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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: IX R 62/05
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 17 Abs. 2 Satz 4 | |
EStG § 17 Abs. 4 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gründete mit zwei weiteren Beteiligten im August 1996 die I-GmbH. Er übernahm von dem Stammkapital von 50 000 DM einen Geschäftsanteil in Höhe von 12 500 DM (Beteiligung 25 %). Im Zuge der GmbH-Gründung gewährte der Kläger der GmbH am 1. Oktober 1996 ein Darlehen in Höhe von 50 000 DM (Verzinsung 6 % p.a., Laufzeit bis 31. Dezember 1997).
Die vorgesehene Rückzahlung zum Endfälligkeitstermin fiel aus, im Jahr 1998 erhielt der Kläger lediglich 900 DM zurück. Am 13. Januar 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt. Die GmbH wurde am 15. März 2000 aus dem Handelsregister gelöscht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte im Einkommensteuerbescheid für 2000 (Streitjahr) als Verluste i.S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lediglich die Stammeinlage an, nicht aber die ausgefallene Darlehenssumme. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 270, veröffentlichten Urteil, dass der geltend gemachte Auflösungsverlust zwar grundsätzlich anzuerkennen sei, da er in das Streitjahr falle und es sich auch um ein Finanzplandarlehen handele, das nach einer Gesamtwürdigung der im Zeitpunkt des Abschlusses von Gesellschafts- und Darlehensvertrag vorliegenden Umstände von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft in der Weise einbezogen sei, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden sollte. Jedoch könne der Verlust deswegen nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger bis zur Löschung der GmbH nicht in jedem Veranlagungszeitraum der letzten fünf Jahre wesentlich an der GmbH beteiligt gewesen sei. Denn die Höhe der jeweils relevanten Beteiligung sei veranlagungszeitraumbezogen zu beurteilen.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, im Liquidationszeitpunkt habe eine wesentliche Beteiligung von 10 % vorgelegen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes --StEntlG-- 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304). Irrelevant sei, dass er bei der Gründung der GmbH wie auch bis zum 31. Dezember 1998 nicht wesentlich beteiligt gewesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung den Einkommensteuerbescheid 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2002 dahingehend zu ändern, dass weitere 49 100 DM als Veräußerungsverlust i.S. von § 17 EStG bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht eine wesentliche Beteiligung des Klägers in der Zeit von der Gründung der GmbH im Jahr 1996 bis zum 31. Dezember 1998 und damit innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b Satz 1 EStG verneint. Schon deshalb war der streitige Auflösungsverlust nicht zu berücksichtigen.
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Dies gilt gemäß § 17 Abs. 4 EStG entsprechend, wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird. Eine wesentliche Beteiligung ist nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zumindest 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war.
a) Auflösungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 2, 4 EStG ist der Betrag, um den der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft (Abs. 4 Satz 2) nach Abzug der im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen (persönlich) getragenen Aufwendungen (Auflösungskosten entsprechend § 17 Abs. 2 EStG) seine Anschaffungskosten übersteigt; Auflösungsverlust ist der Betrag, um den die genannten Kosten den Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Juni 1993 VIII R 23/92, BFH/NV 1994, 459). Zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung gehören auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Dazu zählt auch eine Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344, unter 2. a, m.w.N.; vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl 1999, 724, unter 2.). Nach § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b, Abs. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist jedoch ein Auflösungsverlust nicht zu berücksichtigen, soweit er auf Anteile entfällt, die entgeltlich erworben worden sind und nicht innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer wesentlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen gehört haben.
b) Der BFH (Urteil vom 22. Februar 2005 VIII R 41/03, BFH/NV 2005, 1518) konnte bisher offenlassen, ob bei unterschiedlichen Grenzen im Rahmen des § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG die im Zeitpunkt der Auflösung einer Kapitalgesellschaft gültige Wesentlichkeitsgrenze auch für die Vergangenheit maßgeblich ist (Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 241e; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 28. Aufl., § 17 Rz 199; Herzig/Förster, Der Betrieb --DB-- 1999, 711; vgl. auch Strahl in Korn, § 17 EStG Rz 108; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz 9, 13), oder ob sich die Wesentlichkeit der Beteiligung stets nach der im jeweiligen Kalenderjahr gültigen Gesetzesfassung richtet (Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 365).
c) Der Senat legt § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG dahingehend aus, dass die Wesentlichkeit einer Beteiligung i.S. dieser Vorschrift --anders als die Wesentlichkeit i.S. von § 17 Abs. 1 EStG (dazu BFH-Urteil vom 1. März 2005 VIII R 25/02, BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436)-- veranlagungszeitraumbezogen zu bestimmen ist.
Die im Streitfall gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG maßgebliche Wesentlichkeitsgrenze von 10 % (StEntlG 1999/2000/2002; vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 2004 VIII B 129/04, BFH/NV 2005, 540; BFH-Urteil vom 20. April 2004 VIII R 52/02, BFHE 206, 98, BStBl II 2004, 556, unter 2.) kann schon angesichts des differenzierenden Wortlauts von § 17 Abs. 1 EStG ("innerhalb der letzten fünf Jahre") und § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG ("innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre") nicht auf die Bestimmung der wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG übertragen werden. Anders als in der Fassung des Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) verweist § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG in der im Streitjahr maßgeblichen --für die in den Jahren 1996 bis 2001 entstandenen Verluste geltenden-- Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 nicht auf die "Beteiligung im Sinne von Absatz 1 Satz 1". Vielmehr spricht § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG lediglich von einer wesentlichen Beteiligung.
Im Übrigen wollte der Gesetzgeber durch die Einschränkung des Verlustabzugs in § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG Gestaltungen verhindern oder erschweren, die es bisher einem nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter ermöglichen, durch kurzfristigen Zukauf von Anteilen eine im Privatvermögen entstandene Wertminderung in den steuerlichen Verlustausgleich einzubeziehen (vgl. BTDrucks 13/901, S. 133 zu Nummer 17). Er hat solche Sachverhalte als missbräuchlich angesehen (vgl. BTDrucks 14/6877, S. 28 zu Buchstabe c (Absatz 34a)) und deshalb den Verlustabzug nur im Umfang derjenigen Anteile zulassen wollen, die der Gesellschafter erworben hat, um seine Beteiligung zu einer wesentlichen aufzustocken (vgl. BTDrucks 14/265, S. 180 zu Buchstabe b (Absatz 2 Satz 4)). Damit stellt § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG mit dem Erfordernis einer ununterbrochenen wesentlichen Beteiligung im Unterschied zur wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG "innerhalb der letzten fünf Jahre" einen sachlichen Zusammenhang zwischen der Steuerverhaftung einer Beteiligung und der Verlustberücksichtigung her (vgl. BTDrucks 14/23, 179). Dieser Zusammenhang kann nur durch die im jeweiligen Berücksichtigungszeitraum maßgebliche Wesentlichkeit einer Beteiligung vermittelt werden.
Andere Schlussfolgerungen für die Höhe der wesentlichen Beteiligung ergeben sich auch nicht daraus, dass § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG als Ausnahmeregelung ("ist nicht zu berücksichtigen") nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zugunsten des Steuerpflichtigen eng auszulegen ist.
d) Der veranlagungszeitraumbezogenen Auslegung der Wesentlichkeitsgrenze im Rahmen von § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG steht auch nicht die rückwirkende Geltung der Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 selbst gemäß § 52 Abs. 34a EStG entgegen. Denn hieraus ergibt sich keine Regelung zur Geltung auch der Wesentlichkeitsgrenze. Für die Bestimmung der Wesentlichkeit gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 34a Satz 1 1. Halbsatz EStG bzw. § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.V.m. § 52 Abs. 34a Satz 1 2. Halbsatz EStG ist hingegen --worauf das FG zutreffend verweist-- keine gesetzliche Rückwirkung angeordnet (vgl. auch BFH-Urteil vom 1. März 2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398).
2. Nach diesen Grundsätzen war der Kläger in den Vorjahren nach der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht wesentlich beteiligt, weil seine Beteiligung 25 % nicht überstieg.
Die Sache ist spruchreif. Es kann dahinstehen, ob der Ausfall des vom Kläger der I-GmbH gewährten Darlehens zu einem Auflösungsverlust des Klägers geführt hat. Denn ein solcher war gemäß § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b Satz 1 EStG nicht zu berücksichtigen.
Ende der Entscheidung
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