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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: IX R 78/01
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 2 | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 | |
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 |
2. Werden die Abfindungszahlungen fremdfinanziert, kann der Beamte die dadurch entstehenden Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit absetzen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Zahlung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als Gegenleistung für den Verzicht seiner früheren Ehefrau auf den Versorgungsausgleich sowie damit zusammenhängende Darlehenszinsen als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist Soldat. Seine Ehe wurde am 18. Oktober 1996 (Streitjahr) rechtskräftig geschieden, nachdem die Eheleute bereits seit April 1995 getrennt gelebt hatten. Mehr als ein Jahr vor der Stellung des Scheidungsantrags, nämlich am 19. April 1995, hatten sie in einer notariell beurkundeten Vereinbarung für den Fall der Scheidung jeglichen Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Als Gegenleistung hatte sich der Kläger gegenüber seiner Ehefrau zu Zahlungen von 30 000 DM verpflichtet, und zwar fällig innerhalb von dreizehn Monaten nach dem Tag der Ausreise der Ehefrau in die USA.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die an seine Ehefrau gezahlten 30 000 DM und damit zusammenhängende Schuldzinsen in Höhe von 2 081 DM als vorab entstandene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, weil diese Aufwendungen der Erhaltung ungeschmälerter künftiger Versorgungsbezüge gedient hätten. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nur in Bezug auf die Schuldzinsen.
Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt der Einspruchsentscheidung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), indem es die Zinsen ebenfalls nicht mehr als Werbungskosten berücksichtigte. Den geänderten Bescheid machte der Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.
Die Klage blieb erfolglos. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1593 veröffentlichten Urteil führte das Finanzgericht (FG) aus, die im Vorgriff auf die Scheidung geleistete Zahlung des Klägers führe wegen des nur sehr entfernten Zusammenhangs mit seinem Beruf nicht zu Werbungskosten. Es handele sich bei der Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) um eine nichtsteuerbare Angelegenheit auf der Vermögensebene, so dass auch Schuldzinsen nicht abgezogen werden könnten.
Seine Revision stützt der Kläger auf Verletzung materiellen Rechts. Die an die Ehefrau gezahlte Abfindung sei steuerrechtlich so zu behandeln wie eine sog. Auffüllungszahlung nach § 58 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) an den Dienstherrn, die als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar seien. In beiden Fällen werde gezahlt, um eine Kürzung der Beamtenpension zu vermeiden.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1996 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 9. August 1999 dahin gehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 32 081 DM bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Unzutreffend hat das FG Ausgleichszahlung und Zinsen in Höhe von insgesamt 32 081 DM nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigt.
1. Die an die frühere Ehefrau geleisteten 30 000 DM sind als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sofort abziehbar.
Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), auch wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher vorab entstandener Werbungskosten ist ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, der sich nach der wertenden Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments richtet (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477).
Nach diesen Maßstäben hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung in der Sache IX R 107/00 vom heutigen Tag, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Ehegatte auf Grund einer Vereinbarung gemäß § 1587o BGB an den anderen Ehegatten leistet, um Kürzungen seiner Versorgungsbezüge (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zu vermeiden, ebenso wie Auffüllungszahlungen nach § 58 BeamtVG als sofort abziehbare Werbungskosten beurteilt.
Nichts anderes gilt für Ausgleichszahlungen, die --wie hier-- auf Grundlage einer Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB als Gegenleistung für einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich an den früheren Ehegatten gezahlt werden. Denn auch hier wendet der Ehegatte etwas auf, um die Kürzung seiner künftigen Versorgungsbezüge zu verhindern. Es macht keinen Unterschied, dass die Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB nicht im Zusammenhang mit einer Scheidung getroffen wird, ist sie doch ebenso wie eine Vereinbarung nach § 1587o BGB auf eine Sicherung der Versorgungsansprüche gerichtet (vgl. dazu auch Palandt/ Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., § 1408 Rn. 20).
2. Auch die im Zusammenhang mit der Finanzierung der Ausgleichszahlung entstandenen Schuldzinsen in Höhe von 2 081 DM sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG als Werbungskosten abziehbar. Der wirtschaftliche Zusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ergibt sich schon deshalb, weil der Kläger mit der Ausgleichszahlung Werbungskosten fremdfinanziert hatte.
3. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Weitere Werbungskosten von 32 081 DM sind von den Einnahmen abzuziehen. Der Senat überträgt die Errechnung der Einkommensteuer für das Streitjahr gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA.
Ende der Entscheidung
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