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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2000
Aktenzeichen: IX R 66/97
Rechtsgebiete: BGB, EStG


Vorschriften:

BGB § 529 Abs. 1
BGB § 528
BGB § 528 Abs. 1 Satz 1
BGB § 528 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2
EStG § 33
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
EStG § 9 Abs. 1 Satz 2
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

Die Stiefmutter des Klägers hatte dem Kläger und seiner Schwester im Jahre 1986 im Alter von 82 Jahren Anteile an sieben Eigentumswohnungen zu je 1/2 übertragen, die bis auf eine eigengenutzte Wohnung vermietet waren. Im Jahre 1989 hatte der Kläger die restlichen Anteile von seiner Schwester hinzu erhalten, so dass ihm die Wohnungen nunmehr allein zuzurechnen waren. Gegenleistungen für die Übertragung des Grundbesitzes wurden nicht vereinbart.

Die Stiefmutter musste aufgrund eines Unfalls ab dem 20. September 1989 in einem Pflegeheim untergebracht werden, dessen Kosten zunächst von ihrer Rente bestritten werden konnten. Als ab Oktober 1991 eine Intensivpflege der nunmehr 87-jährigen Frau erforderlich wurde, konnte diese die Kosten hierfür nicht mehr vollständig selbst bezahlen. Daraufhin machte der Träger der Pflegeeinrichtung, der Landschaftsverband X, gegenüber dem Kläger einen auf ihn übergeleiteten Anspruch auf Rückforderung einer Grundstücksschenkung wegen Verarmung des Schenkers nach §§ 528, 818 Abs. 2 und 822 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geltend und forderte die Kläger auf, die nicht gedeckten Pflegekosten für die Stiefmutter zu zahlen. Die Kläger kamen im Streitjahr der übergeleiteten Forderung des Landschaftsverbandes X nach.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1992) machten die Kläger diese Aufwendungen in Höhe von ... DM als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte diese Aufwendungen in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nicht an.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte zwar die Auffassung des FA, dass die Zahlungen nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG berücksichtigt werden könnten. Es handele sich jedoch um Anschaffungskosten für das streitbefangene Grundstück, die im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG steuerlich zu berücksichtigen seien, soweit sie auf das vermietete Gebäude entfielen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 1225).

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG. Die streitigen Aufwendungen seien als sofort abziehbare Werbungskosten und nicht als nachträgliche Anschaffungskosten lediglich in Höhe der Abschreibungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des FG Düsseldorf vom 14. Juli 1997 11 K 6927/94 E, die Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 1994 sowie den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 4. August 1993 aufzuheben und die Einkommensteuer 1992 unter Berücksichtigung des Betrages von ... DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung festzusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Aufwendungen der Kläger sind nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG abziehbar. Eine Berücksichtigung der Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung ist ausgeschlossen, wenn ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch (Rückforderungsanspruch) auf Herausgabe der geschenkten Vermögenswerte wegen Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gemäß §§ 528, 529 Abs. 1 BGB besteht. Die Rückgabe von zuvor durch Schenkung erlangten Vermögenswerten oder ein entsprechender Wertausgleich bedeuten keine "Belastung" i.S. von § 33 EStG (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. November 1996 III R 38/95, BFHE 182, 64, BStBl II 1997, 387). Da die Kläger die Zahlungen aufgrund eines Anspruchs auf Rückforderung einer Grundstücksschenkung wegen Verarmung der Schenkerin gemäß § 528 BGB geleistet haben, scheidet ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen schon aus diesem Grund aus.

2. Die Aufwendungen sind auch keine sofort abziehbaren Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Zahlungen an die Stiefmutter des Klägers aufgrund von § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB sind nicht durch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung veranlasst.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Werbungskosten alle Aufwendungen, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Aufwendungen sind nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 147/99, BFHE 191, 561, BStBl II 2000, 476, m.w.N.).

b) Nach diesen Maßstäben sind die Zahlungen an die Stiefmutter des Klägers aufgrund von § 528 Abs. 1 BGB nicht als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

Die Zahlungen an die Stiefmutter des Klägers sind nicht durch die Verwendung des geschenkten Grundstücks zur Einkunftserzielung veranlasst, sondern beruhen auf einem Rückforderungsanspruch wegen Bedürftigkeit des Schenkers gemäß § 528 BGB. Gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Schenker von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, soweit er nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die 10-Jahres-Frist des § 529 Abs. 1 BGB nicht abgelaufen ist. Dieser Anspruch zielt darauf ab, den Schenker in die Lage zu versetzen, seinen eigenen Unterhalt zu bestreiten. Die Aufwendungen sind damit in erster Linie durch die Unterhaltsansprüche der Stiefmutter des Klägers veranlasst und insoweit auch begrenzt.

Dies wird auch durch den Umfang des Anspruchs nach § 528 Abs. 1 BGB bestätigt. Der Rückforderungsanspruch besteht lediglich in dem Umfang, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen Unterhalts erforderlich ist. Da es sich bei dem geschenkten Grundstück um einen nicht teilbaren Gegenstand handelt, kann die Stiefmutter nur Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB in Höhe des zur Deckung des Unterhalts benötigten Teils der Schenkung verlangen. Die Aufwendungen sind danach durch den Unterhaltsbedarf des Schenkers, nicht aber durch die Verwendung des geschenkten Grundstücks zur Einkunftserzielung veranlasst.

Ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Zahlungen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Kläger mit den Zahlungen an seine Stiefmutter vermeidet, dass die Eigentumswohnungen zur Erfüllung des Anspruchs aus § 528 BGB verwertet werden. Insoweit würde es sich lediglich um Aufwendungen zur Abwehr von Gefahren für das der Einkunftserzielung dienende Vermögen handeln.

Derartige Aufwendungen sind mangels eines Veranlassungszusammenhangs mit der Einkunftserzielung nicht als Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar, wenn die Zugehörigkeit eines der Einkunftserzielung dienenden Wirtschaftsgutes zum Vermögen des Steuerpflichtigen bedroht ist; denn in einem solchen Falle steht nicht die Absicht der Einkunftserzielung, sondern die Beeinträchtigung des Vermögens des Steuerpflichtigen im Vordergrund. Ein Veranlassungszusammenhang von Abwehrkosten mit der Erzielung von Einkünften setzt voraus, dass die abzuwehrende Gefahr durch die Einkunftserzielung begründet ist, wie z.B. durch die Verwendung eines Wirtschaftsguts zur Einkunftserzielung (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juli 1997 IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772; vom 9. September 1997 IX R 75/94, BFH/NV 1998, 310; vom 11. Mai 1993 IX R 25/89, BFHE 171, 445, BStBl II 1993, 751; vgl. auch v. Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 850 "Abwendung des Heimfallanspruchs", "Zahlung wegen Rückerstattungsverpflichtung").

Die Kläger können sich auch nicht auf das Urteil des BFH vom 21. Juli 1966 IV 170/61 (BFHE 86, 684, BStBl III 1966, 646) berufen. Nach dem Sachverhalt dieses Urteils hatte sich der Kläger in einem Vergleich verpflichtet, zur Abwendung eines Rückerstattungsanspruches auf den Kaufpreis einen bestimmten Betrag nachzuzahlen. Die Nachzahlung eines Kaufpreises lässt sich jedoch nicht mit dem Rückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB vergleichen. Der BFH hat im Übrigen in diesem Urteil ausdrücklich offen gelassen, ob der Steuerpflichtige diese Aufwendungen im Jahr der Zahlung voll abziehen dürfe oder ob er sie als anschaffungsähnlichen Aufwand behandeln müsse.

3. Die Aufwendungen der Kläger sind auch nicht als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar. Zur Begründung wird auf das Urteil vom gleichen Tage in der Sache IX R 13/97, BFHE ..., ..., verwiesen (II. 1. der Gründe).

4. Der Senat kann offen lassen, ob die strittigen Aufwendungen zu (nachträglichen) Anschaffungskosten führen, denn dies bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Das FG hat die Zahlungen als (nachträgliche) Anschaffungskosten beurteilt und dementsprechend die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung gemindert.



Ende der Entscheidung

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