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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: IX R 5/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 22 Nr. 2
EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG § 23 Abs. 1 Satz 2
EStG § 23 Abs. 1 Satz 3
§ 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/ 2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) sind auf Entnahmen vor dem 1. Januar 1999 nicht anzuwenden (gegen BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2000, BStBl I 2000, 1383, Tz. 1).
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) --EStG-- auch auf Grundstücksentnahmen vor dem 1. Januar 1999 anwendbar ist.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt im Jahr 1993 von seinen Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück unentgeltlich übertragen, das bis dahin Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebs der Eltern gewesen war, durch die Übertragung aus dem Betriebsvermögen entnommen und vom Kläger im Privatvermögen gehalten wurde. Im Streitjahr (2001) veräußerte der Kläger das Grundstück. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erfasste den daraus erklärten Gewinn in Höhe von 79 936 DM im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.

Die Klage mit dem Begehren, die Einkünfte aus dem privaten Veräußerungsgeschäft unberücksichtigt zu lassen, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wandte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 671 veröffentlichten Urteil den erst ab dem 1. Januar 1999 geltenden § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht auf Entnahmen vor diesem Zeitpunkt an und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr entsprechend fest.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA: Die Entnahme gelte selbst dann als Anschaffung, wenn das Grundstück vor dem 1. Januar 1999 in das Privatvermögen überführt worden sei (Hinweis auf die Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums --BMF-- im Schreiben vom 5. Oktober 2000 IV C 3 -S 2256- 263/00, BStBl I 2000, 1383, Tz. 1).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG entschieden, dass der Kläger mangels Anschaffung keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt hat.

1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften steuerbar, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

a) Nicht nur die Veräußerung, auch die (entgeltliche) Anschaffung ist Tatbestandsmerkmal der Steuernorm. Fehlt es daran oder an einer Anschaffungsfiktion, wird eine Veräußerung nicht nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 unter B. III. 1. b). Entnimmt ein Steuerpflichtiger sein Grundstück aus seinem Betriebsvermögen, so liegt darin --mangels Erwerb (§ 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches)-- keine Anschaffung (BFH-Urteil vom 23. April 1965 VI 34/62 U, BFHE 82, 637, BStBl III 1965, 477; vgl. dazu auch Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz. 91).

b) Indes gilt nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG die Überführung eines Wirtschaftsgutes in das Privatvermögen durch Entnahme als Anschaffung, die --wenn sie durch den Rechtsvorgänger vorgenommen wurde-- bei unentgeltlichem Erwerb gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG dem Einzelrechtsnachfolger zuzurechnen ist.

Diese Fiktion ist gemäß § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Entsprechend der normativen Struktur des § 23 Abs. 1 EStG ist für seine Anwendbarkeit nicht nur das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung, sondern auch das der Anschaffung maßgebend (so auch Kupfer, Kölner Steuerdialoge 2000, S. 12276; Carlé in Korn, § 23 EStG Rz. 61, m.w.N.). Denn erst mit der Anschaffung oder ihrer Fiktion beginnt die Tatbestandsverwirklichung des § 23 EStG (BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284). Dementsprechend gilt die Fiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG und deren Zurechnung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht für Entnahmen vor dem 1. Januar 1999 (a.A. aber BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2000, BStBl I 2000, 1383 Tz. 1; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl., § 23 Rz 33).

Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 52 Abs. 39 EStG; denn diese Vorschrift enthält Anwendungsregelungen lediglich für § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG (vgl. BTDrucks 14/443, S. 33 zu Abs. 39). Der zeitliche Geltungsbereich von § 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG richtet sich auch nicht deshalb nach § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG, weil er mit dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG korrespondiert. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass in der Vergangenheit nicht eingetretene Rechtsfolgen einer Entnahme aufgrund der Fiktion nachträglich als eingetreten gelten sollen und die Norm deshalb in einer für ihren Adressaten belastenden, verfassungsrechtlich problematischen Weise zurückwirken soll. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber hat in § 52 Abs. 39 Satz 3 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I, 2601) die Anwendung der Veräußerungsfiktion im Falle der Einlage (§ 23 Abs. 1 Satz 5 EStG) ausdrücklich auf Einlagen nach der Gesetzesänderung beschränkt. Der hierin zum Ausdruck kommende Grundgedanke, die Fiktion auf Sachverhalte zu beschränken, die nach ihrer Einführung verwirklicht werden, ist auf die Anschaffungsfiktion im Falle der Entnahme (§ 23 Abs. 1 Satz 2 EStG) übertragbar.

2. Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verneint. Der Kläger hat das Grundstück, um das es hier geht, von seinen Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich erworben und deshalb nicht angeschafft (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250; vgl. dazu auch Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 231). Die Entnahme dieses Grundstücks durch seine Eltern im Jahre 1993 gilt nicht als Anschaffung i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG und ist dem Kläger nicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG zuzurechnen.

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