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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.03.2000
Aktenzeichen: IX R 57/99
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 56 Abs. 2
FGO § 56
ZPO § 519 Abs. 2 Satz 2
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
FGO § 120
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben die rechtzeitig eingelegte Revision bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht begründet. Auf den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats haben sie wegen der Versäumung dieser Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) beantragt, weil ein entschuldbares Büroversehen vorliege. Innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO haben sie auch die Revisionsbegründung vorgelegt. Ihre Angaben zur Organisation der Kontrolle von Rechtsmittelbegründungsfristen sowie zur Bearbeitung des Streitfalles in der Kanzlei ihrer Bevollmächtigten haben sie durch eidesstattliche Versicherungen des in der Kanzlei für sie tätig gewordenen Rechtsanwalts, seiner mit dem Streitfall befassten Rechtsanwaltsfachangestellten und seines Bürovorstehers glaubhaft gemacht (§ 294 der Zivilprozeßordnung --ZPO--, § 156 des Strafgesetzbuchs --StGB--).

Im Einzelnen tragen sie dazu vor: Die Anwälte der bevollmächtigten Sozietät seien beim Oberlandesgericht (OLG) zugelassen. Die Einreichung von Rechtsmittelschriften sei tägliche Praxis. Deshalb seien auch Notierung und Kontrolle von Rechtsmittelbegründungsfristen genauestens geregelt. Den Fristenkalender führe seit acht Jahren der Bürovorsteher (20 Jahre Berufserfahrung). Es bestehe die allgemeine Anweisung, dass alle Rechtsmittelschriften nebst Akten dem Bürovorsteher vorzulegen sind, damit er die Rechtsmittelbegründungsfristen notiert. Die Rechtsmittelschriften würden dann mit vorbereiteten Empfangsbescheinigungen versandt. Wenn diese vom Gericht unterschrieben zurückkämen, würden sie dem Bürovorsteher vorgelegt, der dann nochmals die Notierung der Rechtsmittelbegründungsfrist überprüfe.

Die Rechtsanwaltsfachangestellte sei wiederholt darüber belehrt worden, dass alle Rechtsmittelschriften dem Bürovorsteher zum Notieren der Rechtsmittelbegründungsfristen vorgelegt werden müssen. Sie habe dies aber im Streitfall aus ihr unerklärlichen Gründen unterlassen. Deshalb habe der Bürovorsteher keine Rechtsmittelbegründungsfrist notieren können. Die Rechtsanwaltsfachangestellte sei sich sicher, die Revision im Streitfall mit einer Empfangsbescheinigung abgesandt zu haben. Vom Finanzgericht (FG) sei keine Empfangsbescheinigung zurückgekommen, so dass der Bürovorsteher in diesem Fall die Notierung der Begründungsfrist nicht kontrolliert habe.

Der im Streitfall tätig gewordene Rechtsanwalt habe die Fachangestellte und den Bürovorsteher, die sich als äußerst zuverlässig erwiesen hätten, des Öfteren über die Fristen belehrt und stichprobenartig überwacht.

Der Senat hält es für angezeigt, vorab durch Zwischengerichtsbescheid (§ 121 Satz 1, §§ 90a, 97 FGO) über die Zulässigkeit der Revision zu entscheiden.

Die Revision ist zulässig. Den Klägern ist nach § 56 FGO Wiedereinsetzung zu gewähren, weil sie kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Die Kläger brauchen sich kein Verschulden ihrer Bevollmächtigten zurechnen zu lassen, weil es sich um ein entschuldbares Büroversehen handelt.

a) Ein Verschulden der Bevollmächtigten ist nicht darin zu sehen, dass sie die Ermittlung und Notierung der Revisionsbegründungsfrist dem Bürovorsteher überließen. Anders als im Falle des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. November 1998 X R 31/97 (BFH/NV 1999, 941) mussten sie nicht damit rechnen, dass dem Bürovorsteher die Revisionsbegründungsfrist unbekannt war, weil es sich um eine auf Rechtsmittel beim OLG spezialisierte Sozietät handelt und der Bürovorsteher insoweit über langjährige Erfahrung verfügte und zudem des Öfteren über die Fristen belehrt und stichprobenartig überwacht worden war.

b) Es liegt auch kein Organisationsmangel vor, der zur Fristversäumnis beigetragen hat. Es bestanden wiederholt bekräftigte klare Anweisungen, jede Rechtsmittelschrift vor Abgang dem Bürovorsteher mit Akten vorzulegen, damit dieser die Begründungsfrist notierte. Die Ausführung dieser Anweisungen ist stichprobenweise überwacht worden. Damit war eine ausreichende Fristenkontrolle hinsichtlich der Revisionsbegründungsfrist gewährleistet. Zwar ist die Organisation der Fristenkontrolle in der Kanzlei der Bevollmächtigten ersichtlich auf § 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgerichtet. Nach dieser Vorschrift beginnt die Begründungsfrist mit der Einlegung des Rechtsmittels, während die Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO sich automatisch an die Revisionsfrist anschließt. Für das finanzgerichtliche Verfahren wäre es daher sicherlich zweckmäßiger gewesen, die Revisionsbegründungsfrist zugleich mit der Revisionsfrist im Fristenkalender zu notieren. Gleichwohl war auch für die Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eine zuverlässige Fristenkontrolle gewährleistet, wenn diese Frist bei Abgang der Revision, beginnend mit dem Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht, im Fristenkalender notiert wurde. Denn durch dieses Verfahren war die notierte Frist allenfalls kürzer, aber keinesfalls länger als in § 120 FGO vorgeschrieben, so dass die Frist jedenfalls gewahrt blieb. Dass der bei den Finanzgerichten unübliche Rücklauf der Empfangsbescheinigung durch das Gericht unterblieb, verhinderte lediglich eine zusätzliche zweite Kontrolle durch den Bürovorsteher, die nicht verlangt werden kann. Entscheidend ist, dass der für die Fristversäumnis ursächliche Fehler schon bei der ersten Gelegenheit zum Notieren der Frist, nämlich vor Absendung der Revision, geschehen ist und auf einem Versehen einer ansonsten zuverlässigen, ausreichend belehrten und überwachten Kraft beruht.



Ende der Entscheidung

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