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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.11.2000
Aktenzeichen: IX R 40/98
Rechtsgebiete: EStG, HGB, FGO


Vorschriften:

EStG § 10e Abs. 6
HGB § 255 Abs. 2 Satz 1
FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden im Streitjahr 1987 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin erwarb aufgrund eines notariell beurkundeten Erbauseinandersetzungs- und Übertragungsvertrags ohne Zahlung eines Entgelts am 21. September 1987 ein 1933 errichtetes Hausgrundstück, das von der Hausgemeinschaft X 1977 für 220 000 DM erworben worden war. Nach dem Erwerb durch die Hausgemeinschaft nutzten die Klägerin und ihr Vater das im Übrigen vermietete Haus mit jeweils einem Zimmer bis Mai 1982 bzw. September 1983. Der Kläger hat das Haus seit 1979 bewohnt. Zwischen 1979 und 1986 wurden Mieteinnahmen zwischen 5 000 DM und 8 000 DM erzielt.

Von der Hausgemeinschaft wurden in den Vorjahren Reparaturaufwendungen in folgender Höhe erklärt:

1982 21 775 DM 1983 6 145 DM 1984 21 843 DM 1985 8 013 DM 1986 3 932 DM

Für das Streitjahr machte die Klägerin Aufwendungen vor Bezug der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus in Höhe von 224 355 DM gemäß § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Abzug ab, weil das Grundstück in vollem Umfang unentgeltlich erworben sei.

Im Einspruchsverfahren machten die Kläger Instandsetzungsaufwendungen für das Haus in Höhe von 229 592 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Im Zeitpunkt des Erwerbs sei die Renovierung und im Anschluss daran die Vermietung des Objekts geplant gewesen. Die Arbeiten seien im Juli 1988 abgeschlossen worden; ab diesem Zeitpunkt seien von der Gesamtwohnfläche des Gebäudes (ca. 120 qm) 86 qm zu eigenen Wohnzwecken genutzt.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1988 wurden weitere Modernisierungsaufwendungen in Höhe von 172 442 DM als Werbungskosten geltend gemacht. Mieteinnahmen wurden nicht erklärt. Die Kläger tragen vor, ab 1989 sei eine kleine Wohnung im Hause (ca. 24 qm) vermietet worden.

Der Bausachverständige des FA erklärte in einer Stellungnahme, das Gebäude sei gründlich bautechnisch renoviert und saniert worden. Es seien ausgewählte Materialien verarbeitet worden, Nutzungsänderungen oder Erweiterungen seien nicht erfolgt.

Das FA ging davon aus, dass es sich um Herstellungskosten (Generalüberholung) handle. Für das Streitjahr 1987 könne davon ausgegangen werden, dass die Kläger die Absicht gehabt hätten, das Hausgrundstück zu vermieten. Die Absetzung für Abnutzung (AfA) der Rechtsvorgängerin sei daher anteilig ab dem Zeitpunkt des Übergangs (1. Oktober 1987) in Höhe von insgesamt 957 DM (3/12 von 3 830 DM) zu gewähren.

Im Klageverfahren vertritt das FA die Auffassung, dass die Klägerin nicht die Absicht gehabt habe, das Haus zu vermieten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es ließ offen, ob die Kläger bis zum Ende des Streitjahres 1987 die Absicht hatten, das Haus ganz oder teilweise zu vermieten.

Die von Herbst 1987 bis Anfang Juli 1988 durchgeführte Generalüberholung des Hauses habe zu Herstellungsaufwand geführt. Herstellungsaufwand als Folge einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung (§ 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB--) sei insbesondere dann anzunehmen, wenn in zeitlicher Nähe zum Erwerb des Grundstücks im Verhältnis zum Kaufpreis --in Fällen unentgeltlichen Erwerbs zum Verkehrswert-- hohe Reparatur- oder Modernisierungsaufwendungen anfallen (erwerbsnaher Herstellungsaufwand). Im Streitfall sei eine wesentliche Verbesserung aufgrund der Höhe der Aufwendungen sowie aufgrund der Art der Baumaßnahmen offenkundig.

Unabhängig davon seien die Aufwendungen als Herstellungskosten zu beurteilen, weil sie eine über den ursprünglichen Zustand des Hauses hinausgehende wesentliche Verbesserung bewirkt hätten. Der Wohnstandard habe sich maßgeblich gesteigert (z.B. infolge Verwendung hochwertiger Materialien), die tatsächliche Gesamtnutzungsdauer habe sich verlängert. Durch die aufwendige Generalüberholung habe sich ein merklicher Anstieg der erzielbaren Miete ergeben.

Da es sich um eine einheitliche Baumaßnahme handle, komme eine Aufteilung in Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand nicht in Betracht.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG Köln vom 22. Oktober 1997 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 2. Dezember 1991 aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 18. September 2000 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Werbungskosten in Höhe von 229 592 DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die streitigen Aufwendungen mit der Begründung insgesamt als Herstellungskosten beurteilt, es handle sich um sog. anschaffungsnahe Aufwendungen und ferner, das Haus sei durch sie i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB wesentlich verbessert worden.

1. Mit Recht weist die Revision darauf hin, dass die Rechtsprechung zum sog. anschaffungsnahen Aufwand dann keine Anwendung findet, wenn das Hausgrundstück unentgeltlich erworben wurde (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. April 1998 IX R 66/95, BFHE 126, 220, BStBl II 1998, 515, und vom 17. Juni 1997 IX R 30/95, BFHE 183, 470, BStBl II 1997, 802). Das ist im Streitfall geschehen. Die Klägerin hat das Grundstück von der Erbengemeinschaft im Rahmen der Erbauseinandersetzung ohne Zahlung eines Entgelts und damit insgesamt unentgeltlich erworben (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, 347 f., BStBl II 1990, 837).

2. Das FG hat unabhängig davon die Baumaßnahmen als Herstellungskosten gewürdigt, weil "infolge der Verwendung hochwertiger Materialien" der "Wohnstandard maßgeblich gesteigert" und "hierdurch die tatsächliche Gesamtnutzungsdauer verlängert" worden sei. Eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes und damit Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 a.E. HGB setzen jedoch voraus, dass --über die zeitgemäße Erneuerung hinaus-- der Gebrauchswert des Hauses im Ganzen deutlich erhöht wird (BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, 460, BStBl II 1996, 632). Eine solche deutliche Steigerung des Gebrauchswerts kann zwar auch in einer deutlichen Verlängerung der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes begründet sein. Das ist in der Regel aber nur bei solchen Aufwendungen der Fall, die die Substanz, welche im Wesentlichen die Lebensdauer des Gebäudes bestimmt, verändern (BFH-Urteil in BFHE 177, 454, 461, BStBl II 1996, 632). Aufwendungen dieser Art hat das FG nicht festgestellt.

Die vom FG festgestellte Steigerung des "Wohnstandards" muss nicht eine Erhöhung des "Gebrauchswerts des Hauses im Ganzen" bedeuten, weil der Begriff des Gebrauchswerts umfassender ist als der des Wohnstandards. Auch die "Verwendung hochwertiger Materialien" allein hat nicht die Erhöhung des Gebrauchswerts des Hauses zur Folge. Erforderlich ist vielmehr die Verwendung "außergewöhnlich" hochwertiger Materialien "in erheblichem Umfang" (BFH-Urteil in BFHE 177, 454, 460, BStBl II 1996, 632). Dazu ist im finanzgerichtlichen Urteil nichts festgestellt. Die Bezugnahme auf die Baukostenaufstellung und 56 Seiten Baurechnungen ist keine Feststellung der Hochwertigkeit der verwendeten Materialien i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, denn dazu hätte es der Würdigung bestimmter Baumaßnahmen bedurft. Aus der Baukostenaufstellung allein ergibt sich die Beschaffenheit der Materialien nicht.

Indiz für einen deutlich gesteigerten Gebrauchswert ist zwar ein deutlicher Anstieg der erzielbaren Miete (BFH-Urteil in BFHE 177, 454, 461, BStBl II 1996, 632). Das FG hat aber nicht festgestellt, ob die von ihm genannte höhere Miete tatsächlich (objektiv) erzielbar war.

3. Das FG hat auch zu Unrecht eine Aufteilung der Kosten in Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen abgelehnt. Voraussetzung dafür wäre allerdings zunächst, dass neben den festgestellten "Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen" Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB angefallen wären. Dazu hat das FG jedoch nichts festgestellt.

Abgesehen davon hat der BFH die Möglichkeit einer Aufteilung von Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nur dann verneint, wenn Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden; ein sachlicher Zusammenhang in diesem Sinne liegt vor, wenn die einzelnen Baumaßnahmen "bautechnisch ineinander greifen" (BFH-Urteil in BFHE 177, 454, 460, BStBl II 1996, 632), d.h. sich bedingen (BFH-Urteil vom 16. Juli 1996 IX R 34/94, BFHE 181, 50, BStBl II 1996, 649). Auch dazu fehlen Feststellungen des FG.

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und geht daher an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG wird unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH erneut zu prüfen haben, ob die streitigen Baumaßnahmen die Voraussetzungen des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB erfüllen. Ggf. wird auch die an sich vorrangige und bisher offen gelassene Frage zu beantworten sein, ob die Klägerin im Streitjahr die Absicht hatte, das Haus ganz oder teilweise zu vermieten. Der Senat kann als Revisionsgericht diese Tatsachenfeststellung nicht selbst treffen (§ 118 Abs. 2 FGO).



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