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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.02.2002
Aktenzeichen: IX R 36/98
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 9 | |
EStG § 11 | |
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1 |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger war an einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, aus der er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Die Anschaffung der Beteiligung (1986) und ihre spätere Aufstockung (1989) hatte er im Wesentlichen durch Darlehen finanziert, für die die Sparkasse jeweils ein Disagio einbehalten hatte. Die Disagiobeträge waren jeweils bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der GbR als Sonderwerbungskosten des Klägers berücksichtigt worden. Als der Kläger die GbR-Beteiligung im Dezember 1993 verkaufte, erklärte sich die Sparkasse mit der vorzeitigen Rückzahlung der Darlehen nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung bereit, die sie wie folgt ermittelte:
Zinsschaden der Sparkasse|69 513,06 DM abzüglich anteilig auf die Zeit nach Vertragsbeendigung entfallendes Disagio| 30 003,80 DM Differenz|39 509,26 DM Abstandszahlung abgerundet|39 400,00 DM
Der Kläger machte die im Streitjahr (1994) geleistete Abstandszahlung von 39 400 DM bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Werbungskosten, weil sie durch die Veräußerung des GbR-Anteils veranlasst sei. Hingegen erfasste das FA das mit dem Zinsschaden der Sparkasse verrechnete anteilige Disagio von 30 003 DM als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, weil es sich um die Rückzahlung von Werbungskosten handele.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 546 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragen sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 1994 dahin zu ändern, dass keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer der Kläger antragsgemäß herabzusetzen. Das FG hat das anteilige Disagio, das die Sparkasse zur Ermittlung der zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung mit ihrem Zinsschaden verrechnet hat, zu Unrecht als Einnahmen des Klägers aus Vermietung und Verpachtung beurteilt.
1. a) Allerdings ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Kläger geschuldete Vorfälligkeitsentschädigung nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar ist.
Eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung steht, wenn sie --wie im Streitfall-- durch die Grundstücksveräußerung veranlasst ist, ebenso wie andere Veräußerungskosten mit dem nicht steuerbaren Vermögensbereich in Zusammenhang (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. April 1996 IX R 5/94, BFHE 180, 374, BStBl II 1996, 595; vom 24. Mai 2000 VI R 147/99, BFHE 191, 561, BStBl II 2000, 476). Dementsprechend werden bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb solche Vorfälligkeitsentschädigungen zu den Veräußerungskosten i.S. von § 16 Abs. 2 EStG gerechnet, die den laufenden Gewinn unberührt lassen (BFH-Urteile vom 25. Januar 2000 VIII R 55/97, BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458; vom 18. Oktober 2000 X R 70/97, BFH/NV 2001, 440). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung nach der vom Steuerpflichtigen getroffenen Gestaltung ausnahmsweise als Finanzierungskosten für die Anschaffung eines neuen, dem Erzielen von Einkünften dienenden Objekts zu beurteilen ist (BFH-Urteil in BFHE 180, 374, BStBl II 1996, 595). Nach den Feststellungen des FG sind im Streitfall für eine solche Ausnahme keine tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich.
b) Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass die Rückzahlung von Werbungskosten grundsätzlich zu Einnahmen der betreffenden Einkunftsart führt (BFH-Urteil vom 28. März 1995 IX R 41/93, BFHE 177, 414, BStBl II 1995, 704; Beschluss des BFH vom 13. Juli 2000 VI B 184/99, BFH/NV 2000, 1470), und dass die Verrechnung wechselseitiger Ansprüche einen Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bedeuten kann (BFH-Urteile vom 21. September 1982 VIII R 140/79, BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289; vom 24. September 1985 IX R 22/85, BFH/NV 1986, 733; vom 2. Oktober 1986 IV R 173/84, BFH/NV 1987, 495).
2. Das FG hat indes nicht berücksichtigt, dass dem Kläger im Streitfall der auf die Zeit nach der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrages entfallende Rest des Disagios nicht durch Verrechnung mit einem selbständigen Gegenanspruch zugeflossen ist, weil der Rest des Disagios nur einen Rechnungsposten zur Ermittlung der Entschädigung der Sparkasse bildete.
a) Ein Zufluss wechselseitiger Ansprüche durch Aufrechnung oder einen Verrechnungsvertrag setzt voraus, dass sich zwei voneinander unabhängige fällige Ansprüche gegenüberstehen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1986, 733; in BFH/NV 1987, 495). Davon ist --schon bürgerlich-rechtlich-- die so genannte Anrechnung zu unterscheiden, bei der zur Ermittlung der Höhe eines einzigen Anspruchs unselbständige Rechnungsposten in Abzug zu bringen sind (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl. 2002, § 387 Rn. 2).
b) Um eine solche Ermittlung eines Anspruchs durch Abzug unselbständiger Rechnungsposten handelt es sich auch dann, wenn ein Darlehensnehmer aus einem Darlehensvertrag mit fester Laufzeit entlassen werden will und die Bank dem nur gegen eine Entschädigung zustimmt, die sie anhand ihres Zinsschadens und unter Abzug des auf die Zeit nach der Darlehensbeendigung entfallenden Anteils des Disagios ermittelt. In derartigen Fällen hat die Bank einen Anspruch, finanziell so gestellt zu werden, wie sie bei Durchführung des Darlehensvertrags bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit gestanden hätte (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 8. Oktober 1996 XI ZR 283/95, BGHZ 133, 355, unter II. 2. c). Die Bank darf deshalb die Beendigung des Darlehensvertrags davon abhängig machen, dass ihr das gesamte bei Auszahlung des Darlehens einbehaltene Disagio verbleibt; gibt sie sich damit nicht zufrieden, sondern berechnet sie die ihr aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung entgangenen Zinsen auf der Grundlage des Effektivzinses, so muss sie den auf die Zeit nach der Vertragsbeendigung entfallenden Rest des Disagios in Abzug bringen, weil das Disagio im Effektivzins enthalten ist. Das restliche Disagio ist somit ein Rechnungsposten der Vorfälligkeitsentschädigung, die die Bank beanspruchen kann (BGH-Urteil in BGHZ 133, 355, unter II. 2. c).
c) Die vorstehend beschriebene bürgerlich-rechtliche Rechtslage prägt auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinne. Hat der Steuerpflichtige bei vorzeitiger Beendigung eines Darlehensvertrags eine Vorfälligkeitsentschädigung zu entrichten, bei deren Berechnung auf der Grundlage des Effektivzinses die Bank den auf die Zeit nach der Vertragsbeendigung entfallenden Rest des Disagios abgezogen hat, so ist der Steuerpflichtige einem Anspruch der Bank in Höhe der so ermittelten Vorfälligkeitsentschädigung ausgesetzt. Ihre Bezahlung führt bei ihm allein zu einem Abfluss i.S. von § 11 Abs. 2 EStG. Ein Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 EStG durch Verrechnung mit einem Gegenanspruch ist hingegen nicht gegeben, weil ein gesonderter Gegenanspruch gegen die Bank in derartigen Fällen nicht besteht.
3. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Im Streitfall hatte der Kläger eine Vorfälligkeitsentschädigung zu entrichten, die die Sparkasse auf der Grundlage des Effektivzinssatzes unter Berücksichtigung des restlichen Disagios errechnet hatte. Das restliche Disagio ist dem Kläger nicht durch Verrechnung gemäß § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen, weil ihm insoweit kein eigener Anspruch gegen die Sparkasse zustand. Vielmehr ist nur die --nicht abziehbare-- Vorfälligkeitsentschädigung abgeflossen.
Die Einkommensteuer 1994 der Kläger ist mithin nach Maßgabe eines um 30 003 DM verringerten zu versteuernden Einkommens festzusetzen.
Ende der Entscheidung
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