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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: V B 130/08
Rechtsgebiete: UStG, Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 12 Satz 2
UStG a.F. § 15 Abs. 2 Nr. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (Kläger), ein eingetragener Verein, betreibt einen Campingplatz. Im Jahre 1998 errichtete er die Versorgungseinrichtungen (Be- und Entwässerungsanlagen, Strom und Wasseranschlüsse) und die Stellplatzwege sowie im Jahre 1999 ein Sanitärgebäude (Dusch- und Toilettenanlagen und Büroraum), das im Jahre 2001 fertig gestellt wurde.

In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1998 bis 2000 machte der Kläger unter anderem den Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Versorgungseinrichtungen und des Sanitärgebäudes geltend.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ der Beklagte, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für die Streitjahre 1998 bis 2000 Umsatzsteueränderungsbescheide, gegen die der Kläger Klage erhob.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt. Der Vorsteuerabzug aus den Versorgungseinrichtungen sei zu gewähren, weil diese nicht gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) in Zusammenhang mit den steuerfreien Umsätzen für die Überlassung der Dauercampingplätze stünden. Denn bei den Versorgungseinrichtungen handele es sich um Betriebsvorrichtungen, bei denen es sich entgegen der Rechtsauffassung des FA (Abschn. 78 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR--) nicht um steuerfreie Nebenleistungen zur Überlassung der Dauercampingplätze handele, weil hier nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Mai 1998 V R 19/96 (BFHE 185, 555) ein Aufteilungsgebot gelte. Auch die Umsätze aus der Lieferung von Strom für die Dauercampingplätze sah das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten als steuerpflichtig an. Den Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Sanitärgebäudes erkannte es wegen der (steuerpflichtigen) Nutzung durch Tagesgäste und (steuerfreien) Nutzung durch Dauercamper nur im Verhältnis der hierfür jeweils bereitgehaltenen Stellplätze (15 Plätze für Tagesgäste / 119 für Dauercamper = 12,61%) an. Eine Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel komme in der Gründungsphase nicht in Betracht. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Hiergegen wenden sich das FA und der Kläger jeweils mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Der Kläger macht geltend: Die Kürzung des Vorsteuerabzugs (im Verhältnis der Nutzung durch Dauercamper und Tagescamper) aus der Errichtung des Sanitärgebäudes sei zu Unrecht erfolgt. Die entgeltliche Nutzungsüberlassung von Teilen des Sanitärgebäudes stelle keine Nebenleistung dar. Bei der Überlassung der Stellplätze an die Vereinsmitglieder handele es sich nicht um eine steuerfreie Vermietung, sondern um die Erfüllung des satzungsmäßigen Vereinszwecks. Die im Sanitärgebäude erbrachten entgeltlichen Leistungen beträfen dagegen die Sonderbelange der Mitglieder, weshalb es sich um eine Leistung des Vereins an die Mitglieder handele. Die Entscheidung "über dieses Problem" diene der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und sei von grundsätzlicher Bedeutung. Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (10. Oktober 2008) ergänzte der Kläger am 1. Dezember 2008 sein Vorbringen dahingehend, von grundsätzlicher Bedeutung sei auch die Frage, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in der Rechtssache "Seeling" (Urteil vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00, Slg. 2003, I-4101, BFH/NV Beilage 2003, 157) im Hinblick auf den uneingeschränkten Vorsteuerabzug für das Sanitärgebäude anwendbar sei. Der EuGH habe entschieden, dass bei unternehmerischer und nichtunternehmerischer Nutzung der Steuerpflichtige befugt sei, das gesamte Gebäude dem Unternehmen zuzuordnen und den Vorsteuerabzug insgesamt geltend zu machen. Es sei noch nicht entschieden, ob dieselben Grundsätze auch bei der Nutzung zu steuerpflichtigen (Tagescamper) und zu steuerbefreiten (Dauercamper) Zwecken gelten. Das FG habe hierzu nicht Stellung genommen.

Das FA macht geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen zur Klärung der Rechtsfrage, ob der Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Versorgungseinrichtungen für Strom, Wasser und Abwasser ausgeschlossen sei, weil es sich bei der Überlassung von Dauercampingplätzen um eine steuerfreie Leistung handele und die Überlassung der Versorgungseinrichtungen als unselbständige Nebenleistung anzusehen sei. Diese Rechtsfrage sei klärungsbedürftig, weil das FG-Urteil im Widerspruch stehe zu Abschn. 78 Abs. 3 Satz 6 UStR sowie der Rechtsauffassung von Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer (UStG, § 4 Nr. 12 Rz 73). Zwar habe der BFH hierüber bereits mit Urteil in BFHE 185, 555 entschieden. Es sei jedoch zweifelhaft, ob diese Entscheidung mit den Grundsätzen der jüngeren Rechtsprechung des EuGH zum Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung (EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96, Card Protection-Plan, Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 254) noch in Einklang stehe. Die Versorgungsleistungen dienten dazu, die Hauptleistung (Überlassung eines Stellplatzes) unter optimalen (Komfort-)Bedingungen in Anspruch nehmen zu können.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerden haben keinen Erfolg.

1.

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig, weil dieser entgegen § 116 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt hat. Hinsichtlich der anteiligen Kürzung des Vorsteuerabzugs aus den Herstellungskosten des Sanitärgebäudes hat er keine abstrakte Rechtsfrage bezeichnet, deren Klärung grundsätzlich bedeutsam für die Allgemeinheit sein könnte. Im Übrigen ist hinsichtlich der Überlassung von Stellplätzen an die Mitglieder eines Vereins gegen Zahlung eines Vereinsbeitrages durch die Rechtsprechung des EuGH und des BFH geklärt, dass entgeltliche Leistungen eines Vereins an seine Mitglieder, die dessen konkretem Individualinteresse dienen, unabhängig davon, ob hierdurch der Vereinszweck erfüllt wird oder nicht, steuerbar sind und steuerpflichtig sein können (EuGH-Urteil vom 21. März 2002 Rs. C-174/00, Kennemer Golf & Country Club, Slg. 2002, I-3293, BFH/NV Beilage 2002, 95; BFH-Urteile vom 9. August 2007 V R 27/04, BFHE 217, 314, UR 2007, 811; vom 11. Oktober 2007 V R 69/06, BFHE 219, 287, UR 2008, 153; vom 12. Juni 2008 V R 33/05, BFHE 221, 536, BStBl II 2009, 221).

Die weitere Rechtsfrage, ob die Grundsätze des Urteils des EuGH in der Rechtssache "Seeling" auch bei steuerbefreiter und steuerpflichtiger unternehmerischer Nutzung entsprechend anwendbar ist (vgl. dazu das EuGH-Urteil vom 12. Februar 2009 Rs. C-515/07, VNLTO, Deutsches Steuerrecht 2009, 369 Rdnr. 37), wurde erst nach Ablauf der Nichtzulassungsbeschwerdefrist benannt und ist daher schon deshalb nicht zu berücksichtigen.

Schließlich ist die Revision auch nicht unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Divergenz des FG-Urteils zum BFH-Urteil vom 15. Januar 2009 V R 91/07 (Der Betrieb 2009, 772) zuzulassen, wonach die Lieferung von Strom als steuerfreie Nebenleistung zur Grundstücksvermietung anzusehen ist. Denn eine "nachträgliche" Divergenz kann nach ständiger Rechtsprechung nur dann berücksichtigt werden, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der Beschwerdefrist unter Berücksichtigung der formellen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung begründet wurde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. September 2007 XI B 52/06, BFH/NV 2008, 63; vom 17. Januar 2006 VII B 326/04, BFH/NV 2006, 1108, m.w.N.). Zur Frage der Steuerbefreiung von Stromlieferungen als Nebenleistung zur Grundstücksvermietung enthält die Beschwerdeschrift jedoch keine Ausführungen.

2.

Auch die Beschwerde des FA hat keinen Erfolg.

Das FA hat als klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung die Frage bezeichnet, ob die Überlassung von Versorgungseinrichtungen als Nebenleistung zur steuerfreien Grundstücksvermietung ebenfalls steuerfrei ist oder ob wegen ihrer Eigenschaft als Betriebsvorrichtung eine Ausnahme gilt. Diese Frage hat der BFH im Urteil in BFHE 185, 555 entschieden. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage gestützt, über die der BFH bereits entschieden hat, so muss die Beschwerdeschrift Ausführungen dazu enthalten, aus welchen neuen, in der vormaligen Entscheidung noch nicht berücksichtigten Gründen eine nochmalige Überprüfung durch den BFH angezeigt ist. Allein der Hinweis auf eine abweichende Regelung in den UStR genügt dazu ebenso wenig wie der Hinweis des FA auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache "Card Protection-Plan" in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, weil sich dieser Entscheidung keine Ausführungen zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung entnehmen lassen, wenn es sich bei dem mitvermieteten Gegenstand gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG um eine Betriebsvorrichtung handelt, zumal auch Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) eine der deutschen Regelung entsprechende Ausnahme für die Steuerbefreiung bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken für die "Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen" enthält. Hierzu sind der Beschwerdeschrift keine neuen, vom BFH noch nicht geprüften Gesichtspunkte zu entnehmen.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich auch nicht aus dem inzwischen durch Urteil vom 15. Januar 2009 V R 91/07 (BFH/NV 2009, 865) entschiedenen Revisionsverfahren, denn dort war nur die Steuerfreiheit von Stromlieferungen streitig, nicht aber die Frage, ob auch die Überlassung von Stromanschlüssen ungeachtet ihrer Eigenschaft als Betriebsvorrichtung als Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung von Dauercampingplätzen anzusehen sind.

Ende der Entscheidung

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