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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.10.1998
Aktenzeichen: IX R 72/95
Rechtsgebiete: EStDV, EStG, FGO, HGB


Vorschriften:

EStDV § 82a
EStG § 7 Abs. 4
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
HGB § 255 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewohnt ein auf einem Fabrikgelände gelegenes Wohnhaus, das als gemischtgenutztes Grundstück bewertet ist. Das im Jahr 1900 errichtete Wohngebäude erhielt 1951 einen Anbau; 1977 ließ der Kläger außerdem ein Hallenbad anbauen. In den Streitjahren ließ der Kläger umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten ausführen. Die dafür geleisteten Aufwendungen machte er als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend (rd. 160 000 DM für 1985 und rd. 460 000 DM für 1986). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Aufwendungen hingegen als Herstellungskosten. Er ließ nur Absetzungen für Abnutzung (AfA) von 2,5 v.H. und --im Klageverfahren-- für einen Teil der Aufwendungen erhöhte Absetzungen gemäß § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zum Abzug zu.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Kläger habe eine sog. Generalüberholung durchgeführt. Dafür spreche neben der Höhe des Gesamtaufwands, daß die Arbeiten in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchgeführt worden seien. Das im Jahr 1900 errichtete Gebäude sei von Grund auf saniert und auf den aktuellen Wohnungsstandard gebracht worden. Mit Ausnahme der reinen Bausubstanz seien Sanierungs- und Erneuerungsarbeiten praktisch an jedem Gebäudeteil durchgeführt worden. Die Art der durchgeführten Arbeiten und die Höhe des Gesamtaufwands sprächen dafür, daß der Nutzungswert und die Nutzungsdauer des Gebäudes wesentlich erhöht worden seien.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 25. Juli 1990 dahin abzuändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten für 1985 von 160 350,85 DM und für 1986 von 460 413 DM berücksichtigt und die Absetzungen nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 82a EStDV entsprechend berichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat mit unzutreffender Begründung die strittigen Aufwendungen insgesamt als Herstellungskosten beurteilt.

1. Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese handelsrechtliche Begriffsbestimmung gilt ebenso für das Steuerrecht, und zwar auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Senatsurteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632).

a) Die Merkmale einer wesentlichen Verbesserung im Sinne dieser Vorschrift sind entgegen der Auffassung des FG nicht mit dem Argument zu begründen, es liege eine sog. Generalüberholung vor; dieser Begriff hat keine eigenständige steuerrechtliche Bedeutung (Senatsurteil in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I. 4. a der Gründe).

b) Zu Unrecht hat das FG die strittigen Aufwendungen ferner deshalb als Herstellungskosten beurteilt, weil das Gebäude mit hohem Aufwand durch Arbeiten an praktisch jedem Gebäudeteil saniert und auf den aktuellen Wohnungsstandard gebracht worden sei. Eine wesentliche Verbesserung i. S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB kann nicht allein aus Art und Umfang der Baumaßnahmen und der Höhe des dadurch bedingten Aufwands hergeleitet werden. Sie ist nicht schon dann gegeben, wenn eine werterhöhende Modernisierung dem Haus den zeitgemäßen Wohnkomfort wiedergibt, den es früher besessen, aber durch den technischen Fortschritt und die Veränderung der Lebensgewohnheiten verloren hatte. Maßnahmen, die zwar das Gebäude als Ganzes betreffen, es aber lediglich in ordnungsgemäßem Zustand erhalten oder diesen Zustand in zeitgemäßer Form wiederherstellen (substanzerhaltende Bestandteilserneuerungen) bewirken noch keine wesentlichen Verbesserungen. Vielmehr ist eine Verbesserung erst dann wesentlich, wenn über die zeitgemäße Erneuerung hinaus der Gebrauchswert des Hauses im ganzen deutlich erhöht, d.h. der vorhandene Raum einer maßgebend höherwertigen Nutzung zugeführt wird, etwa durch Verwendung außergewöhnlich hochwertiger Materialien in erheblichem Umfang oder eine besondere bauliche Gestaltung (Senatsurteile in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I. 3. b, und vom 17. Juni 1997 IX R 30/95, BFHE 183, 470, 475, BStBl II 1997, 802).

c) Entgegen der Auffassung des FG sind Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen auch nicht deshalb sämtlich als Herstellungskosten zu beurteilen, weil die Arbeiten in einem engen zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang standen. Aufwendungen für Maßnahmen, die über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung nicht hinausgehen, sind, soweit sie (ggf. durch Schätzung) abgrenzbar sind, grundsätzlich als Werbungskosten abzuziehen. Sie sind jedoch als Herstellungskosten zu beurteilen, wenn sie mit den über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinausgehenden (Herstellungs-)Maßnahmen bautechnisch ineinandergreifen. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat insoweit auf sein Urteil in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I. 3. b cc Bezug.

d) Grundsätzlich zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß sich eine deutliche Steigerung des Gebrauchswerts auch durch eine deutliche Verlängerung der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes ergeben kann. Dies setzt jedoch voraus, daß die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen die Bausubstanz verändern, die im wesentlichen die Lebensdauer des Gebäudes bestimmt, insbesondere tragende Wände und Fundamente (vgl. Senatsurteil in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, unter I. 3. b dd). Die Ausführungen des FG, "mit Ausnahme der reinen Bausubstanz" seien Arbeiten praktisch an jedem Gebäudeteil durchgeführt worden, deuten im Gegenteil darauf hin, daß die tragende Bausubstanz von den Arbeiten unberührt geblieben, die Nutzungsdauer mithin nicht verlängert worden ist. Im übrigen hat das FG lediglich folgendes festgestellt: Der Kläger ließ im Erdgeschoß auf einer Fläche von ca. 100 qm Zwischenwände entfernen und teilweise durch Unterzüge ersetzen, um zwei größere Räume zu bilden; die Unterzüge wurden durch abgehängte Decken verkleidet; ein Kachelofen wurde durch einen offenen Kamin ersetzt. Außerdem ließ der Kläger zwei vom Holzwurm befallene Fachwerkwände neu mauern sowie Zentralheizung, Elektro- und Sanitäranlagen, Fliesen in Sanitärräumen und Küche, Fußböden, Fenster und Fensterbänke erneuern, das Dach reparieren sowie Verputz- und Malerarbeiten ausführen. Diese Feststellungen tragen die Beurteilung des FG, im Streitfall sei die Nutzungsdauer wesentlich verlängert worden, nicht.

2. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das FG wird nach den Maßstäben des Urteils in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632 den Sachverhalt insgesamt neu zu würdigen haben.

a) Dabei wird zu prüfen sein, ob der Kläger --wie das FA in der Revisionserwiderung behauptet-- durch die Baumaßnahmen im Erdgeschoß, mit denen er zwei größere Räume geschaffen hat, auch die Wohnfläche vergrößert und damit eine Erweiterung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB vorgenommen hat. Aufwendungen für eine solche sind stets als nachträgliche Herstellungskosten zu beurteilen, auch wenn die Erweiterung nur geringfügig ist (Senatsurteile vom 9. Mai 1995 IX R 88/90, BFHE 178, 32, BStBl II 1996, 628; IX R 69/92, BFHE 178, 36, BStBl II 1996, 630).

b) Ferner wird das FG weiter zu prüfen haben, ob durch eine großzügigere Raumaufteilung im Erdgeschoß, die Verwendung besonders hochwertiger Materialien in erheblichem Umfang oder die bauliche Umgestaltung (Entfernen von Zwischenwänden, teilweise Ersatz durch Unterzüge), der Gebrauchswert des Hauses insgesamt deutlich erhöht worden, d.h. eine wesentliche Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB eingetreten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Entfernen oder Versetzen von Zwischenwänden für sich allein den objektiven Gebrauchswert des Hauses nicht notwendigerweise erhöht (Senatsurteil in BFHE 183, 470, 475, BStBl II 1997, 802).

c) Sollte das FG danach die Baumaßnahmen im Erdgeschoß (ganz oder teilweise) als Herstellungsmaßnahmen beurteilen, wird es weiter zu prüfen haben, welche der übrigen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die über eine zeitgemäße Erneuerung nicht hinausgehen, mit den Herstellungsmaßnahmen bautechnisch ineinandergreifen und zu Herstellungskosten führen, und welche Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen ohne einen solchen bautechnischen Zusammenhang --ggf. im Wege der Schätzung-- abzugrenzen und als Werbungskosten sofort abziehbar sind.

Soweit sich die tatsächlichen Voraussetzungen einer wesentlichen Verbesserung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht mehr feststellen lassen, sind die Aufwendungen ebenfalls als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sofort abziehbar (vgl. Senatsurteil in BFHE 177, 454, 462, BStBl II 1996, 632 unter I. 3. b ff).

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