nach § 10d Abs. 3 EStG gesondert festzustellen (BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 12/98, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731).
Ende der Entscheidung
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