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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.02.2003
Aktenzeichen: IX R 43/01
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1 d | |
EStG § 15 |
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die objektiven Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung.
Die Kläger und Revisionsbeklagen (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Sie sind je zur Hälfte an einer GmbH beteiligt, die eine Goldschmiede- und Feinmechanikwerkstatt betreibt. Die GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger ist, stellt neben Einzelschmuckstücken für einen festen Kundenkreis im Wesentlichen chirurgische Präzisionsgeräte für Augenoperationen her. Hierbei handelt es sich um etwa faustgroße Mechanikgeräte zur operativen Abtrennung der Augenhornhaut, die die GmbH aufgrund einer vertraglichen Dauerbeziehung an einen Arzt verkauft. Die GmbH produziert mit Handwerkzeugen und kleinen Tischgeräten. Die Werkzeuge sind zum Teil an den Wänden befestigt. Bei den Präzisionsgeräten zum Schleifen, Sägen, Schneiden und Fräsen handelt es sich um kleine Tischgeräte.
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem mehrstöckigen Gebäude bebaut ist. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss vermieteten sie vom 1. August 1992 bis Anfang 1998 an die GmbH. Ursprünglich (zeitlich vor dem hier streitigen Zeitraum) hatte die GmbH ihr Unternehmen in angemieteten Räumen betrieben. Anfang 1998 mietete sie neue Räumlichkeiten und verlegte ihren Betriebssitz dorthin. Im Erdgeschoss des Hauses befand sich vor der Nutzung durch die GmbH eine Arztpraxis. Nachdem die GmbH ihren Betrieb Anfang 1998 wieder verlegt hatte, vermieteten die Kläger das Erdgeschoss zu Wohnzwecken.
Die Kläger erklärten in Bezug auf die Vermietung an die GmbH in den Streitjahren (1992 bis 1995) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, das verpachtete Grundstück sei wesentliche Betriebsgrundlage, es lägen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung vor. Dementsprechend qualifizierte das FA die von den Klägern aus der Vermietung an die GmbH erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt: Es fehle an einer sachlichen Verflechtung. Die der GmbH überlassenen Räumlichkeiten bildeten keine wesentliche Betriebsgrundlage, sondern seien für den Betrieb der GmbH lediglich von untergeordneter Bedeutung gewesen. Denn die GmbH sei auf keine bestimmten Räumlichkeiten angewiesen. Sie hätte ihr Unternehmen auch ohne Vermietung durch die Kläger ohne einschneidende Änderungen in der Organisation an jedem beliebigen Ort fortführen können. Die Produktion sei im Wesentlichen nur mit kleinen Tischgeräten erfolgt, die an jedem Ort hätten aufgestellt werden können.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Entscheidung in der Sache selbst. Die Klage ist abzuweisen. Das FG hat unzutreffend eine sachliche Verflechtung der Kläger mit der GmbH verneint.
1. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung --sachliche und persönliche Verflechtung (ständige Rechtsprechung; vgl. den Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) und damit eines gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG)-- liegen im Streitfall vor. Das ist für die persönliche Verflechtung unstreitig, gilt aber auch für die sachliche Verflechtung. Der vermietete Grundstücksteil stellt nach den für die Betriebsaufspaltung geltenden Grundsätzen entgegen der Auffassung des FG eine wesentliche Grundlage für den Betrieb der GmbH dar.
Eine wesentliche Betriebsgrundlage liegt vor, wenn das Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist (BFH-Urteile vom 23. Mai 2000 VIII R 11/99, BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621; vom 23. Januar 2001 VIII R 71/98, BFH/NV 2001, 894; vom 2. April 1997 X R 21/93, BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; BFH-Beschlüsse vom 2. März 2000 IV B 34/99, BFH/NV 2000, 1084; vom 3. April 2001 IV B 111/00, BFH/NV 2001, 1252; vom 19. Dezember 2001 III B 117/00, Steuern und Bilanzen --StuB-- 2002, 558; vom 13. Juli 1998 X B 70/98, BFH/NV 1999, 39, und BFH-Urteil vom 27. August 1998 III R 96/96, BFH/NV 1999, 758). So verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte (BFH-Urteile vom 26. Mai 1993 X R 78/91, BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718; in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; in BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621; vgl. dazu auch G. Söffing, Die Betriebsaufspaltung, 2. Aufl., 2001, S. 70 ff.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 15 Rz. 811 ff., m.w.N.). Eine besondere Gestaltung für den jeweiligen Unternehmenszweck der Betriebsgesellschaft (branchenspezifische Herrichtung und Ausgestaltung) ist nicht erforderlich; notwendig ist allein, dass das Grundstück die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es ihr ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben (BFH-Urteile vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl 2002, 662, unter II. B. 2. b bb, m.w.N., und vom 18. September 2002 X R 4/01, BFH/NV 2003, 41).
2. Nach diesen Grundsätzen stellt der von den Klägern der GmbH zur Nutzung überlassene Grundstücksteil eine wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende Betriebsgrundlage bei der GmbH dar. Das Gebäude ist für die GmbH von nicht nur geringer wirtschaftlicher Bedeutung, weil sie es für ihre Goldschmiede- und Feinmechanikwerkstatt benötigte. Der angemietete Gebäudeteil der Kläger war für diesen Zweck geeignet und bildete die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der GmbH.
Es kommt entgegen der Auffassung des FG nicht darauf an, dass das Goldschmiede- und Feinmechanikunternehmen der GmbH auch von einem anderen gemieteten Grundstück aus hätte betrieben werden können und dass die GmbH bereits zweimal ihren Betriebssitz verlegt hat. Denn jedenfalls ist ein bebautes Grundstück für die Betriebsführung der GmbH unentbehrlich (vgl. dazu BFH in BFH/NV 2003, 41, 43 unter II. 1. b ee).
Abweichend davon hat das FG maßgebend darauf abgestellt, dass der vermietete Gebäudeteil für das Unternehmen der GmbH von untergeordneter Bedeutung sei, weil die GmbH auf keine bestimmten Räumlichkeiten angewiesen sei und sie auch ohne den ihr von den Klägern überlassenen Gebäudeteil an einem anderen Ort ihr Unternehmen hätte fortführen können. Damit hat das FG die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstücks für den Betrieb der GmbH nicht zutreffend erfasst. Hierin liegt ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Zutreffend hat das FA die Einkünfte der Kläger als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert.
Ende der Entscheidung
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