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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.10.2003
Aktenzeichen: V B 103/02
Rechtsgebiete: FGO, UStG 1999
Vorschriften:
FGO § 68 | |
FGO § 68 Satz 1 | |
FGO § 74 | |
FGO § 128 Nr. 1 | |
FGO § 128 Nr. 2 | |
UStG 1999 § 18 Abs. 1 | |
UStG 1999 § 18 Abs. 3 |
Gründe:
I. 1. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) setzte in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 1999 Vorsteuer aus der Rechnung über die Anschaffung eines PKW ab. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Es setzte die Umsatzsteuer für Juli 1999 mit Bescheid vom 7. Februar 2001 ohne den erwähnten Vorsteuerabzug fest und wies den dagegen eingelegten Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 20. August 2001 als unbegründet zurück.
Ebenso wich das FA von der Voranmeldung des Klägers für Dezember 2000 ab, setzte die Vorauszahlungen für diesen Monat durch Bescheid vom 5. Februar 2001 ohne Vorsteuerbeträge für weitere Fahrzeuge fest und hielt diese Beurteilung in der erwähnten Einspruchsentscheidung vom 20. August 2001 aufrecht. Darauf erhob der Kläger gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Juli 1999 und Dezember 2000 am 19. September 2001 Klage.
2. Mit Bescheid vom 28. August 2001 setzte das FA die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1999 auf Grund geschätzter Besteuerungsgrundlagen fest. Nachdem der Kläger in dem dagegen geführten Einspruchsverfahren eine Steuererklärung abgegeben hatte, änderte das FA diese Steuerfestsetzung (nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) antragsgemäß durch den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1999 vom 20. Dezember 2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Diesen Bescheid änderte das FA durch einen weiteren Steueränderungsbescheid vom 7. Februar 2002 (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) und ließ darin den bisher (versehentlich) berücksichtigten Vorsteuerbetrag für die Lieferung des PKW nicht mehr zum Abzug zu.
3. Nachdem das FA das Finanzgericht (FG) in dem Verfahren gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 1999 von den zuvor (unter 2.) geschilderten Vorgängen unterrichtet hatte, vertrat es die Auffassung, dass sich die Klage nunmehr gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) u.a. gegen den geänderten Jahressteuerbescheid für 1999 vom 7. Februar 2002 richte.
Das FG äußerte Bedenken gegen diese Auffassung und teilte den Beteiligten mit, es beabsichtige, das Verfahren gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 1999 auszusetzen, bis über die Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 unanfechtbar entschieden worden sei. Nunmehr legte der Kläger einer Anregung des FG entsprechend Einspruch gegen den Steueränderungsbescheid für 1999 vom 7. Februar 2002 ein.
Darauf trennte das FG das Verfahren gegen die Vorauszahlungsbescheide zur Umsatzsteuer für Juli 1999 ab und setzte es durch Beschluss vom 28. März 2002 gemäß § 74 FGO bis zur Bestandskraft der Festsetzung der Umsatzsteuer für 1999 aus. Zur Begründung führte es u.a. aus, § 68 FGO in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung sei nicht anwendbar, weil die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1999 in dem Änderungsbescheid vom 7. Februar 2002 weder ersetzt noch geändert worden sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 853 veröffentlichten Beschluss des FG Bezug genommen.
In der dagegen eingelegten Beschwerde vertritt das FA die Auffassung, durch die Fassung des § 68 FGO ab 1. Januar 2001 habe sich an der bisherigen Beurteilung, dass die Jahressteuerfestsetzung die Vorauszahlungsbescheide regelmäßig ablöse, nichts geändert.
Das FA beantragt, den Beschluss des FG über die Aussetzung des Verfahrens aufzuheben und das Verfahren fortzuführen.
Der Kläger hat angeregt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist gemäß § 128 Nr. 1 und 2 FGO statthaft (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 128 Rz. 4) und begründet. Der Beschluss des FG vom 28. März 2002 über die Aussetzung des Verfahrens gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 1999 wird aufgehoben. Das Verfahren ist gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1999 vom 7. Februar 2002 fortzusetzen.
1. Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach der Bekanntgabe des Umsatzsteuer-Änderungsbescheids für 1999 vom 7. Februar 2002 ist nur noch ein Rechtsstreit anhängig, der diesen Bescheid betrifft.
a) Der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1999 vom 7. Februar 2002 hat den angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 1999 i.S. von § 68 Satz 1 FGO ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden.
§ 68 FGO in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung bestimmt: "Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen."
Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 6 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, 1758) eingeführt worden. Sie ist für alle ab 1. Januar 2001 bekannt gegebenen Verwaltungsakte mit ändernder oder ersetzender Wirkung anwendbar (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 68 FGO Rz. 2).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) löst die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Kalenderjahr (§ 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1999) die auf Vorauszahlungsbescheiden beruhende Umsatzsteuerfestsetzung für die Voranmeldungszeiträume (§ 18 Abs. 1 UStG 1999) ab. Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich aus dem Jahressteuerbescheid festgestellt (vgl. z.B. Urteile des BFH vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46; vom 1. April 1997 V R 45/95, BFH/NV 1997, 723; vom 21. Februar 1991 V R 130/86, BFHE 163, 408, BStBl II 1991, 465; vom 29. November 1984 V R 146/83, BFHE 143, 101, BStBl II 1985, 370). Die Steuerfestsetzung für das Kalenderjahr ersetzt die Festsetzungen von Vorauszahlungen (BFH-Beschluss vom 31. August 1999 V B 53/97 und V S 13/99, BFH/NV 2000, 244). Die Jahressteuerfestsetzung wird gemäß § 68 Satz 1 FGO von Gesetzes wegen Gegenstand des Klageverfahrens vor dem FG (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BFH/NV 2003, 859).
Die Jahressteuerfestsetzung ersetzt i.S. von § 68 Satz 1 FGO den Bescheid über die Festsetzung einer Vorauszahlung. "Ersetzen" bedeutet dem Wortsinn entsprechend "an die Stelle treten", dass die Jahressteuerfestsetzung an die Stelle des Vorauszahlungsbescheids tritt, weil sie dessen Inhalt (Steueransprüche für den Voranmeldungszeitraum) in sich aufnimmt (vgl. Brockhaus, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl., Stichwort: ersetzen). Es ist unschädlich, dass die Jahressteuerfestsetzung einen größeren Regelungsumfang einschließt.
c) Die automatische Ersetzung des Änderungsbescheids durch § 68 FGO n.F. sollte den Interessen der Beteiligten an einem einfachen Verfahren gerecht werden (Begründung zu § 68 FGO in BTDrucks 14/4061, S. 8). Deswegen ist für die Auswechslung des Verfahrensgegenstands kein Antragserfordernis zu erfüllen.
2. Für die Auffassung des FG, dass sich die vor dem 1. Januar 2001 bestehende Rechtslage durch die Änderung von § 68 FGO ab 1. Januar 2001 geändert habe und die Jahresumsatzsteuerfestsetzung die Festsetzung einer Umsatzsteuervorauszahlung nicht mehr ersetze, gibt es keine Anhaltspunkte.
a) Vor dem 1. Januar 2001 galt § 68 FGO in folgender Fassung: "Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, so wird dieser auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des neuen Verwaltungsaktes zu stellen. Hierauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen."
b) Der Vergleich der Voraussetzungen des § 68 FGO vor und ab dem 1. Januar 2001 ergibt, dass sich die Änderung auf den Wegfall der Antragsbefugnis des Klägers beschränkt. Dies bestätigt die Gesetzesbegründung für die Änderung von § 68 FGO. Danach sollten lediglich Schwierigkeiten beseitigt werden, die sich dadurch ergaben, dass der neue Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 2001 nur auf fristgebundenen Antrag Gegenstand des Verfahrens wurde. Zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten soll der neue Verwaltungsakt nach § 68 Satz 1 FGO i.d.F. ab 1. Januar 2001 stets Gegenstand des Klageverfahrens werden (Begründung des Entwurfs eines 2.FGOÄndG, BTDrucks 14/4061, S. 8 zu § 68 FGO; BRDrucks 440/00, S. 17 zu § 68 FGO).
Der Gesetzgeber wollte ersichtlich verfahrensrechtlich durch die Neufassung von § 68 FGO an der vor dem 1. Januar 2001 vorhandenen Rechtslage zum Verhältnis von Vorauszahlungsbescheid und Jahressteuerbescheid nichts ändern. Der angestrebten Verfahrenskonzentration auf den neuen Verwaltungsakt trägt auch § 68 Satz 2 FGO ab 1. Januar 2001 Rechnung. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat auf die Einfügung von § 68 Satz 2 FGO ("Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen") gemäß einer entsprechenden Stellungnahme des Bundesrates (BTDrucks 14/4450, S. 2) hingewirkt (BTDrucks 14/4549, S. 11 zu § 68 FGO). Dadurch sollte klargestellt werden, dass der neue Verwaltungsakt ohne weiteres Vorverfahren Klagegegenstand wird.
c) Die vom FG geschilderten Folgen (kein weiteres Einspruchsverfahren gegen den neuen Verwaltungsakt) hat der Gesetzgeber mit der Änderung des § 68 FGO bewusst in Kauf genommen. Sie sind keine Grundlage für eine neue Beurteilung der unverändert fortgeführten Tatbestandsmerkmale der Vorschrift.
Ende der Entscheidung
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