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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: IX R 86/07
Rechtsgebiete: EStG, AO, FGO


Vorschriften:

EStG § 10d
AO § 181 Abs. 5 Satz 1
FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichten bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr 1998 nicht zur Einkommensteuer veranlagt. Am 16. Dezember 2003 ging beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) die Erklärung des Klägers zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für das Streitjahr ein, mit der der Kläger Aufwendungen für seine Ausbildung zum Piloten als vorab entstandene Werbungskosten geltend machte. Das FA lehnte die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags mit Bescheid vom 2. März 2004 ab, weil der Antrag des Klägers erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) eingegangen sei.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 133, veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 10d EStG und des § 181 Abs. 5 Satz 1 der Abgabenordnung (AO).

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und den Ablehnungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1998 in Höhe von 99 230 DM (50 735,49 €) gesondert festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entgegen der Auffassung des FG war die Feststellungsfrist für die gesonderte Feststellung des zum 31. Dezember 1998 verbleibenden Verlustabzugs noch nicht abgelaufen.

1. Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustabzug ist auch dann gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG gesondert festzustellen, wenn --wie im Streitfall-- eine Einkommensteuerveranlagung für das Verlustentstehungsjahr nicht durchgeführt wurde und wegen Ablaufs der zweijährigen Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht mehr durchgeführt werden darf (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. März 2006 XI R 33/04, BFHE 212, 497, BStBl II 2007, 919).

2. Im Streitfall stand der gesonderten Feststellung des zum 31. Dezember 1998 verbleibenden Verlustabzugs nicht der Ablauf der Feststellungsfrist entgegen.

a) Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine gesonderte Feststellung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist. Die Feststellungsfrist beträgt bei der gesonderten Feststellung nach § 10d Abs. 3 EStG vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Entgegen der Auffassung des FG bestimmt sich ihr Beginn nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO.

Gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO später beginnt. Steuererklärung i.S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ist auch die Erklärung zur gesonderten Feststellung (§ 181 Abs. 1 Satz 2 AO). Für die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 EStG besteht gemäß § 181 Abs. 2 Satz 1 AO eine Erklärungspflicht. Danach hat eine Erklärung zur gesonderten Feststellung abzugeben, wem der Gegenstand der Feststellung ganz oder teilweise zuzurechnen ist. Unerheblich ist, dass die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 EStG nicht in § 181 Abs. 2 Satz 2 AO erwähnt wird. § 181 Abs. 2 Satz 2 AO enthält --wie sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt-- keine abschließende Konkretisierung der Erklärungspflicht, sondern führt zur Klarstellung die wichtigsten Anwendungsfälle auf (vgl. BTDrucks 10/1636, 46). Die sinngemäße Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO hat zur Folge, dass die Feststellungsfrist für die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 EStG spätestens nach Ablauf des dritten Kalenderjahres beginnt, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Schluss der Verlustabzug verbleibt.

b) Danach begann die Feststellungsfrist im Streitfall (erst) mit Ablauf des Kalenderjahres 2001; der Kläger hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Feststellungserklärung eingereicht. Ihr Ablauf ist gemäß § 171 Abs. 3a AO, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über die Klage gehemmt, da der Kläger innerhalb der --frühestens mit Ablauf des Jahres 2005 endenden-- Feststellungsfrist den Ablehnungsbescheid vom 2. März 2004 mit einem Einspruch angefochten hat.

3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung ermöglichen, in welcher Höhe vorab entstandene Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) des Klägers bei der Ermittlung seiner Einkünfte nach § 19 EStG im Streitjahr zu berücksichtigen sind. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.



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