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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 23.02.1999
Aktenzeichen: IX R 61/96
Rechtsgebiete: EStDV 1990 u. 1991, FGO, EStG, HGB
Vorschriften:
EStDV 1990 u. 1991 § 82b | |
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1 | |
FGO § 118 Abs. 2 | |
EStG § 9 Abs. 1 | |
HGB § 255 Abs. 1 Satz 1 |
Gründe
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie sind Eigentümer eines Zweifamilienhauses, dessen Abwässer zunächst durch eine eigene Sickergrube beseitigt wurden. Im Streitjahr (1990) schloß die Gemeinde das Grundstück an das öffentliche Abwassersiel an und setzte dafür einen Sielbaubeitrag von 10 368,75 DM sowie einen Sielanschlußbeitrag von 2 858 DM fest. Den Gesamtbetrag von 13 226 DM machten die Kläger als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend und verteilten ihn gemäß § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung jeweils zur Hälfte auf die Jahre 1990 und 1991. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zog lediglich die Hälfte des Sielanschlußbeitrags (1 429 DM) als Werbungskosten ab. Den Sielbaubeitrag beurteilte er als Anschaffungskosten für den Grund und Boden.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 135 abgedruckt.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1990 dahin zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten von 5 184 DM berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer antragsgemäß herabzusetzen. Das FG hat den strittigen Sielbaubeitrag zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Kläger abgezogen.
1. Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich alle Aufwendungen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden. Nach dieser Vorschrift sind auch Erschließungsbeiträge sofort als Werbungskosten abziehbar, sofern sie nicht als nachträgliche Anschaffungskosten auf den Grund und Boden anzusehen sind (Senatsurteile vom 22. März 1994 IX R 52/90, BFHE 175, 29, BStBl II 1994, 842; vom 19. Dezember 1995 IX R 5/95, BFHE 179, 133, BStBl II 1996, 134, und vom 16. Juli 1996 IX R 55/94, BFH/NV 1997, 178).
a) Beiträge zur Finanzierung erstmals durchgeführter Erschließungsmaßnahmen sind nach ständiger Rechtsprechung den Anschaffungskosten von Grund und Boden zuzurechnen, da sie dazu dienen, das Grundstück baureif zu machen und es damit i.S. von § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (z.B. Senatsurteile vom 14. März 1989 IX R 138/88, BFH/NV 1989, 633; in BFHE 179, 133, BStBl II 1996, 134, und BFH/NV 1997, 178; Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Mai 1990 VIII R 198/85, BStBl II 1991, 448, BFH/NV 1991, 29; vom 3. Juli 1997 III R 114/95, BFHE 183, 504, BStBl II 1997, 811). Werden hingegen vorhandene Erschließungseinrichtungen ersetzt oder modernisiert, so sind Erschließungsbeiträge grundsätzlich sofort als Werbungskosten (oder Betriebsausgaben) abziehbar, es sei denn, das Grundstück erfährt dadurch eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 1991, 448, BFH/NV 1991, 29, und in BFHE 183, 504, BStBl II 1997, 811). Der Charakter eines Grundstücks wird durch grundstücksbezogene Kriterien bestimmt, insbesondere durch Größe, Lage, Zuschnitt, Erschließung und Grad der Bebaubarkeit. Solange diese unverändert bleiben, handelt es sich nicht um eine wesentliche Verbesserung. Nicht entscheidend ist, ob die Maßnahme aus anderen Gründen zu einer Werterhöhung des Grundstücks geführt hat (Senatsurteile in BFHE 175, 29, BStBl II 1994, 842; in BFHE 179, 133, BStBl II 1996, 134, und in BFH/NV 1997, 178).
b) Auch Erschließungsbeiträge für den erstmaligen Anschluß eines bisher nicht mit einer Abwasserentsorgung ausgestatteten Grundstücks an die Kanalisation sind danach den Anschaffungskosten für den Grund und Boden zuzurechnen, weil das Grundstück dadurch baureif gemacht wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 504, BStBl II 1997, 811, m.w.N.). Wird hingegen eine auf dem Grundstück vorhandene funktionsfähige Sickergrube durch den Anschluß an den öffentlichen Abwasserkanal ersetzt, so sind die dafür erhobenen Erschließungsbeiträge als Werbungskosten (oder Betriebsausgaben) abziehbar, weil die Abwasserentsorgung lediglich in zeitgemäßer Form modernisiert, das Grundstück aber in seiner Bebaubarkeit oder sonstigen Nutzbarkeit nicht wesentlich verbessert wird (vgl. BFH-Urteile vom 13. September 1984 IV R 101/82, BFHE 142, 247, BStBl II 1985, 49; vom 4. November 1986 VIII R 322/83, BFHE 148, 513, BStBl II 1987, 333; in BStBl II 1991, 448, BFH/NV 1991, 29; vom 12. November 1992 IV R 59/91, BFHE 170, 217, BStBl II 1993, 392). Unerheblich ist, daß --wie im Streitfall-- bisher lediglich eine private, nicht aber eine öffentliche Abwasserentsorgung vorhanden war (vgl. Senatsurteile in BFHE 179, 133, BStBl II 1996, 134, und in BFH/NV 1997, 178 --Ersetzung einer nicht öffentlichen Straße durch eine öffentliche Gemeindestraße--).
2. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie mit den vorstehenden Grundsätzen nicht übereinstimmt. Das FG hat seine Entscheidung zu Unrecht damit begründet, die Errichtung des Abwassersiels diene der Baureifmachung des Grundstücks und erhöhe dessen Wert, weil die Nutzbarkeit des Grundstücks "ganz allgemein" erweitert werde. Der von den Klägern geleistete strittige Sielbaubeitrag ist als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen, weil das neu errichtete öffentliche Abwassersiel die bisher auf dem Grundstück vorhandene Abwasserentsorgung lediglich in moderner Form ersetzt. Aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen und für den erkennenden Senat bindend sind (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ergeben sich keine Anhaltspunkte, daß das --bereits bebaute und bewohnte-- Grundstück der Kläger in seiner Bebaubarkeit oder sonstigen Nutzbarkeit tatsächlich wesentlich verbessert worden ist.
3. Die Sache ist spruchreif. Bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung sind antragsgemäß weitere Werbungskosten von 5 184 DM abzuziehen.
Ende der Entscheidung
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