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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.11.2003
Aktenzeichen: IX R 55/02
Rechtsgebiete: EStG, FGO
Vorschriften:
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1 | |
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2 |
Gründe:
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Streitjahr (1998) für 567 000 DM eine 84,85 qm große Eigentumswohnung. Im Rahmen der Finanzierung des Kaufpreises entstanden ihm bereits im Streitjahr Aufwendungen für zwei Disagien in Höhe von 40 000 DM. Er vermietete die ab März 2000 bezugsfertige Wohnung zum Teil an seine spätere Lebensgefährtin, zum Teil nutzte er sie selbst.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr begehrte der Kläger zunächst, von den ihm entstandenen Kreditkosten den der späteren Vermietung entsprechenden Anteil (20 000 DM) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte das aus Zweifeln an einem ernsthaft vereinbarten Mietverhältnis ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage machte der Kläger die gesamten ihm im Streitjahr entstandenen Kreditkosten in Höhe von 40 000 DM als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Er habe seine spätere Lebensgefährtin erst nach dem Kauf der Wohnung kennen gelernt. Die Wohnung habe er ursprünglich als reine Kapitalanlage erworben und beabsichtigt, sie bis zu seiner Pensionierung fremd zu vermieten, um sie anschließend selbst zu nutzen. Erst wesentlich später habe er sich entschlossen, dort selbst einzuziehen und die Wohnung teilweise zu vermieten.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gewann nach der mündlichen Verhandlung mit Beweisaufnahme die Überzeugung, dass der Kläger den Entschluss zur Einkünfteerzielung im Streitjahr endgültig gefasst gehabt habe. Die spätere Aufgabe dieser Absicht aufgrund neuer Umstände könne keinen rückwirkenden Wegfall begründen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf die Verletzung der § 9 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 Nr. 1, § 12 Nr. 1 und § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stützt. Zwar habe der Kläger im Streitjahr die Absicht gehabt, die Wohnung zu vermieten. Diesen Entschluss habe der Kläger aber später zu Gunsten einer Eigennutzung zusammen mit seiner Lebensgefährtin aufgegeben. Hierdurch ergebe sich ein Zusammenhang der Aufwendungen für das im Streitjahr bezahlte Disagio mit Kosten der Lebensführung, die den Zusammenhang mit den ursprünglich geplanten Vermietungseinkünften überlagere. Überdies habe das FG nicht berücksichtigt, dass der Kläger die Wohnung nur bis zum Erreichen des Pensionsalters (im Jahr 2007) habe vermieten wollen, was die Prüfung seiner Einkünfteerzielungsabsicht zur Folge gehabt hätte.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Zwar hat die Vorentscheidung die Aufwendungen für die Disagien dem Grunde nach in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als vorab entstandene Werbungskosten gewertet (1.); sie ist jedoch aufzuheben, weil das FG die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers nicht überprüft hat (2.).
1. Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG) sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie können schon anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (Großer Senat des Bundesfinanzhofs --BFH--, Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C. III. 2. a; BFH-Urteil vom 4. März 1997 IX R 29/93, BFHE 183, 75, BStBl II 1997, 610). Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761).
Im Streitfall konnte das FG zu der Schlussfolgerung gelangen, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den strittigen Aufwendungen für die Disagien (zur sofortigen Abziehbarkeit von Disagien als Werbungskosten vgl. BFH-Urteil vom 15. November 1994 IX R 11/92, BFH/NV 1995, 669) mit einer Vermietung der Wohnung bestand. Die Gesamtwürdigung der vom FG z.T. in der Beweisaufnahme festgestellten Umstände dahin gehend, dass eine Vermietungsabsicht des Klägers im Streitjahr feststand, ist --wenn auch nicht zwingend-- doch jedenfalls möglich. Gegen die Abziehbarkeit der hier streitigen Aufwendungen spricht entgegen der Auffassung des FA auch nicht, dass der Kläger in späteren Veranlagungszeiträumen seine Vermietungsabsicht --möglicherweise-- aufgegeben hat. Zwar hat der Senat in mehreren Entscheidungen zur Abziehbarkeit von Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung ausgeführt, der Entschluss zur Einkünfteerzielungsabsicht dürfe später nicht wieder weggefallen sein (BFH-Beschluss vom 21. September 2000 IX B 75/00, BFH/NV 2001, 585, m.w.N., und Urteil vom 27. Januar 1993 IX R 64/88, BFH/NV 1993, 528). Indes ist dies vor dem Hintergrund des in Bezug genommenen BFH-Urteils vom 26. August 1975 VIII R 120/72 (BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9) nur so zu verstehen, dass der spätere Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht nicht zur Folge haben dürfe, dass "zwischen den Aufwendungen überhaupt kein ursächlicher Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen mehr besteht" (so BFH in BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9). Das ist aber ersichtlich nur der Fall, wenn die zunächst gefasste Einkünfteerzielungsabsicht (wieder) aufgeben wird, bevor die Aufwendungen anfallen. Werden indes Aufwendungen zu einer Zeit getätigt, in der der Steuerpflichtige seinen Entschluss zur Einkünfteezielung noch nicht aufgegeben hat, so bleibt der Zusammenhang mit der Einkunftsart auch dann bestehen, wenn diese Absicht später wegfällt.
2. Das FG hätte aber nicht ohne weiteres von der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers ausgehen dürfen. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die Einkünfteerzielungsabsicht bei von vornherein nicht auf Dauer, sondern nur für einen begrenzten Zeitraum angelegter Vermietungstätigkeit anhand einer Prognose überprüft werden muss (BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695). Dies gilt auch dann, wenn sich die Absicht des Steuerpflichtigen --wie hier-- auf eine derartige Vermietungstätigkeit bezieht.
Im Streitfall hat der Kläger bereits nach seinem eigenen Vortrag seine Vermietungstätigkeit nur für einen begrenzten Zeitraum anlegen wollen. Weil er die Vermietung der hier streitigen Eigentumswohnung mit dem Eintritt seiner Pensionierung (2007) zugunsten einer Eigennutzung aufgeben wollte, hätte das FG deshalb seine Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Totalüberschussprognose überprüfen müssen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH kann als Revisions-instanz nicht selbst überprüfen, ob in der Zeit der beabsichtigten Vermögensnutzung durch Vermietung ein Gesamtüberschuss für den Kläger erzielbar wäre. Das wird das FG in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben. Es wird dabei die Grundsätze zu beachten haben, die der Senat in seinen Urteilen vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) und in BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695 dazu aufgestellt hat.
Ende der Entscheidung
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