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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.11.1999
Aktenzeichen: IX R 70/96
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 22 Nr. 2 | |
EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b |
Werden Wertpapiere mit variablem Zins (Floating-Rate-Notes) ausgegeben, die in eine festverzinsliche Schuldverschreibung (Bonds) umgetauscht werden können, bedeutet der Umtausch jedenfalls dann keine Anschaffung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG, wenn Emittent, Inhaber, Nennbetrag und Laufzeit unverändert bleiben, das Umtauschrecht zum Bezug der Bonds bereits mit dem Kauf der Floating-Rate-Notes erworben wird und im Fall eines Umtausches die Floating-Rate-Notes gelöscht und die (nicht gesondert handelbaren) Bonds neu ausgegeben werden.
EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
Urteil vom 30. November 1999 - IX R 70/96 -
Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1996, 377)
Gründe
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wird, erwarb am 20. November 1984 über seine Bank eine Anleihe (Floating-Rate-Notes) mit variablem Zinssatz, der regelmäßig an die aktuelle Zinsentwicklung des Finanzmarktes angepasst wurde. Nach den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Emissionsbedingungen hatte der Anleger das Recht, aber nicht die Pflicht, von einem bestimmten Zeitpunkt an die Anleihe provisionsfrei in eine festverzinsliche Schuldverschreibung (Bonds) umzutauschen. Dazu waren die Floating-Rate-Notes an den Emittenten zurückzugeben. Dieser hatte dafür im Austausch die Bonds zum gleichen Nennbetrag und mit unveränderter Laufzeit neu auszugeben.
Der Kläger machte von dem Umtauschrecht Gebrauch. Seine Bank wickelte den Umtausch als zwei getrennte Vorgänge ab und erteilte ihm unter dem 28. Januar 1985 für den "Verkauf" der Floating-Rate-Notes und den zeitgleichen "Kauf" der Bonds getrennte Abrechnungen, in denen die Wertpapiere jeweils mit unterschiedlichen Bezeichnungen und unterschiedlichen Wertpapierkennnummern aufgeführt waren. Zum 30. April 1985 wurden die zurückgegebenen Floating-Rate-Notes gelöscht. Am 28. Mai 1985 beauftragte der Kläger seine Bank, die Bonds, deren Kurs gestiegen war, zu veräußern.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte den Umtausch als Anschaffung von Wertpapieren und setzte aufgrund des Kursgewinns die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Spekulationsgewinns gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung fest.
Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 377).
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG. Die Spekulationsfrist lasse sich nur für ein und dasselbe Objekt festlegen. So setze auch die Rechtsprechung die Nämlichkeit des angeschafften und des veräußerten Wirtschaftsguts voraus. Das FG habe dem Tausch, der eine Anschaffung bedeute, zu Unrecht nur formalen Charakter zugebilligt. Der Anleger habe die Möglichkeit gehabt, während der Laufzeit des zunächst erworbenen ersten Wertpapiers ein neues anderes Wertpapier zu erwerben. Das erste Wertpapier sei verkauft und der Kaufpreis zum Erwerb des zweiten Wertpapiers eingesetzt worden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die Voraussetzungen eines Spekulationsgeschäftes nicht als erfüllt angesehen.
1. Ein Spekulationsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als sechs Monate beträgt. Für die Berechnung dieses Zeitraums sind grundsätzlich die Zeitpunkte der obligatorischen Verträge maßgebend (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Dezember 1997 X R 88/95, BFHE 185, 40, BStBl II 1998, 343).
Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 EStG erfasst nur Veräußerungsgeschäfte über Wirtschaftsgüter. Das veräußerte Wirtschaftsgut muss mit dem erworbenen zumindest wirtschaftlich identisch sein. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen (BFH-Urteile vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248, m.w.N.; vom 27. August 1997 X R 26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135).
2. Werden Wertpapiere mit variablem Zins (Floating-Rate-Notes) ausgegeben, die in eine festverzinsliche Schuldverschreibung (Bonds) umgetauscht werden können, sind die zunächst erworbenen Floating-Rate-Notes und die dafür eingetauschten Bonds jedenfalls dann wirtschaftlich identisch, wenn Emittent, Inhaber, Nennbetrag und Laufzeit unverändert bleiben, das Umtauschrecht zum Bezug der Bonds bereits mit dem Kauf der Floating-Rate-Notes erworben wird und im Fall eines Umtausches die Floating-Rate-Notes gelöscht und die (nicht gesondert handelbaren) Bonds neu ausgegeben werden. In derartigen Fällen bedeutet der Umtausch nicht die Anschaffung eines neuen Wertpapiers. Vielmehr sind die eingetauschten Bonds bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der Floating-Rate-Notes i.S. von § 23 Abs. 1 EStG angeschafft. Die Gegenleistung für den Erwerb der Bonds besteht bereits in der Bezahlung des Kaufpreises für die Floating-Rate-Notes. Der Anleger wendet einen Geldbetrag auf, um zunächst ein variabel verzinsliches Wertpapier zu erwerben und dieses ggf. in ein festverzinsliches tauschen zu können. Der Kauf der Floating-Rate-Notes und ihr Umtausch in Bonds stellt einen wirtschaftlich und steuerrechtlich einheitlichen Vorgang dar, der insoweit mit dem Umtausch von Wandelschuldverschreibungen in Aktien vergleichbar ist (vgl. dazu Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 24. August 1944 I 21/44, RFHE 54, 128; BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 I R 106/71, BFHE 109, 22, BStBl II 1973, 460). Durch den Umtausch, bei dem die ursprünglich investierten Mittel für den Anleger nicht frei verfügbar sind, ändern sich wirtschaftlich lediglich die Zinsbedingungen der ursprünglich erworbenen Wertpapiere.
3. Nach diesen Maßstäben ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die sechsmonatige Spekulationsfrist bereits mit dem Erwerb der Floating-Rate-Notes durch den Kläger begonnen hatte und bei der späteren Veräußerung der dafür eingetauschten Bonds abgelaufen war. Der zwischenzeitliche Umtausch der Floating-Rate-Notes in die Bonds ist nicht als Anschaffung eines neuen Wirtschaftsguts zu beurteilen, vielmehr handelte es sich um wirtschaftlich identische Wertpapiere. Entgegen der Auffassung des FA hat der Kläger nicht die Floating-Rate-Notes veräußert und den Verkaufserlös zum Erwerb eines neuen Wertpapiers eingesetzt. Der Kläger hat lediglich ein bereits mit dem ursprünglichen Erwerb der Floating-Rate-Notes erworbenes Umtauschrecht ausgeübt. Dadurch erlangte er nicht die Verfügung über die zum Kauf der Floating-Rate-Notes eingesetzten Mittel (die er zum Kauf neuer Wertpapiere hätte einsetzen können), sondern nur das Recht zum vertragsgemäßen Bezug der an ihn neu auszugebenden Bonds. Die banktechnische Abwicklung des Umtauschs in Form eines "Verkaufs" und eines "Kaufs" mit gesonderten Wertpapierbezeichnungen und Kennnummern steht dieser Beurteilung nicht entgegen, weil diese formalen Merkmale an der wirtschaftlichen Nämlichkeit der Floating-Rate-Notes und der für sie vertragsgemäß eingetauschten Bonds nichts zu ändern vermögen.
4. Der Senat ist im Streitfall nicht aufgrund der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, 2 BvR 1220/93, 2 BvR 1852, 1853/97 (BVerfGE 99, 246, 268, 273, BStBl II 1999, 174, 193, 194) an einer abschließenden Entscheidung in der Sache gehindert. Das FA hat im Hinblick auf die Beschlüsse des BVerfG die Steuerfestsetzung des Streitjahres hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge für vorläufig erklärt. Hierdurch ist sichergestellt, dass die Steuerfestsetzung der Kläger nach Maßgabe der zur Umsetzung der BVerfG-Beschlüsse zu schaffenden gesetzlichen Regelung (vgl. Finanznachrichten des Bundesministeriums der Finanzen Nr. 21/99 vom 15. September 1999) überprüft werden wird.
Da der den Vorläufigkeitsvermerk enthaltende Änderungsbescheid vom 23. August 1999, der nach §§ 68, 121 Satz 1, 123 Satz 2 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, zugleich die ursprüngliche Steuerfestsetzung des FA wiederholt, ist die Einkommensteuer auf den durch das FG festgesetzten Betrag herabzusetzen.
Ende der Entscheidung
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