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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: IX R 35/05
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 | |
EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 |
Gründe:
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) --zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute-- sind Eigentümer einer im Jahr 1993 erworbenen Zweizimmerwohnung. Diese Wohnung nutzte der Kläger im Rahmen der doppelten Haushaltsführung zunächst selbst. Um den erhöhten Wohnraumbedarf der nachziehenden Familie zu decken, erwarben die Kläger eine 161 qm große Eigentumswohnung, die sie seit Ende 1993 nutzen. Seit dieser Zeit vermieten sie ihre Zweizimmerwohnung möbliert und jeweils auf Zeit an ständig wechselnde Mieter. Die Kläger vermieteten die Zweizimmerwohnung in den Streitjahren (1996 und 1997) --von den sieben Leerstandmonaten abgesehen-- aufgrund schriftlicher Mietverträge wie auch auf der Grundlage mündlicher Vereinbarungen.
Die Kläger erwirtschafteten aus der Vermietung ihrer Zweizimmerwohnung in den Streitjahren negative Einkünfte. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 erklärten sie Einnahmen von 6 000 DM und Werbungskosten in Höhe von 26 056 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte nach Durchsicht der Belege in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 19. Mai 1998 negative Einkünfte von 18 756 DM. In dem Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 18. Januar 2000 berücksichtigte das FA negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 17 231 DM.
Mit ihren Einsprüchen (bezüglich des Streitjahres 1996 gegen die Aufhebung des Vorbehaltes der Nachprüfung vom 17. Mai 2000) wandten sich die Kläger gegen jetzt nicht mehr streitige Punkte. Im Rahmen der Gesamtüberprüfung des Falles problematisierte das FA die Einkünfte aus der Vermietung der Zweizimmerwohnung. Die Kläger legten eine Aufstellung darüber vor, wann, zu welchem Preis und auf welche Weise (Schriftform) sie die Wohnung seit Beginn an vermieteten. Überdies legten sie schriftliche Mietverträge und Kontoauszüge vor. Das FA wies die Kläger mit Schreiben vom 16. Juli 2001 auf die Möglichkeit hin, die Steuerfestsetzungen der Streitjahre zu ihrem Nachteil zu ändern und setzte dies in den Einspruchsentscheidungen für die Streitjahre vom 20. November 2001 um. Danach waren die Einkünfte aus der Vermietung der Zweizimmerwohnung mangels Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger nicht anzusetzen. Eine Prognose ergebe, dass die Kläger keinen Totalüberschuss erzielen könnten.
Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrten die Kläger die Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klage hatte keinen Erfolg. Mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1772 veröffentlichten Urteil zog das Finanzgericht (FG) zwar nicht in Zweifel, dass die Kläger ihre Wohnung auf unbestimmte Zeit zur Vermietung bereitgehalten hätten. Auch Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Selbstnutzung oder eine Veräußerung ergäben sich nicht. Indes lägen vom Regelfall einer Vermietung abweichende Umstände vor, die das FG einerseits in der Durchführung der Mietverhältnisse teilweise ohne schriftlichen Mietvertrag sowie andererseits darin sieht, dass die Kläger "der Aufforderung des Beklagten, die erklärten Mieteinnahmen nachzuweisen, nur bruchstückhaft nachgekommen sind/nachkommen konnten". Überdies sei im Streitjahr --offenbar aus Entgegenkommen gegenüber dem FA-- ein aufgerundeter Betrag als Einnahmen erklärt worden, nämlich 6 000 DM statt der sich aus der Aufstellung ergebende Betrag von 5 980 DM. Deshalb sei eine Prognose geboten, die allerdings negativ ausfallen müsse.
Mit ihrer Revision wenden sich die Kläger vor allem gegen die vom FG durchgeführte Prognose. Sie sei aktenwidrig und verstoße gegen die Denkgesetze.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Änderung der Einspruchsentscheidungen jeweils unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 18 756 DM (1996) und 17 231 DM (1997) neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und es ist in der Sache selbst zu entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Einspruchsentscheidungen für die Streitjahre sind insoweit zu ändern, als die Einkommensteuer für die Streitjahre jeweils unter Berücksichtigung der mit dem Revisionsantrag geltend gemachten (negativen) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung neu festzusetzen ist.
Das FG hat die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger unzutreffend verneint und dadurch § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verletzt.
1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften; die Einkünfteerzielungsabsicht kann insoweit nur in Ausnahmefällen verneint werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt (BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695). Aus Mietverträgen, die --wie hier-- auf bestimmte Zeit eingegangen sind, folgt noch nicht eine (steuerrechtlich bedeutsame) Befristung der Vermietungstätigkeit (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 IX R 1/04, BFHE 208, 235, BStBl II 2005, 211, m.w.N.).
2. Von einer auf Dauer ausgerichteten Vermietungstätigkeit der Kläger geht auch das FG aus; denn es zieht --für den BFH bindend-- die Absicht der Kläger nicht in Zweifel, "dass eine Dauervermietung in der Weise beabsichtigt war, dass die Wohnung auf unbestimmte Zeit zur Vermietung bereitgehalten wurde" (Bl. 6 des FG-Urteils) und sieht keinen Anhaltspunkt für eine beabsichtigte Selbstnutzung oder Veräußerung (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 5. April 2005 IX R 48/04, BFH/NV 2005, 1299). Das FG musste deshalb die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigen; denn es hat keine besonderen Umstände feststellen können, die gegen die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger sprechen und die eine Prognose zur Prüfung der Absicht, einen Totalüberschuss zu erzielen, anhand des BFH-Urteils vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) rechtfertigen.
a) Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kläger mit ihrer auf Dauer angelegten Fremdvermietung tatsächlich einen Totalüberschuss erzielen konnten. Denn zu einer dies überprüfenden Prognose kommt es nicht. Es ist für die in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angelegte typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht gerade kennzeichnend, auf den typischen statt auf den verwirklichten Geschehensablauf abzustellen (BFH-Urteil vom 19. April 2005 IX R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754 unter II. 1. b aa, m.w.N.).
b) Die vom FG für "vom Regelfall einer Vermietung abweichende Verhältnisse" hervorgehobenen Gründe rechtfertigen eine Prüfung der Einkünfteabsicht nicht:
Dies gilt zunächst für die Vermietungen "ohne schriftlichen Mietvertrag". Mietverträge bedürfen nach § 566 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in der Fassung der Streitjahre (vgl. jetzt § 550 BGB) nur der schriftlichen Form, wenn sie --was im Streitfall ausscheidet-- für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden. Mündlich vereinbarte Mietverträge sind unbeschadet des § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) aber auch dann nicht unwirksam (§ 125 BGB), sondern gelten auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 566 Satz 2 BGB a.F.; § 550 Satz 1 BGB n.F.) und bilden die Rechtsgrundlage für die Vermietungstätigkeit der Kläger.
Auch das vom FG hervorgehobene Erklärungsverhalten der Kläger spricht nicht gegen ihre Einkünfteerzielungsabsicht. Ein Umstand, der als Beweisanzeichen gegen das subjektive Tatbestandsmerkmal der Einkünfteerzielungsabsicht in Betracht kommt, kann sich nur aus der besonderen Art ergeben, in der der Steuerpflichtige seine (Vermietungs-)Tätigkeit ausübt und damit den objektiven Tatbestand der Steuernorm verwirklicht (siehe dazu die im BFH-Urteil in BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754 unter II. 1. a aufgeführten Beispiele, m.w.N.), nicht aber aus seinem der Ermittlung (Verifikation) dieses Sachverhalts dienenden (Erklärungs-)Verhalten (vgl. allgemein § 90 AO 1977) im nachfolgenden Veranlagungsverfahren. Überdies haben die Kläger im Verlaufe des Einspruchsverfahrens eine detaillierte Liste der Mieter und der Einnahmen sowie die von ihnen schriftlich abgeschlossenen Mietverträge vorgelegt. Dies reicht im Hinblick auf die Regelung des § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 aus. Ferner ist nach der vom FG wiedergegebenen Verfahrensgeschichte erst in den Verfahren über die Einsprüche die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger überhaupt problematisiert worden. Im Veranlagungsverfahren selbst sind nach der Aktenlage jedenfalls die Aufwandspositionen geprüft und --von den Korrekturen abgesehen-- nicht beanstandet worden (Vermerk "Belege lagen vor"). Dass die --steuerlich nicht beratenen-- Kläger dort die Einnahmen des Streitjahres 1996 um 20 DM auf 6 000 DM "aufgerundet" haben, spricht ersichtlich nicht gegen ihre Einkünfteerzielungsabsicht.
c) Auch die Art und Weise der hier zu prüfenden Vermietungstätigkeit spricht nicht gegen die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger und ist vom FG zu Recht nicht zu deren Lasten ins Feld geführt worden. Wenn sie ihre möblierte Wohnung an häufig wechselnde Mieter zur Nutzung überlassen, so verhalten sie sich in vergleichbarer Weise wie die Vermieter einer Ferienwohnung, die ihre Wohnung ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26. Oktober 2004 IX R 57/02, BFHE 208, 151, BStBl II 2005, 388).
3. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Maßstäben nicht. Denn das FG prüft und verneint ohne ein ergiebiges Beweisanzeichen gegen die Einkünfteerzielungsabsicht mittels einer Prognose die Absicht der Kläger, einen Totalüberschuss aufgrund ihrer Vermietertätigkeit zu erzielen. Darauf kommt es aber nicht an. Die Vorentscheidung ist mithin aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Die negativen Einkünfte der Kläger aus der Vermietung der Zweizimmerwohnung sind der Besteuerung ohne eine weitere Prüfung ihrer Absicht, einen Totalüberschuss zu erzielen, zugrunde zu legen. Dabei hat der erkennende Senat keine Bedenken, von den durch die Kläger erklärten Einnahmen auszugehen, wie dies im Kern auch das FG tut. Auf die lediglich im Hinblick auf die Vermietungstätigkeit geäußerten Bedenken wegen des aufgerundeten Betrags kommt es hier nicht an. Die Kläger beantragen im Revisionsverfahren, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in dem Umfang zu berücksichtigen, wie sie bereits durch das FA in den durch die Einspruchsentscheidungen geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre zugrunde gelegt wurden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 121 FGO). Demgemäß müssen die die Steuerfestsetzungen der Streitjahre enthaltenden Einspruchsentscheidungen geändert werden. Die Einkommensteuer für 1996 ist unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung von 18 756 DM und die Einkommensteuer für 1997 unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 17 231 DM neu festzusetzen. Dem FA wird die Steuerberechnung nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen.
Ende der Entscheidung
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