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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.08.2002
Aktenzeichen: IX R 70/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 4
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 5
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 6
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger erbte im Jahre 1992 ein Haus, das sich auf dem Grundstück befindet, auf dem auch das Wohnhaus der Kläger steht. Ab 1993 richteten die Kläger das --vom Erblasser viele Jahre wenig oder überhaupt nicht gepflegte-- Haus wieder her und bauten es zu einem Ferienhaus aus. Sie investierten in den Jahren 1993 bis 1997 in die Instandhaltung insgesamt 108 367 DM und in den Jahren 1996 bis 1998 in die Einrichtung insgesamt 14 576 DM. Ab 1997 vermieteten die Kläger das Haus an Kurgäste und erzielten Einnahmen von 2 180 DM (1997), 1 950 DM (1998), 2 880 DM (1999), 6 160 DM (2000) und ca. 6 000 DM (2001).

In ihren Einkommensteuererklärungen der Streitjahre (1995 bis 1997) machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Ferienhauses Werbungskostenüberschüsse von 16 548 DM (1995), 21 950 DM (1996) und 23 797 DM (1997) geltend, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nicht zum Abzug zuließ.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Die Kläger hätten das Ferienhaus mit Einkünfteerzielungsabsicht vermietet. Nach ihrer zutreffenden Prognose, die u.a. von 100 Vermietungstagen pro Jahr ausgehe, sei nach 25 Jahren, spätestens aber nach 30 Jahren mit einem Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu rechnen.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 21 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Der für die Totalüberschussprognose anzusetzende Zeitraum sei anhand der statistischen Lebenserwartung der Kläger zu ermitteln, die weniger als 25 Jahre betrage. Das FG sei auch zu Unrecht von durchgängig 100 Vermietungstagen pro Jahr im Prognosezeitraum ausgegangen. Im Jahre 1998 sei das Ferienhaus nur an 25 Tagen und im Jahre 1999 nur an 30 Tagen vermietet gewesen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klagen gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 1995 bis 1997 abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um in der Revisionsinstanz abschließend darüber zu entscheiden, ob das FG zu Recht die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger bejaht hat.

1. Bei der Ermittlung des Einkommens für die Einkommensteuer sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Kennzeichnend für die Einkunftsarten ist, wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, 766 f., unter C. IV. 3. c aa (1)) ausgeführt hat, dass die ihnen zugrunde liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen der Erzielung positiver Einkünfte dienen.

a) Bezogen auf die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung folgt hieraus, dass eine Vermietungstätigkeit nur dann dieser Einkunftsart zuzurechnen ist, wenn der Vermieter die Absicht hat, auf die Dauer der Vermögensnutzung einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwirtschaften (z.B. BFH-Urteil vom 5. September 2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II. 2.); nichtsteuerbare Veräußerungsgewinne bleiben dabei unberücksichtigt (Beschluss in BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, 766 f., unter C. IV. 3. c aa (2)). Die Einkünfteerzielungsabsicht kann erst nachträglich einsetzen und auch wieder wegfallen (BFH-Urteil vom 31. März 1987 IX R 112/83, BFHE 150, 325, BStBl II 1987, 774, m.w.N.).

b) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass die Steuerpflichtigen beabsichtigen, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, selbst wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Die Grundsätze des vorgenannten Urteils sind auch beim Vermieten von Ferienwohnungen anzuwenden, wenn diese von den Steuerpflichtigen ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten werden (z.B. BFH-Urteil vom 21. November 2000 IX R 37/98, BFHE 193, 479, BStBl II 2001, 705, m.w.N.). Dies gilt --wie der Senat in seinem Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFHE 197, 151) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat-- unabhängig davon, ob die Steuerpflichtigen die Ferienwohnung in Eigenregie oder durch Einschalten eines Dritten vermieten. Aus dem Urteil ergibt sich auch, dass durch die Vermietung veranlasste kurzfristige Aufenthalte in der Ferienwohnung keine Selbstnutzung sind.

c) Dagegen ist nach dem BFH-Urteil in BFHE 197, 151 bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen die Frage, ob die Steuerpflichtigen mit oder ohne Einkünfteerzielungsabsicht vermietet haben, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe des BFH-Urteils in BFHE 197, 151.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Kläger das Ferienhaus auch (zu privaten Zwecken) selbst (ggf. durch unentgeltliches Überlassen an Angehörige, Freunde oder sonstige Dritte, s. BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 2/99, BFH/NV 2002, 771) genutzt oder ausschließlich an wechselnde Feriengäste (Kurgäste) vermietet und in der übrigen Zeit zur Vermietung bereitgehalten haben. Trifft das Letztere zu, ist ohne weitere Prüfung von der Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger auszugehen. Haben die Kläger das Ferienhaus dagegen teilweise selbst genutzt, muss das FG die Kosten aufteilen und durch eine unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats vorzunehmende Prognose feststellen, ob durch die Vermietungstätigkeit in einem Zeitraum von 30 Jahren ein Totalüberschuss erzielt werden kann (zur Schätzung der Einnahmen und Ausgaben siehe auch BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 34/97, BFH/NV 2002, 768).



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