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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 01.10.2002
Aktenzeichen: IX R 72/99
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 4 | |
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 5 | |
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 6 | |
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 7 | |
EStG § 9a | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 9a Satz 1 Nr. 2 | |
EStG § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 |
Gründe:
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines zu Wohnzwecken vermieteten Reihenhauses. Im Jahr 1997 (Streitjahr) bestellte sie zum Zwecke der Besicherung eines Darlehens, das der Finanzierung des Reihenhauses diente, eine Grundschuld an dem Grundstück. Für die Grundschuldbestellung fielen Notargebühren in Höhe von 699,20 DM an, die die Klägerin im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr neben dem Pauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. April 1997 (BGBl I, 821) --EStG 1997-- in Höhe von 42 DM pro Quadratmeter Wohnfläche als Werbungskosten ansetzte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ die Notargebühren nicht neben diesem Pauschbetrag zum Abzug zu, weil sie keine Schuldzinsen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG seien.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 116 veröffentlichten Urteil die Auffassung, dass zu den Schuldzinsen i.S. des § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG auch Notargebühren als Nebenkosten der Geldbeschaffung zählten. Der gegenteiligen Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) für § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG 1997, die im Schreiben vom 23. September 1997 (BStBl I 1997, 895, unter 3.) dargelegt ist, sei nicht zu folgen.
Mit der Revision macht das FA geltend, Notargebühren seien keine neben dem Werbungskostenpauschbetrag abziehbaren Schuldzinsen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die Notargebühren als Schuldzinsen neben dem Werbungskostenpauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG berücksichtigt.
1. Nach § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 konnten im Streitjahr im Falle der Vermietung von Gebäuden zu Wohnzwecken neben einem Pauschbetrag von 42 DM pro Quadratmeter Wohnfläche die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbaren Schuldzinsen, die Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen abgezogen werden. Durch diese Eingrenzung wird aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG, der lediglich beispielhaft einen Anwendungsfall der allgemeinen Werbungskostendefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG aufzählt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Februar 1994 IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47), eine Norm, die über die Abzugsfähigkeit von durch die Einkünfteerzielung veranlassten Aufwendungen neben dem Pauschbetrag entscheidet.
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der Begriff der Schuldzinsen in § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 ebenso wie in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG auszulegen ist (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2002 IX R 12/00.
2. Notargebühren können nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG abziehbare Schuldzinsen sein.
a) Schuldzinsen sind alle Aufwendungen zur Erlangung wie Sicherung eines Kredits (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1985 IX R 56/82, BFHE 145, 52, BStBl II 1986, 143). Der Begriff ist weit auszulegen. Zu den Schuldzinsen gehören auch die Nebenkosten der Darlehensaufnahme (BFH-Urteil vom 7. November 1989 IX R 190/85, BFHE 159, 439, BStBl II 1990, 460, unter 2.) und sonstige Kreditkosten (u.a. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676) einschließlich der Geldbeschaffungskosten. Die Zweckbestimmung der Aufwendung, ein Darlehen zu erlangen oder zu sichern, ist im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG das maßgebliche Kriterium zur Definition des Begriffs der Schuldzinsen. Die Abziehbarkeit einer einmaligen Sondervergütung kann nicht davon abhängig sein, ob sie dem Geldgeber oder einer zwischengeschalteten dritten Person zufließt (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1959 VI 19/57 U, BFHE 68, 619, BStBl III 1959, 236). Denn dieser Umstand ist für die eintretende Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen unerheblich. Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck des § 9a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997. Ist die Herausnahme der dort genannten Werbungskosten aus der Pauschalierung dadurch zu rechtfertigen, dass sich die dort genannten Kosten einer am Durchschnittsfall orientierten, sachgerechten Pauschalierung entziehen (vgl. Risthaus, Die Pauschalierung von Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, Betriebs-Berater --BB-- 1997, 494, 500; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 9a EStG Anm. 48; v. Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9a Rdnr. B 35), so gilt dies für alle diese Aufwendungen, gleich an wen sie gezahlt werden. Denn Grund und Höhe dieser Aufwendungen folgen aus Art und Umfang der Fremdfinanzierung.
Der Begriff der Schuldzinsen umfasst daher auch Notargebühren zur Besicherung eines Darlehens (so v. Bornhaupt, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 9a Rdnr. B 61 und § 9 Rdnr. C 15; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl. 2002, § 9a Rz. 6; Risthaus, BB 1997, 494, 502 f.; v. Beckerath in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl. 2002, § 9 Rn. 102; Schmitz in HHR, § 9 EStG Anm. 360 und 385, Stichwort: Geldbeschaffungskosten; Gericke in Bordewin/Brandt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 9 Rz. 97; BMF vom 31. Dezember 1994 IV B 3 -S 2225a- 294/94, BStBl I 1994, 887 Tz. 109 zu § 10e Abs. 6 a EStG; a.A. Urban, Der Werbungskostenpauschbetrag bei Wohnraumvermietung, Finanz-Rundschau 1996, 1, 7; BMF in BStBl I 1997, 895, unter 3.; im Ergebnis auch BMF vom 22. Mai 2000 IV C 2 -S 2144- 60/00, BStBl I 2000, 588 Tz. 22, dort zu § 4 Abs. 4 a EStG; Prinz in HHR, § 9a EStG Anm. 48).
b) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn mit dem den Schuldzinsen zugrunde liegenden Darlehen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes oder Gebäudeteils finanziert werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, und vom 23. Oktober 2001 IX R 65/99, BFH/NV 2002, 341).
3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Notargebühren im Streitfall abziehbar. Nach den Feststellungen des FG steht fest, dass die Notargebühren durch die Einkünfteerzielung aus Vermietung und Verpachtung veranlasst sind. Die Grundschuld, für deren Bestellung die Gebühren angefallen sind, dient der Besicherung des Darlehens, mit dem die Klägerin den Erwerb des vermieteten Hauses finanziert hat.
Ende der Entscheidung
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