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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: IX R 65/03
Rechtsgebiete: II. WoBauG, AO 1977, EStG, FGO, HGB


Vorschriften:

II. WoBauG § 88d
AO 1977 § 163 Satz 1
AO 1977 § 163 Satz 2
AO 1977 § 164 Abs. 1
AO 1977 § 171 Abs. 10
AO 1977 § 181 Abs. 1 Satz 1
EStG § 11 Abs. 1
FGO § 126 Abs. 2
HGB § 255 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Grundstücksgemeinschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie errichtete ein Mehrfamilienhaus und vermietete die Wohnungen ab Bezugsfertigkeit (1995). Aufgrund einer 1995 abgeschlossenen Vereinbarung über die Gewährung eines Kostenzuschusses aus Haushaltsmitteln des Landes Hessen nach den Richtlinien der Vereinbarten Förderung im Hessischen Mietwohnungsbauprogramm nach § 88d des Zweiten Wohnungsbaugesetzes --II.WoBauG-- (Dritter Förderungsweg, Staatsanzeiger für das Land Hessen --StAnz-- 1993, S. 2814) erhielt die Klägerin für ihre Baumaßnahme einen Kostenzuschuss in Höhe von 240 000 DM, der in zwei Raten ausgezahlt worden war, und zwar --nach Abzug eines Bearbeitungsentgelts-- im Jahr 1995 in Höhe von 91 200 DM und im Jahr 1996 in Höhe von 144 000 DM. In der Vereinbarung verpflichtete sich die Klägerin u.a., die Wohnungen für die Dauer von 20 Jahren nur an Wohnberechtigungsscheininhaber und nur zu einem bestimmten, der Höhe nach begrenzten Mietzins (Mietpreisbindung) zu vermieten.

Die Klägerin kürzte in ihren Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung ihrer Vermietungseinkünfte für die Jahre 1995 und 1996 ihre Herstellungskosten des Mehrfamilienhauses um die erhaltenen Zuschüsse und wurde zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) veranlagt. Im Rahmen des Feststellungsverfahrens für das Streitjahr 1997 teilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) der Klägerin mit, dass die erhaltenen Zuschüsse --statt die AfA-Bemessungsgrundlage zu mindern-- als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen seien. Im Bescheid über die geänderte einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1995 und 1996 ließ das FA eine Verteilung dieser Einnahmen nach R 163 Abs. 2 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) auf bis zu zehn Jahre zu und berücksichtigte dementsprechend jeweils 1/10 des Zuschusses bei den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. In der gleichen Weise stellte das FA auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre (1997 bis 1999) fest. In den Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin gegen die Qualifizierung des Zuschusses als Einnahme, stellte aber rein vorsorglich den Antrag, die erhaltenen 235 200 DM auf einen Zeitraum von 10 Jahren zu verteilen. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin ab. Die vom Land erhaltenen öffentlichen Mittel seien Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, weil die Mietpreisbindung sowie das Belegungsrecht als Gegenleistung für den Zuschuss gewertet werden müssten. Die Feststellungsbescheide seien auch insoweit zutreffend, als das FA in den Streitjahren nur jeweils 1/10 des Zuschusses den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet habe. Da die Klägerin im Verwaltungsvorverfahren selbst eine Verteilung beantragt habe, müsse sie sich jetzt daran festhalten lassen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die öffentlichen Mittel, um die es hier gehe, hingen trotz der Mietpreisbindung und des Belegungsrechts nicht mit der Gebrauchsüberlassung des Grundstücks zusammen. Als Rechtsgrundlage für eine Verteilung käme lediglich § 163 Satz 1 AO 1977 in Betracht, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlägen. Der Grundsatz der sachlichen Billigkeit gebiete es, abweichend vom Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die Einnahmen auf den Zeitraum zu verteilen, für den die Klägerin eine Mietpreisbindung eingegangen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet; sie ist deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

1. Die Klage der Klägerin ist zulässig; denn sie selbst ist als Vermieterin auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beteiligtenfähig und klagebefugt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Mai 2004 IX R 83/00, BFH/NV 2004, 1323).

2. Auch in der Sache hat die Vorentscheidung die Mittel nach dem sog. Dritten Förderungsweg zutreffend als Einnahmen der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung gewertet (vgl. im einzelnen BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 IX R 60/02, BFHE 203, 382, BStBl II 2004, 14, und IX R 34/02, BFH/NV 2004, 333).

Entgegen der Auffassung der Klägerin mindern die Zuschüsse nicht die Herstellungskosten des Mehrfamilienhauses i.S. von § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB); denn die Haushaltsmittel dienen nicht dazu, dieses Objekt zu errichten, sondern bilden die Gegenleistung des Landes Hessen für die vertraglich eingegangenen Bindungen des Bauherren, nur an einen bestimmten Personenkreis zu einem bestimmten Preis zu vermieten, um dadurch die öffentliche Aufgabe der sozialen Wohnraumförderung zu erfüllen (vgl. dazu § 1 des II.WoBauG; ab 2001 § 1 des Wohnraumförderungsgesetzes). Diese vertraglichen Bindungen sind zeitlich auf 20 Jahre begrenzt und decken sich nicht mit der Nutzungsdauer des hergestellten Objekts. Die Mittel sollen dementsprechend nicht die auf die Nutzungsdauer des Gebäudes zu verteilenden Herstellungskosten subventionieren, sondern die Verpflichtung der Klägerin entgelten, sich in dem vertraglich festgelegten Zeitraum entsprechend dem Förderzweck zu verhalten. Das kommt auch in den Regelungen zum Ausdruck, die die Vereinbarung für den Fall der Nichterfüllung der Pflichten während der zwanzigjährigen Bindungsdauer durch die Klägerin vorsieht: Der Zuschussgeber ist zur Kündigung der Vereinbarung mit der Folge berechtigt, dass die Klägerin den bereits ausgezahlten Zuschuss zurückzahlen muss.

Mangels zureichender Rechtsgrundlage besteht auch kein Wahlrecht der Klägerin, die Zuschüsse statt als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung als Herstellungskosten des Mietshauses zu behandeln (so bereits BFH-Urteil vom 26. März 1991 IX R 104/86, BFHE 164, 263, BStBl II 1992, 999).

3. Hat nach diesen Maßstäben die Vorentscheidung die von der Klägerin vereinnahmten Zuschüsse zutreffend als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung beurteilt, so ist auch die Besteuerung in den Streitjahren nicht zu beanstanden.

Zwar sind die Mittel nach dem sog. Dritten Förderungsweg gemäß § 11 Abs. 1 EStG im Jahr des Zuflusses zu erfassen (BFH in BFHE 203, 382, BStBl II 2004, 14). Die Klägerin hat die Landesmittel in den Jahren 1995 und 1996 und damit nicht in den Streitjahren erhalten. Trotzdem ist das FA berechtigt, in den Streitjahren jeweils 1/10 der Einnahmen der Besteuerung zu unterwerfen. Denn es hat eine derartige Verteilung der Einnahmen gemäß R 163 Abs. 2 EStR zugelassen.

Dabei handelt es sich um eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Satz 2 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Nach diesen Vorschriften kann es das FA mit Zustimmung des Steuerpflichtigen zulassen, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Feststellung erst zu einer späteren Zeit berücksichtigt werden. Der Steuerpflichtige kann so durch einen Antrag aufgrund von R 163 Satz 2 EStR eine Sofortversteuerung der Zuschüsse vermeiden (vgl. BFH-Urteile vom 5. Juni 2003 IV R 56/01, BFHE 202, 343, BStBl II 2003, 801, unter 2 b, und vom 19. Juli 1995 I R 56/94, BFHE 179, 19, BStBl II 1996, 28, unter II. 5. c cc).

Das FA hat durch einen eigenständigen Verwaltungsakt zusammen mit der Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1995 und 1996 entschieden und darin die Verteilung auf zehn Jahre zugelassen. Dieser Bescheid ist Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO 1977 (vgl. BFH-Urteile vom 16. März 2004 VIII R 33/02, BFHE 205, 270; vom 21. September 2000 IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178, und vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl II 1993, 3) und hat in Bezug auf die angefochtenen Feststellungsbescheide für die Streitjahre Bindungswirkung. Der Verwaltungsakt berechtigt die Klägerin, ihre Einkünfte auf zehn Veranlagungszeiträume zu verteilen, um auf diese Weise die Progressionswirkung einer sofortigen Versteuerung zu vermindern. Umgekehrt muss es die Klägerin jedoch hinnehmen, wenn das FA abweichend vom Zufluss auch in späteren Jahren Einnahmen der Besteuerung unterwirft. Die Klägerin kann eine Änderung der vom FA zugelassenen Verteilung nur in einem erneuten Billigkeitsverfahren geltend machen.

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