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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.07.2007
Aktenzeichen: IX R 47/06
Rechtsgebiete: FGO, ZPO
Vorschriften:
FGO § 53 Abs. 2 | |
FGO § 56 Abs. 1 | |
FGO § 56 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz | |
FGO § 85 Abs. 2 | |
FGO § 120 Abs. 2 Satz 1 | |
FGO § 126 Abs. 1 | |
FGO § 155 | |
ZPO § 180 |
Gründe:
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger), mit der er Absetzungen für Abnutzung auf ein erworbenes und vermietetes, aber noch nicht bezahltes Grundstück begehrte, abgewiesen.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde die Revision mit dem am 17. November 2006 zugestellten Beschluss des Senats vom 6. November 2006 zugelassen. Die Revisionsbegründung ist erst am 15. Januar 2007 und damit verspätet eingegangen (§ 120 Abs. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründet der Kläger folgendermaßen: Sein Prozessvertreter habe sich vom 4. November 2006 bis zum 9. Januar 2007 zu einem Familienbesuch in den USA aufgehalten; er habe einen Mitbewohner beauftragt, seinen Briefkasten zu leeren und ihm die Post einmal wöchentlich nachzusenden. Da der Prozessbevollmächtigte vom 23. Dezember 2006 bis zum 30. Dezember 2006 die Weihnachtsferien in den USA mit seiner Familie in einer Skihütte verbracht habe, habe ihn das nachgesandte Schriftstück erst nach seiner Rückkehr aus den Ferien erreicht. In den USA seien in der Hochsaison zwischen Thanksgiving vom 23. November bis Weihnachten lange Postlaufzeiten nicht unüblich.
Der Kläger beantragt, ihm Wiedereinsetzung in die abgelaufene Revisionsbegründungsfrist zu gewähren, das angefochtene Urteil, die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre und die Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2004 aufzuheben.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Es meint, der Kläger habe keine Gründe vorgetragen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten.
II. Die Revision ist unzulässig und deshalb nach § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.
Der Kläger hat die einmonatige Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO versäumt. Entgegen seiner Auffassung kommt es nicht darauf an, wann ihm das angefochtene Urteil tatsächlich zugegangen ist (vgl. § 8 des Verwaltungszustellungsgesetzes --VwZG--). Denn dem Prozessbevollmächtigten wurde das Urteil wirksam nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 180 der Zivilprozessordnung (ZPO) durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt.
Dem Kläger ist auch nicht gemäß § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung zu gewähren. Denn er war nicht ohne Verschulden daran gehindert, diese Frist einzuhalten.
Wiedereinsetzung ist nach § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, wobei der Kläger sich nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss. Der Antrag ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz FGO binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.
Im Streitfall reichen weder die im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in den USA vorgetragenen Hinderungsgründe noch die im Laufe des Verfahrens ergänzten Darlegungen aus, den Prozessbevollmächtigten zu exkulpieren.
Schließen Bevollmächtigte während einer mehrwöchigen (Urlaubs-)Abwesenheit ihr Büro, müssen sie alle ihnen möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zur Wahrung einer Frist treffen (einhellige Auffassung, vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20, Stichwort "Büroorganisation"; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 110 AO Rz 444, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies gilt umso mehr, wenn mit fristauslösenden Zustellungen konkret zu rechnen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. August 1997 XI B 118, 119, 149/96; XI S 43, 44, 50/96, BFH/NV 1998, 617). Ein Bevollmächtigter kann sich nicht darauf berufen, er habe an seinem Wohnort niemanden beauftragen können, für ihn die während seiner Abwesenheit eingehenden Zustellungen in Empfang zu nehmen und ihn davon zu unterrichten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 8. Oktober 1981 IV R 108/81, BFHE 134, 388, BStBl II 1982, 165).
Nach diesen Grundsätzen reichen bereits die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 14. Januar 2007 nicht aus, ihn zu entschuldigen. Sein Vortrag, ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen zu haben, dass ihn Zustellungen während seiner Abwesenheit in den USA erreichen, ist jedenfalls für den Weihnachtsaufenthalt (vom 22. bis zum 31. Dezember 2006) nicht hinreichend. Er hat nicht vorgetragen, in welcher Weise die Post ihn in dieser Zeit hätte erreichen können.
Auch für die übrige, in den USA verbrachte Zeit sind ausreichende Vorkehrungen zur Fristwahrung weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte einen Mitbewohner damit beauftragt, seinen Briefkasten zu leeren und ihm die Post in die USA nachzuschicken. Unabhängig davon, ob es allein genügen könnte, einen Mitbewohner zu beauftragen, fehlt es schon an dessen ausreichender Instruktion. Denn dieser hat in seiner schriftlichen Erklärung ausgesagt, ihm sei bis zur Rückkehr des Bevollmächtigten im Januar 2007 nicht bewusst gewesen, dass einige von Gerichten und Behörden eingehende Briefe Antwortfristen auslösen könnten. Der Prozessbevollmächtigte hatte ihn mithin nicht ausreichend unterwiesen. Darin bereits liegt sein Organisationsverschulden. Obschon er während der Zeit seines Auslandsaufenthalts mit gesetzliche Fristen auslösenden Zustellungen rechnen musste (er hatte jedenfalls in diesem Verfahren Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt), hat er es unterlassen, seinen Mitbewohner auf die unterschiedliche Bedeutung eingehender Schriften hinzuweisen und z.B. darauf hinzuwirken, über empfangene Zustellungen, die regelmäßig Fristen auslösen, durch FAX oder fernmündliche Kontakte informiert zu werden. Mit seiner unterschiedslosen Anweisung, alle eingehende Post einmal wöchentlich nachzusenden, hat der Prozessbevollmächtigte nicht alle ihm möglichen Vorkehrungen getroffen; dies auch deshalb nicht, weil --wie er selbst vorträgt-- in den USA insbesondere während der Zeit seines Aufenthalts häufig sehr lange Postlaufzeiten vorkommen.
In diesem Zusammenhang ist ohne Bedeutung, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach seinem Ausscheiden aus einer Steuerberatungsgesellschaft über keinen eigenen Bürobetrieb mehr verfügt. Denn er ist aktuell zugelassener Steuerberater und unterhält eine eigene Praxis, in der er Mandate betreut und Prozesse führt. Für ihn gelten die gleichen Anforderungen, welche Rechtsprechung und Schrifttum an die Sorgfaltspflicht berufsmäßiger Vertreter stellt (vgl. dazu eingehend Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 110 AO Rz 72).
Ende der Entscheidung
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