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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.09.2005
Aktenzeichen: V B 126/04
Rechtsgebiete: UStG, AO 1977, FGO, ZPO


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 12 Satz 2
UStG § 4 Nr. 12 a
AO 1977 § 164 Abs. 2
FGO § 82
FGO § 94
FGO § 96 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 160 Abs. 1
ZPO § 160 Abs. 2
ZPO § 160 Abs. 3
ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 4
ZPO § 160 Abs. 4
ZPO § 160 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 160 Abs. 5
ZPO § 450 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vermietung von Hotelzimmern zur Unterbringung von Aus- und Übersiedlern und Asylbewerbern gemäß § 4 Nr. 12 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei ist.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war im Streitjahr 1990 Inhaberin eines Hotels mit 16 Zimmern. Im Jahr 1988 hatte das Sozialamt der Stadt N Probleme, Wohnraum für Aussiedler und Asylbewerber zu beschaffen. Die Klägerin hatte ihre Bereitschaft erklärt, in dem seinerzeit geschlossenen Hotel Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Von 1989 bis 1992 wurden nach vorhergehender telefonischer Anmeldung durch das Sozialamt diese Personen dort untergebracht. Die Abrechnungen erfolgten in jedem Einzelfall monatlich aufgrund einer vorher festgelegten Miete nach Tagessätzen. Eine Bewirtung erfolgte durch die Klägerin nicht. Die untergebrachten Personen haben sich selbst verpflegt. Die vertraglichen Vereinbarungen wurden zwischen der Klägerin und dem Sozialamt mündlich getroffen. Die Hotelzimmer konnten von der Klägerin auch an andere Gäste vermietet werden; tatsächlich fand weder eine solche Vermietung noch ein Hotelbetrieb während dieser Zeit statt.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr neben diesen Umsätzen aus der Vermietung der Hotelzimmer weitere Umsätze aus der Vermietung von Räumen für eine Spielhalle. Am 15. Juni 1992 erging ein Umsatzsteuerbescheid für 1990, in dem die Besteuerungsgrundlagen zunächst geschätzt wurden. Am 31. Juli 1992 erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid, in dem die Umsatzsteuer entsprechend der abgegebenen Umsatzsteuererklärung festgesetzt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Die Klägerin hatte in ihrer Steuererklärung die Umsätze aus der Vermietung der Hotelzimmer in Höhe von 92 896,42 DM als steuerpflichtig erklärt und Vorsteuerbeträge in Höhe von 7 180,69 DM angesetzt.

Am 23. Dezember 1994 beantragte die Klägerin, den Steuerbescheid zu ändern und reichte eine berichtigte Steuererklärung ein. Darin erklärte sie u.a. steuerfreie Umsätze in Höhe von 100 883,23 DM aus der Vermietung der Hotelzimmer und setzte die Vorsteuerbeträge mit 0 DM an. Die Klägerin begründete ihren Änderungsantrag mit der Steuerfreiheit der Vermietung der Hotelzimmer. Das FA lehnte die Änderung mit Bescheid vom 14. August 1995 ab.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass die Vermietungsumsätze der Klägerin gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig seien, weil die Klägerin die Hotelzimmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten habe. Für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG vorliegen, komme es nicht auf die tatsächliche Dauer der Vermietung an, sondern auf die aus den äußeren Umständen ableitbare Absicht des Unternehmers, die Räumlichkeiten nur zur vorübergehenden Beherbergung bereitzuhalten. Zu diesen äußeren Umständen gehörten sowohl Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Eingehung des Mietverhältnisses als auch außervertragliche Gesichtspunkte. Als vertragliche Indizien kämen in Betracht die Vertragsdauer, die außergewöhnliche Höhe des Mietentgelts sowie Art und Zeitraum der Abrechnung. Bei Anwendung dieser Grundsätze sei die Absicht einer längerfristigen Vermietung durch die Klägerin nicht eindeutig und in leicht nachprüfbarer Weise zum Ausdruck gekommen.

Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, die Entscheidung des FG weiche von mehreren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ab, wonach es entscheidend auf die aus den äußeren Umständen abzuleitende Absicht des Vermieters ankomme. Das FG habe ihre wirkliche Absicht, die sich aus den Gesamtumständen und ihrem Vorbringen vor Gericht ergebe, verkannt.

Außerdem macht die Klägerin einen Verfahrensmangel geltend, weil nicht alle wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in das Protokoll aufgenommen worden seien. Ihre Aussagen seien für die Beurteilung der Vermietungsabsicht maßgebend gewesen, hätten aber im Protokoll keinen Niederschlag gefunden.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Die Klägerin rügt zu Unrecht eine Abweichung der Entscheidung des FG von der Rechtsprechung des EuGH und des BFH. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der EuGH oder der BFH (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2000 XI B 119/99, BFH/NV 2000, 1239; vom 15. Juni 2000 XI B 71/99, BFH/NV 2000, 1180). Das FG muss dabei seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (BFH-Beschlüsse vom 27. April 1999 III B 43/98, BFH/NV 1999, 1477; vom 4. Mai 2000 I B 121/99, BFH/NV 2000, 1477; vom 8. Mai 2000 VIII B 78/99, BFH/NV 2000, 1201).

Nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG sind nicht befreit die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung auf die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters an, wobei auf eine Würdigung der Gesamtumstände abzustellen ist (BFH-Urteile vom 27. April 1995 V R 112/93, BFH/NV 1996, 182; vom 25. Januar 1996 V R 6/95, BFH/NV 1996, 583; vom 6. August 1998 V R 26/98, BFH/NV 1999, 84; BFH-Beschlüsse vom 12. März 1998 V B 127/97, BFH/NV 1998, 1133; vom 11. März 1998 V B 125/97, BFH/NV 1998, 1007). Als Anhaltspunkte können u.a. herangezogen werden die vereinbarte Vertragsdauer, die kurzfristige Kündbarkeit des Mietvertrages und die tatsächliche Verweildauer des Gastes. Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG-- (EuGH-Urteil vom 12. Februar 1998 Rs. C-346/95, Elisabeth Blasi, Slg. 1998, I-481, Umsatzsteuer-Richtlinien --UR-- 1998, 189).

Von diesen Grundsätzen ist das FG ausdrücklich ausgegangen. Es ist lediglich bei der Würdigung der im konkreten Fall festgestellten äußeren Umstände davon ausgegangen, dass diese keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Absicht einer nicht nur kurzfristigen Vermietung zulassen. Gemäß § 96 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Eine Abweichung in der Beurteilung von Tatsachen genügt deshalb nicht (BFH-Beschluss vom 4. August 1993 II B 175/92, BFH/NV 1994, 718). Keine Divergenz liegt vor, wenn das FG erkennbar von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese aber fehlerhaft auf die Besonderheiten des Einzelfalles anwendet (BFH-Beschlüsse vom 22. Mai 2000 III B 97/99, BFH/NV 2000, 1203; vom 17. Mai 2000 III B 26/00, BFH/NV 2000, 1352; vom 25. Mai 2000 V B 55/00, BFH/NV 2000, 1482).

2. Die Klägerin rügt auch das Vorliegen eines Verfahrensmangels ohne Erfolg. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Verfahrensrechts. Es liegt kein Verstoß gegen § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor. In § 160 Abs. 1 bis 3 ZPO sind die in das Protokoll aufzunehmenden Vorgänge festgeschrieben. Die Sachverhaltsdarstellung der Prozessbeteiligten gehört nicht dazu. Zwar sind gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO im Protokoll u.a. die Aussagen der vernommenen Parteien festzustellen. Die Klägerin ist aber nicht als Partei vernommen worden. Die Vernehmung einer Partei wird gemäß § 82 FGO i.V.m. § 450 Abs. 1 Satz 1 ZPO angeordnet. Das ist vorliegend nicht geschehen.

Darüber hinaus können die Beteiligten gemäß § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO beantragen, dass bestimmte Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden. Es ergibt sich aber weder aus der Sitzungsniederschrift, dass die Klägerin einen derartigen Antrag gestellt hat noch trägt sie dies in ihrer Beschwerdebegründung vor.

Ende der Entscheidung

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