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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.10.2004
Aktenzeichen: IX R 53/01
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1
EStG 1986 § 52 Abs. 20b
FGO § 126 Abs. 5
Beteiligt sich eine vermögensverwaltende Personengesellschaft (Obergesellschaft) mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an einer gewerblich tätigen anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft), so hat das nicht zur Folge, dass die gesamten Einkünfte der Obergesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten (gegen R 138 Abs. 5 Satz 4 EStR).
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtsgang darüber, ob die Einkünfte der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) aus der Verpachtung ihres früheren Betriebsgrundstücks als solche aus Vermietung und Verpachtung oder aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind.

Die Klägerin ist eine KG, die sich zunächst mit der Herstellung und dem Vertrieb von Kunststoffteilen befasste. Im Jahre 1974 verpachtete sie ihren Betrieb an eine neu gegründete GmbH. Im Jahre 1981 verkaufte sie der GmbH das gesamte Anlagevermögen und verpachtete ihr nur noch das Grundstück. Die KG war in den Streitjahren (1982 bis 1986) überdies als Kommanditistin mit einer Einlage von 100 000 DM an einer gewerblich tätigen KG (A-KG) beteiligt. Die Gewinnanteile aus dieser Beteiligung betrugen in den Streitjahren 4 170 DM (1982), 2 181 DM (1983), 1 173 DM (1984), 650 DM (1985) und 3 254 DM (1986).

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) von einer Betriebsverpachtung aus und erfasste die Einkünfte aus der Verpachtung des Grundstücks als solche aus Gewerbebetrieb. Die hiergegen gerichteten Klagen hatten im ersten Rechtsgang Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Voraussetzungen der Betriebsverpachtung wegen der Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens nicht als erfüllt an und stellte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fest. Auf die Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 27. Juni 1995 IX R 11/93, IX R 12/93 (BFH/NV 1996, 319) die Urteile des FG wegen Verfahrensfehlern auf, weil das FG offen gelassen habe, welchen Einfluss die Beteiligung der Klägerin an der gewerblich tätigen A-KG habe. Der BFH wies die Sache an die Vorinstanz zurück: Dem FG wurde aufgegeben zu prüfen, wie sich die Beteiligung an der gewerblich tätigen KG auf die Qualifizierung der Einkünfte auswirke. Die Revision der Klägerin wies der BFH als unbegründet zurück, weil das FG zutreffend entschieden habe, dass Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung (AfA) der verpachteten Betriebsgebäude auch nach Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin nicht der gemeine Wert der Betriebsgebäude (§ 16 Abs. 3 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) sei.

Nach erneuter Verhandlung gab ein anderer Senat des FG der Klage im Wesentlichen statt. Die Beteiligung an der gewerblichen KG wirke sich auf die Bewertung der Verpachtungseinkünfte der Klägerin nicht aus; denn es handele sich um eine Minimalbeteiligung. Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 11. August 1999 XI R 12/98 (BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229), die auch bei Beteiligungseinkünften anwendbar seien, greife die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein: Die Klägerin nehme eine jährliche Pacht von 355 000 DM ein, während die Einnahmen (richtig: die Einkünfte) aus der Beteiligung höchstens 1,16 v.H. ihrer Gesamteinnahmen ausmachten.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 gälten lediglich für eine anteilige originäre gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß. Sie seien nicht anwendbar auf anteilige Einkünfte, die aus einer Beteiligung an einer anderen, gewerblich tätigen Personengesellschaft stammten. Das FG habe ferner Einnahmen der KG aus der Verpachtung mit ihr zugewiesenen Gewinnanteilen verglichen. Überdies lägen im Streitfall auch deshalb gewerbliche Einkünfte vor, weil von einem "ruhenden" Gewerbebetrieb auszugehen sei. Damit habe sich das FG nicht auseinander gesetzt und deshalb gegen § 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkünfte der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO beigetreten. Es meint, die Abfärbung der Beteiligungseinkünfte auf die übrigen Einkünfte der Klägerin entspreche dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691).

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das FG die Einkünfte der Klägerin aus der Verpachtung ihres früheren Betriebsgrundstücks als solche aus Vermietung und Verpachtung qualifiziert.

1. Die Einkünfte der Klägerin sind entgegen der Auffassung des FA nicht deshalb insgesamt als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen, weil es sich bei der Klägerin um einen sog. "ruhenden" Gewerbebetrieb handelt. Das FG und auch der erkennende Senat dürfen diese Frage nicht mehr prüfen. Sie sind nach § 126 Abs. 5 FGO an die rechtliche Beurteilung durch den BFH im ersten Rechtszug gebunden. Der Senat hat in seinem zurückweisenden Urteil in BFH/NV 1996, 319 die Vorentscheidung aufgehoben, weil das FG die Entscheidung der Rechtsfrage offen gelassen hatte, welchen Einfluss die Beteiligung der Klägerin an der gewerblich tätigen A-KG hat. Notwendige Voraussetzung für diesen Aufhebungsgrund und damit von der Bindungswirkung umfasst (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 26/92, BFHE 171, 1, BStBl II 1993, 720; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 126 FGO Rz. 77, m.w.N.) ist aber, dass die Klägerin nicht bereits im Übrigen gewerblich tätig ist und damit keinen ruhenden Gewerbebetrieb unterhält.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das FG die Beteiligung der Klägerin an der A-KG nicht ausreichen lassen, um ihre Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang als solche aus Gewerbebetrieb zu beurteilen.

a) Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit u.a. einer Kommanditgesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt (zur rückwirkenden Anwendbarkeit in den Streitjahren gemäß § 52 Abs. 20b EStG 1986 vgl. BFH-Urteil vom 10. August 1994 I R 133/93, BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171). Diese sog. Abfärbewirkung greift aber nicht ein, wenn eine vermögensverwaltende Handelsgesellschaft, die lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, an einer gewerblich tätigen anderen Personengesellschaft beteiligt ist. Obschon selbst Mitunternehmerin (BFH-Beschluss in BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691), übt sie keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, sondern erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Das Gesetz unterscheidet in § 15 Abs. 1 EStG innerhalb der Einkünfte aus Gewerbebetrieb solche aus gewerblichem Unternehmen (Nr. 1) von den Gewinnanteilen der Gesellschafter (Nrn. 2 und 3). § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG erstreckt die Abfärbewirkung nur auf den Fall, in dem die Personengesellschaft "auch eine Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 ausübt". Im Gegenschluss folgt hieraus, dass Beteiligungseinkünfte nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG allein keine gewerbliche Prägung zu erreichen vermögen (so schon Döllerer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1991, 1275, 1277; ähnlich Groh, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1979/1980, 209, 230; Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1995, 165, 166; a.A. G. Söffing, Finanz-Rundschau --FR-- 1994, 805; Mitschke, Der Betrieb 1992, 1267; R 138 Abs. 5 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- ).

b) Auch der Sinn und Zweck der Abfärberegelung rechtfertigt es nicht, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG über seinen Wortlaut hinaus auf die Fälle auszudehnen, in denen eine Personengesellschaft ihrerseits Beteiligungseinkünfte erzielt.

aa) Mit der durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 (StBereinG 1986) vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) in das Einkommensteuergesetz eingefügten Norm sollte die aufgrund langjähriger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH geltende Rechtslage gesetzlich verankert werden (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 10/3663, S. 8). Jene damals auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) a.F. gestützte Rechtsprechung wollte zunächst die erheblichen Schwierigkeiten vermeiden, mit denen die Ermittlung von Einkünften unterschiedlicher Einkunftsarten ein und derselben Gesellschaft verbunden wäre (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1983 IV R 86/80, BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152, unter Hinweis auf Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, § 29 Anm. 30).

Bei Beteiligungseinkünften kommt es zu diesen Schwierigkeiten nicht: Der Gewinnanteil der Obergesellschaft am Gesamtgewinn der Untergesellschaft wird im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Untergesellschaft ermittelt und den Obergesellschaftern als "mittelbaren Mitunternehmern" der Untergesellschaft (Niehus, FR 2002, 977, 980) unmittelbar zugerechnet. Das geschieht unabhängig von der Ermittlung der Einkünfte des restlichen Tätigkeitsbereichs der Obergesellschaft. Eine gewerbliche Prägung dieser Einkünfte, die ohnedies gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten bilden, führte wegen der damit verbundenen Buchführungspflicht zu --die Obergesellschaft belastenden-- zusätzlichen Erschwernissen.

bb) Ferner soll die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verhindern, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden (so BFH-Urteil vom 30. August 2001 IV R 43/00, BFHE 196, 511, BStBl II 2002, 152, m.w.N.).

Bei Beteiligungseinkünften der hier vorliegenden Art ist das Gewerbesteueraufkommen aber nicht gefährdet. Die Gewinnanteile an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG werden bei einer doppelstöckigen Gesellschaft gewerbesteuerrechtlich als Ertrag der Untergesellschaft erfasst (vgl. auch Niehus, FR 2002, 977, 981). Bei der Obergesellschaft (hier: der Klägerin) würde die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen nach § 9 Nr. 2 GewStG um die Anteile am Gewinn der Untergesellschaft gekürzt, wenn es zu einer Abfärbewirkung käme. Gerade die Einkünfte, die auf andere Einkünfte der Gesellschaft abfärben sollen, würden sich wegen der Kürzung gewerbesteuerrechtlich nicht auswirken.

Der Senat überträgt damit den Gedanken, den der IV. Senat (in BFHE 196, 511, BStBl II 2002, 152) zu der die Gewerbesteuerfreiheit umfassenden "Abfärbung" entwickelt hat, auf die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG. Weil sich die Gewinnanteile an der Untergesellschaft bei der Obergesellschaft gewerbesteuerlich nicht auswirken, können allein diese Einkünfte nicht zu einer Umqualifizierung der ansonsten erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung führen. Auch hier gilt: Eine Gewerbesteuerpflicht, die nicht besteht, kann auch nicht gefährdet werden.

c) Eine Umqualifizierung der Vermietungseinkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist auch nicht erforderlich, um zu gewährleisten, dass die Obergesellschaft ihre als Mitunternehmerin der Untergesellschaft erzielten gewerblichen Einkünfte weiterleiten kann (so aber BFH-Urteil vom 8. Dezember 1994 IV R 7/92, BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264). Die Obergesellschaft kann Einkünfte in unterschiedlichen Einkunftsarten erzielen und als solche an ihre Gesellschafter weiterleiten. Dies ist nicht zuletzt Folge der Entscheidung des XI. Senats des BFH, die bei einem äußerst geringfügigen gewerblichen Anteil an der Gesamttätigkeit i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine "Abfärbung" abgelehnt hat (BFH-Urteil in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229).

d) Ist damit der Einfluss der gewerblichen Beteiligungseinkünfte auf die nicht gewerblichen Einkünfte der Personengesellschaft sachlich nicht geboten, so ist die Ungleichbehandlung der Personengesellschaft im Verhältnis zu einem einzelnen Steuerpflichtigen mit unterschiedlichen Einkünften nicht gerechtfertigt. Allein die am Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG orientierte Auslegung entspricht folglich dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes). Denn wegen der Abfärbung der Beteiligungseinkünfte würden ansonsten Überschusseinkünfte aus Vermögensverwaltung zu gewerblichen Einkünften mit der Folge, dass Veräußerungsgewinne steuerbar wären, die bei den Überschusseinkünften nicht der Einkommmensteuer unterlägen (vgl. dazu auch Schulze-Osterloh in der Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 1997, 531, 534 f.).

3. Nach diesen Grundsätzen hat die Vorentscheidung Bestand; das FG hat nach den oben entwickelten Maßstäben zutreffend die Einkünfte der Klägerin als solche aus Vermietung und Verpachtung qualifiziert und eine gewerbliche Prägung durch die Beteiligungseinkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG abgelehnt.

4. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht vom Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691 ab; denn diese Entscheidung verhält sich nicht zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (so auch Döllerer, DStR 1991, 1277; Anmerkung zum Beschluss des Großen Senats vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1991, 400).

Der Senat weicht aber vom Urteil des IV. Senats in BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264 ab. Der IV. Senat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er der Abweichung von seinem Urteil mit der Maßgabe zustimmt, dass die Einkünfte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (Obergesellschaft) aus der Beteiligung an einer anderen, gewerblich tätigen Personengesellschaft (Untergesellschaft) nicht zur Gewerblichkeit der gesamten Einkünfte der Obergesellschaft führen. Der VIII. Senat hat auf Anfrage einer Abweichung von seinem Urteil vom 18. April 2000 VIII R 68/98 (BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359) zugestimmt.



Ende der Entscheidung

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