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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.02.2000
Aktenzeichen: V B 117/99
Rechtsgebiete: FGO, BFHEntlG


Vorschriften:

FGO § 105 Abs. 5
FGO § 102
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war in den Jahren 1980 bis 1982 Geschäftsführerin einer GmbH, die durch Beschluss des Amtsgerichts vom 7. Oktober 1981 mangels kostendeckender Konkursmasse aufgelöst wurde. Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahre 1986 wurde festgestellt, dass sich die Klägerin auch nach 1981 noch unternehmerisch betätigt, ihre Umsätze hieraus jedoch nicht erklärt habe. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ hierauf, gestützt auf die Prüfungsfeststellungen, entsprechende Umsatzsteuerbescheide 1982 und 1983. Den hiergegen erhobenen Einspruch, den die Klägerin nicht begründete, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1986 als unbegründet zurück. Die --der Klägerin laut Postzustellungsurkunde persönlich ausgehändigte-- Entscheidung wurde bestandskräftig.

Aufgrund der Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde die Klägerin wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt.

Am 24. März 1992 beantragte die Klägerin einen zumindest teilweisen Erlass ihrer Steuerrückstände nebst Säumniszuschlägen (Stand 24. September 1992: 36 515 DM). Zur Begründung trug sie vor, nur über ein monatliches Nettoeinkommen von 615,35 DM zu verfügen. Im Übrigen sei sie lediglich durch die geschäftlichen Aktivitäten ihres mittlerweile schwer erkrankten Ehemannes in die derzeitige finanzielle Situation geraten. Sie selbst treffe kein Verschulden an den Steuerrückständen, die zum Teil über zehn Jahre alt seien. Mit Hilfe von Verwandten könne sie lediglich einen Teilbetrag aufbringen.

Das FA lehnte den Antrag ab. Die nachfolgende Beschwerde blieb erfolglos. Die Oberfinanzdirektion (OFD) führte in der Beschwerdeentscheidung vom 14. Januar 1993 im Wesentlichen aus: Sachliche Billigkeitsgründe habe die Klägerin weder vorgetragen noch ergäben sie sich aus dem Inhalt der Steuerakten. Persönliche Erlassgründe lägen schon deshalb nicht vor, weil durch den begehrten Erlass eine mögliche Existenzgefährdung der Klägerin nicht beseitigt würde. Da die Klägerin mithin schon nicht erlassbedürftig sei, könne die Frage ihrer Erlasswürdigkeit offen bleiben.

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage trug die Klägerin im Wesentlichen vor, zu keinem Zeitpunkt eigene geschäftliche Aktivitäten entfaltet zu haben. Alle geschäftlichen und steuerlichen Dinge habe ihr inzwischen verstorbener Ehemann ohne ihr Wissen erledigt. Er habe auch ihre Unterschrift ohne ihr Wissen gefälscht und somit in ihrem Namen Erklärungen abgegeben. Sie bestreite daher mit Nichtwissen, irgendwelche Entscheidungen des FA, die durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden seien, persönlich in Empfang genommen zu haben. Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, so habe sie jedenfalls die zugegangenen Schriftstücke ungeöffnet ihrem Ehemann übergeben. Dies sei die ausdrückliche Anweisung ihres Ehemannes gewesen, an die sie sich immer gehalten habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es folgte der Begründung der Beschwerdeentscheidung der OFD vom 14. Januar 1993 und sah von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Ergänzend führte das FG aus: Da die Klägerin im Klageverfahren ihr Erlassbegehren nur auf sachliche Billigkeitsgründe gestützt habe, könne sich die gerichtliche Überprüfung hierauf beschränken. Insoweit sei allerdings darauf hinzuweisen, dass ihr jetziger Vortrag, sie sei zu keiner Zeit geschäftlich tätig gewesen und ihre Unterschriften unter Steuererklärungen seien von ihrem Ehemann gefälscht worden, neu sei. Im Vorverfahren (Beschwerdeverfahren) habe die Klägerin überdies noch vorgetragen, sie habe die ihr vorgelegten Steuererklärungen und Schriftstücke "blind" unterschrieben.

Die Richtigkeit dieser nunmehr erstmals vorgetragenen Behauptungen falle nicht in die Prüfungsbefugnis des Gerichts: Nach § 102 FGO prüfe das Gericht die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde so, wie sie in der letzten Verwaltungsinstanz --hier der Beschwerdeentscheidung-- getroffen worden sei. Es habe folglich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Da es auf diesen Zeitpunkt ankomme, sei ein sog. Nachschieben von Gründen während des Klageverfahrens --wie vorliegend geschehen-- unzulässig. Diese Gründe könnten allenfalls in einem neuen Erlassantrag berücksichtigt werden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie rügt, das Urteil des FG beruhe auf dem Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung.

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils begründet werden; der Beschwerdeführer kann nicht mehr mit Gründen gehört werden, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO; BFH-Beschluss vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610).

2. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, sie habe dem FA mit Schriftsatz vom 14. September 1992 nachdrücklich mitgeteilt, eine Überprüfung der Unterlagen habe ergeben, dass ihre Unterschrift unter einigen für die Steuerfestsetzung relevanten Dokumenten gefälscht sei. Mit diesem Vortrag habe sich die OFD in der Beschwerdeentscheidung nicht auseinander gesetzt. Im Klageverfahren habe sie --die Klägerin-- ein Sachverständigengutachten vorgelegt, das zu dem Ergebnis gekommen sei, dass ihre Unterschrift unter diversen Dokumenten gefälscht gewesen sei. Soweit das FG in seinem Urteil ausführe, es sei erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden, dass ihre Unterschrift gefälscht worden sei, sei dies ganz evident unzutreffend. Offensichtlich habe das FG ihren Schriftsatz vom 14. September 1992 völlig unbeachtet gelassen. Somit beruhe sein Urteil auf dem Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung.

3. Wird --wie hier-- als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufklärung gerügt und geltend gemacht, das FG hätte auch ohne Vorliegen eines Beweisantrags aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt näher aufklären müssen, sind gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. Juli 1995 V B 37/95, BFH/NV 1996, 55; vom 29. Januar 1999 V B 112/97, BFH/NV 1999, 1103):

- die ermittlungsbedürftigen Tatsachen,

- die nicht verwendeten Beweismittel sowie die entsprechenden Beweisthemen,

- aufgrund welcher Anhaltspunkte im schriftsätzlichen Vorbringen oder sonst in den Akten des FG die Beweiserhebung sich dem FG hätte aufdrängen müssen,

- das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,

- inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann,

- dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte.

4. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin diese Anforderungen ordnungsgemäßer Darlegung erfüllt hat. Insoweit bestehen insbesondere Bedenken, ob in der Beschwerdebegründung hinreichend dargelegt wird, dass und weshalb sich dem FG nach seiner maßgeblichen sachlich-rechtlichen Beurteilung die beanstandete unterlassene Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt jedenfalls (objektiv) nicht vor. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nicht verletzt. Die Klägerin stützt ihre Beschwerde darauf, das FG habe die aufgrund ihres Schriftsatzes vom 14. September 1992 sich aufdrängende Sachaufklärung nicht durchgeführt und sei ihrem dortigen Vortrag nicht weiter nachgegangen, ihre Unterschrift sei wiederholt gefälscht worden. Dieser Schriftsatz befindet sich jedoch --aus welchen Gründen auch immer-- nicht bei den Verwaltungsakten. Er ist (dementsprechend) auch in der Beschwerdeentscheidung der OFD vom 14. Januar 1993 nicht berücksichtigt worden. Die Klägerin hat diesen Schriftsatz im erstinstanzlichen Verfahren vor dem FG nicht vorgelegt und sich darauf auch nicht bezogen. Deshalb bestand für das FG keine Veranlassung, dem Vorbringen in diesem --erst im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu den Gerichtsakten gereichten-- Schriftsatz näher nachzugehen. Denn bei der gerichtlichen Überprüfung einer einen Erlass ablehnenden Entscheidung der Verwaltung ist --wie das FG zutreffend dargelegt hat-- die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Beschwerdeentscheidung, maßgebend; erst im gerichtlichen Verfahren nachgeschobene Gründe sind insofern unerheblich (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 102 FGO, Rz. 35 ff., m.w.N.; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 102 Tz. 13 ff., m.w.N.).

5. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

Ende der Entscheidung

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