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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: IX R 60/04
Rechtsgebiete: EigZulG, FGO


Vorschriften:

EigZulG § 2 Abs. 1
EigZulG § 2 Abs. 1 Satz 1
EigZulG § 2 Abs. 2
EigZulG § 8 Satz 2
EigZulG § 9 Abs. 2 Satz 1
EigZulG § 9 Abs. 2 Satz 2
FGO § 118 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 2 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) für einen Anbau Anspruch auf den (höheren) Fördergrundbetrag der Eigenheimzulage gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) hat.

Der Kläger erhielt 1996 ein Grundstück geschenkt, das mit einem um das Jahr 1920 errichteten und im Jahr 1962 erneuerten Einfamilienhaus bebaut war. Dieses Haus umfasste eine Wohnfläche von 61,38 qm und wurde vom Kläger zusammen mit seiner Ehefrau ab 1997 bewohnt. Der Kläger errichtete unmittelbar daneben im Jahr 1998 (Fertigstellung) einen Neubau mit einer Wohn-/Nutzfläche von 116,73 qm und verband beide Gebäudeteile. Er nahm beim Altbauteil, der während der Bauphase weiterhin bewohnt worden war, substanzerhaltende Baumaßnahmen vor, verlegte Räume, schuf ein weiteres Badezimmer und Flure. Die Baukosten betrugen 205 212 DM. Küche und Badezimmer verblieben (neben einem Schlafzimmer) im Altbau; der Neubau umfasst Schlaf-, Arbeits- und Wohnräume und enthielt die für beide Wohnungsteile maßgeblichen Einrichtungen für die Wasserversorgung und die Heizungsanlage.

Der Kläger beantragte Eigenheimzulage in Höhe von 5 000 DM jährlich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte Eigenheimzulage für die Kalenderjahre 1998 bis 2005 in Höhe von jährlich lediglich 2 500 DM fest (§ 2 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG). Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, eine Wohnung neu hergestellt zu haben, blieb erfolglos.

Seiner Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1195 veröffentlichten Urteil bewertete es die Errichtung des Anbaus unter Einbeziehung des Altbaus als Herstellung einer neuen Wohnung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG und nicht nur als Erweiterung einer Wohnung i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 EigZulG, weil der Neubau aufgrund seiner Größe und Wohnfunktion dem gesamten Gebäudekomplex das Gepräge gebe.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung von § 2 Abs. 2, § 8 Satz 2 und § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EigZulG stützt, weil der Kläger mit dem Anbau lediglich seine Wohnung erweitert habe.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG die Voraussetzungen für eine Eigenheimzulage gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG bejaht. Nach diesen Vorschriften hat der Kläger ab dem Jahr 1998 Anspruch auf Eigenheimzulage von 5 000 DM.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus begünstigt. Der Anspruchsberechtigte kann die Eigenheimzulage im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Förderzeitraum) in Anspruch nehmen (§ 3 EigZulG), aber nur für die Kalenderjahre, in denen er die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG). Der Anspruch auf Eigenheimzulage entsteht mit Beginn der Nutzung der hergestellten oder angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken (§ 10 EigZulG).

2. Eine Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist nicht nur dann hergestellt, wenn eine neue, bisher nicht vorhandene Wohnung geschaffen wird.

Auch Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung können zur Neuherstellung einer Wohnung i.S. des § 2 Abs. 1 EigZulG führen. Die Baumaßnahmen an einer vorhandenen Wohnung müssen aber eine bautechnisch neue Wohnung ergeben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565; vom 26. Juni 2003 III R 41/02, BFH/NV 2004, 11; vom 20. November 2003 III R 14/03, BFH/NV 2004, 616, m.w.N.).

Dies kann auch durch einen mit der bisherigen Wohnung verbundenen Neubau geschehen, wenn die in die neue Wohnung einbezogene alte Gebäudesubstanz so tief greifend umgestaltet wird, dass die eingefügten Teile der entstandenen Wohnung das Gepräge geben (vgl. dazu auch Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 21. Dezember 2004, BStBl I 2005, 305, Tz. 11 Satz 2). So verhält es sich, wenn beide Gebäudeteile bautechnisch und funktional in einer Weise zusammengefügt werden, dass sich dadurch nicht lediglich die bisherige Wohnfläche vergrößert, sondern der Gesamtkomplex eine neue Wohnung bildet. Auch wenn sich im Altbau schon Räumlichkeiten befanden, die in bewertungsrechtlicher Hinsicht die Merkmale einer Wohnung erfüllen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 X R 157/95, BFHE 187, 445, BStBl II 1999, 91, unter II. 3. a, m.w.N.), liegt keine bloße Erweiterung an einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 2 EigZulG (Anbau i.S. von § 17 Abs. 2 i.V.m. § 100 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes --II.WoBauG--; vgl. auch § 16 Abs. 1 Nr. 3 des Wohnraumförderungsgesetzes --WoFG--, zur Anwendbarkeit ab 1. Januar 2002 vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX R 75/00, BFHE 198, 435, BStBl II 2002, 336, m.w.N.) vor, wenn sich auch diese Räumlichkeiten durch das Zusammenführen beider Bauteile in ihrer Struktur nachhaltig verändern.

Welche Umstände im Einzelfall dazu führen, ob die Alt- oder Neubauteile dem Gesamtkomplex das Gepräge geben, kann nur durch die Tatsacheninstanz aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse entschieden werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 9. August 1974 V R 11/74, BFHE 114, 569, BStBl II 1975, 342; zur Abgrenzung auch Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 6. November 2002 5 K 217/00, EFG 2003, 284).

3. Das FG hat zutreffend nach diesen Grundsätzen entschieden. Es ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass der Neubau dem Gesamtkomplex das Gepräge gibt. Es hat dabei berücksichtigt, dass der Kläger mit dem Neubau nicht nur weitere Wohn-, Ess-, Schlaf- und Arbeitsräume geschaffen, sondern zugleich die Funktion des Altbaus grundlegend zurückgenommen hat. Es hat in seine Beurteilung auch zutreffend mit einbezogen, dass die Wohnung vom Neubau her mit Warmwasser und Heizung versorgt wird. Die Würdigung des FG, der Kläger habe eine bautechnisch neue Wohnung errichtet, ist jedenfalls möglich und deshalb für den BFH als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend.

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