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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 31.05.2001
Aktenzeichen: IX R 78/98
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 12 | |
EStG § 22 Nr. 2 | |
EStG § 23 Abs. 4 Satz 1 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb durch notariellen "Übertragungs- und Ehevertrag" vom 4. März 1994 von seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau 1/2 Grundstücksanteil. Die Übertragung erfolgte zur Auseinandersetzung über diesen Vermögensgegenstand wegen der bevorstehenden Scheidung zu einem Kaufpreis von 148 000 DM. Durch notariellen Vertrag vom 27. Mai 1995 verkaufte der Kläger das gesamte Grundstück zu einem Preis von 540 000 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres (1995) im Zusammenhang mit der Grundstücksveräußerung des vom Kläger (von der damaligen Ehefrau) erworbenen Grundstücksanteils einen Spekulationsgewinn in Höhe von 112 624 DM (die Hälfte des Verkaufspreises des gesamten Grundstücks nach Abzug der durch die Veräußerung entstandenen Kosten = 260 624 DM Netto-Veräußerungspreis ./. 148 000 DM Anschaffungskosten des Grundstücksanteils).
Demgegenüber machte der Kläger geltend, der Spekulationsgewinn betrage nur 23 178,50 DM. Er habe im Rahmen der Scheidung seine damalige Ehefrau von sämtlichen aus der Ehe stammenden Schulden (in Höhe von ca. 428 000 DM) freigestellt; diese seien bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns als Anschaffungskosten abzuziehen. Im Verlaufe des Einspruchsverfahrens brachte der Kläger u.a. noch vor, unter Berücksichtigung der anlässlich der Ehescheidung übernommenen Verpflichtungen sei im notariellen Vertrag vom 4. März 1994 für die Übertragung des Grundstücksanteils ein verhältnismäßig niedriger, nicht dem Verkehrswert entsprechender Kaufpreis vereinbart worden. Vom auf die Grundstückshälfte entfallenden Netto-Veräußerungspreis (260 624 DM) seien deshalb Anschaffungskosten in Höhe des anteiligen Verkehrswertes im Veräußerungszeitpunkt (237 445,50 DM) abzuziehen.
Der hierauf gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1132 veröffentlichten Urteil statt. Bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns seien die Anschaffungskosten des veräußerten Wirtschaftsguts nicht mit dem vereinbarten Kaufpreis, sondern unter Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zu Verträgen zwischen nahen Angehörigen mit dem höheren tatsächlichen Wert anzusetzen, wenn Eheleute anlässlich der Vermögensauseinandersetzung im Rahmen des Scheidungsverfahrens in Kenntnis des wahren Wertes des Wirtschaftsguts einen niedrigeren Kaufpreis vereinbart hätten.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht unter Anwendung der für Verträge zwischen nahen Angehörigen geltenden Grundsätze bei der Ermittlung des auf die Grundstückshälfte entfallenden Spekulationsgewinns als Anschaffungskosten den Verkehrswert des Grundstücksanteils angesetzt.
1. Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 EStG ist Gewinn aus Spekulationsgeschäften der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Anschaffungskosten im Sinne der Vorschrift sind --unter Bezugnahme auf § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB)-- alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Dieser aus dem Handelsrecht in das Steuerrecht übernommene einheitliche Anschaffungskostenbegriff gilt gleichermaßen im Bereich der Gewinneinkünfte wie im Bereich der Überschusseinkünfte (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BStBl II 2001, 345). Zu den Anschaffungskosten gehören neben dem Anschaffungspreis auch alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts stehen, soweit diese Aufwendungen dem einzelnen Wirtschaftsgut zugeordnet werden können (BFH-Urteil vom 13. September 1994 IX R 104/90, BFH/NV 1995, 384). Zur Gegenleistung für den Erwerb können auch Aufwendungen zählen, die neben dem nach dem Kaufvertrag geschuldeten Kaufpreis aufgrund eines gesonderten Vertrages geleistet werden (s. dazu BFH-Urteil vom 17. Dezember 1996 IX R 47/95, BFHE 182, 178, BStBl II 1997, 348), und auch solche, die nicht in einem Vertrag fixiert sind (BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2000 IX B 54/00, BFH/NV 2001, 438).
2. Der Senat kann offen lassen, ob die Grundsätze des sog. Fremdvergleichs bei Verträgen zwischen getrennt lebenden Ehegatten überhaupt anzuwenden sind (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1999 IX R 83/95, BFHE 190, 82, unter 3. c). Im Streitfall jedenfalls bilden sie kein geeignetes Kriterium für die Ermittlung der zu berücksichtigenden Anschaffungskosten.
Der sog. Fremdvergleich dient bei Rechtsverhältnissen unter Angehörigen der Klärung der Frage, ob und inwieweit der zu beurteilende Leistungsaustausch dem Bereich der Einkünfteerzielung oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist (z.B. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106). Vor seiner Anwendung müssen zunächst die von den Vertragsparteien im konkreten Fall getroffenen Vereinbarungen ermittelt werden. Ergibt sich dabei, dass die von den Vertragsparteien vereinbarten Leistungen nicht ausgewogen sind, ist es nicht zulässig, unter Rückgriff auf den sog. Fremdvergleich den tatsächlich verwirklichten durch einen anderen (fingierten) Sachverhalt zu ersetzen, weil unter fremden Dritten eine höhere (ausgewogene) Gegenleistung gefordert (und auch erbracht) worden wäre.
3. Da dem Urteil des FG eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG ist davon ausgegangen, der Kläger und seine damalige Ehefrau hätten im notariellen Vertrag vom 4. März 1994 für die Übertragung des Grundstücksanteils in Kenntnis des höheren Verkehrswerts nur einen Kaufpreis von 148 000 DM vereinbart. Es hat dennoch angenommen, eine teilentgeltliche Übertragung liege nicht vor, und seiner Entscheidung eine dem Verkehrswert entsprechende --höhere-- Gegenleistung zugrunde gelegt. Das FG muss nunmehr ermitteln, welche konkrete(n) Gegenleistung(en) der Kläger und seine damalige Ehefrau für die Übertragung des Grundstücksanteils vereinbart haben: Ob --wie das FA geltend macht-- nur der im notariellen Vertrag vom 4. März 1994 vereinbarte Kaufpreis Gegenleistung war und damit angesichts des höheren Verkehrswerts ggf. ein teilentgeltlicher Erwerb vorlag (zur Anwendung des § 23 Abs. 4 EStG bei vorangegangenem teilentgeltlichen Erwerb, s. BFH-Urteil vom 22. September 1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250) oder ob der Kläger --wie er im Einspruchs- und Klageverfahren geltend gemacht hat-- noch zusätzlich zu dem im notariellen Vertrag vom 4. März 1994 genannten Kaufpreis als Gegenleistung weitere Aufwendungen (z.B. durch die Übernahme von Verbindlichkeiten seiner damaligen Ehefrau) getätigt hat, die als Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind (s. dazu Blümich/Ehmcke, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6 EStG Rz. 304).
Ende der Entscheidung
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